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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 26

Beratung

Härtefallfonds gegen Energiesperren

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2140


Einbringerin ist Frau Eisenreich. - Frau Eisenreich, Sie haben das Wort.

(Kerstin Eisenreich, DIE LINKE, fährt das Rednerpult herunter)

Los geht‘s, wenn Sie wollen.


Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Energiearmut ist bei Weitem kein neues Phänomen; denn schon lange vor den Preisexplosionen der letzten 24 Monate sahen sich Menschen in Sachsen-Anhalt nicht mehr in der Lage, ihre Energierechnungen zu bezahlen.

Menschen, die dauerhaft in Armut leben oder von Armut bedroht sind, ringen tatsächlich tagtäglich um jeden Cent, um irgendwie über die Runden zu kommen. Sie stellen sich die Frage: Soll ich jetzt essen, das Licht einschalten, heizen oder kochen? Ja, die Schuhe müssten eigentlich auch wieder einmal erneuert werden. Und das Telefon? Also, diese Menschen drehen sich mit diesen Fragen permanent im Kreis. Bei allen Bemühungen, irgendwie irgendetwas einzusparen, ist das Tischtuch einfach immer zu kurz, an dem sie ziehen.

Ja, dann dauert es nicht lange, bis sich diese Menschen   das sind vor allem Rentnerinnen und Rentner, Familie und deren Kinder   verschulden. Sie haben keinerlei Ersparnisse, die sie einsetzen könnten.

Alle kennen das: Wer bei Strom und Gas über längere Zeiträume solche Schulden anhäuft, der läuft Gefahr, dass eine Energiesperre droht oder aber schließlich auch umgesetzt wird. Das ist gravierend und ein massiver Einschnitt in die Lebensqualität. Was für die meisten Menschen auch hier im Saal selbstverständlich ist, wird zum Luxus. Es gibt keine warme Stube, keine warme Mahlzeit, keine saubere Wäsche, kein Telefon, kein Internet. Besonders schwerwiegend ist eine solche Situation für Kinder, für ältere Menschen, aber eben auch für Kranke.

Im Jahr 2020 wurde 10 688 Verbraucherrinnen in Sachsen-Anhalt der Strom abgeklemmt. Damit nahm Sachsen-Anhalt bundesweit eine sehr traurige Spitzenposition ein, und das trotz des zu Beginn der Coronapandemie eingeführten Moratoriums für Strom- und Gassperren.

Ich will dabei gar nicht verkennen, dass vor allem kommunale Energieversorgungsunternehmen, Energieschuldner und Insolvenzberatung viele Anstrengungen unternehmen, um gemeinsam mit den Betroffenen Lösungen zu suchen und zu finden, aber das funktioniert in vielen Fällen einfach nicht.

Menschen, die Rechnungen nicht bezahlen können, schämen sich dafür. Sie schämen sich teilweise auch dafür, Hilfe überhaupt zu suchen und in Anspruch zu nehmen. Wenn sie in den Briefkasten schauen, dann nehmen sie Rechnungen, Mahnungen, Vollstreckungsbescheide und vieles andere mehr heraus - oder eben auch nicht mehr, weil sie es einfach nicht mehr ertragen; denn sie können diese Forderungen gar nicht erfüllen.

Ich darf daran erinnern, dass unter dem Hashtag „IchBinArmutsbetroffen“ seit einiger Zeit zahlreiche Menschen ihre Scham überwunden haben und damit an die Öffentlichkeit getreten sind. Das ist aus meiner Sicht sehr mutig;

(Beifall bei der LINKEN)

denn in unserer Gesellschaft wird Armut einfach gern verdrängt. Inzwischen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind aber nicht mehr nur Menschen mit geringen, sondern zunehmend auch mit mittleren Einkommen betroffen und geraten in finanzielle Nöte. Ja, die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt leidet überproportional unter den steigenden Lebenshaltungskosten.

Bei der Energiearmut konkret sehen wir als LINKE schon lange erheblichen Handlungsbedarf; denn aus unserer Sicht ist Energie genau wie z. B. Wasser Teil der Daseinsvorsorge.

An dieser Stelle möchte ich auch einmal mit einem Mythos aufräumen. Es herrschen aus meiner Sicht sehr viele falsche Vorstellungen z. B. darüber, dass die Stromkosten von ehemals Hartz-IV- und heute Bürgergeldempfänger*innen komplett vom Staat übernommen werden. Das ist schlichtweg falsch. Schon lange muss ein Teil der Stromkosten von dem dürftigen Grundbetrag bezahlt werden. Viele Betroffene müssen dafür noch ein Darlehen aufnehmen. Also häufen sie weiter Schulden an. Beim jetzt eingeführten Bürgergeld, meine sehr geehrten Damen und Herren, decken die angesetzten Stromkosten den tatsächlichen Bedarf ebenfalls nicht ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Beispiel einer alleinstehenden Person beträgt der Bedarf 641 € im Jahr, aber angesetzt werden nur knapp 511 €.

Mit den seit zwei Jahren galoppierenden Energiepreisen verschärft sich die Situation weiter. Weder die drei Entlastungspakete noch die Einführung des Bürgergeldes sowie die aktuellen Strom- und Gaspreisbremsen können dabei wirklich Abhilfe schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

So wurden bei den Einmalzahlungen zunächst ganze Bevölkerungsgruppen einfach vergessen. Insgesamt sind Einmalzahlungen aus unserer Sicht ungeeignet, um das Problem steigender Preise für die Verbraucher*innen abzumildern.

Auch die Preisdeckel für Strom und Gas entlasten nicht jene, die es am Nötigsten haben. Der Deckel bei 80 % des Verbrauchs des Jahres 2021 belastet im Gegenteil Menschen, die bisher schon wenig verbraucht haben. Dafür zahlen sie aber dann drauf. Bei den Preisen, die gerade aufgerufen werden, drohen weitere Schulden. Im Übrigen wird wahrscheinlich erst mit den Betriebskostenabrechnungen für das vergangene Jahr das Ausmaß der Kostensteigerungen deutlich werden. Viele Menschen werden weitere Unterstützung brauchen, wenn sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können und aufgelaufene Schulden tilgen wollen, um Strom- und Heizsperren abzuwenden.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, schlagen wir mit unserem Antrag vor, einen landeseigenen Härtefallfonds in Höhe von 10 Millionen € einzurichten. Damit sollen Verbraucher*innen unterstützt werden, denen unverschuldet Energiesperren drohen, oder wenn diese bereits bestehen.

Natürlich muss dem Ganzen eine Einzelfallprüfung vorausgehen. Es geht aber eben darum, kurzfristig die Energieschulden zu bezahlen; denn so gut das Angebot von Darlehen gemeint ist, es hilft genau diesen Menschen nicht weiter.

Darüber hinaus ist die Beratung dieser Menschen im Bereich Energie, aber eben auch im Zusammenhang mit den Schulden wichtig, um ihnen langfristig eine Perspektive und sichere Energieversorgung zu garantieren.

Die Stärkung der entsprechenden Beratungsstellen und vor allem auch die enge Zusammenarbeit von Sozialbehörden, Jobcentern, Beratungsstellen und Energieversorgern sind deshalb entscheidende Bausteine zur Unterstützung Betroffener und müssen ausgebaut werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, auch mir ist bekannt, dass vor allem kommunale Energieversorgungsunternehmen hierfür schon sehr viel tun. Neben der schon genannten Schamschwelle kommt aber hinzu, dass Verbraucher*innen im ländlichen Raum davon meist nicht profitieren können, weil es weder kommunale Versorgungsunternehmen gibt noch leicht zugängliche Beratungsstrukturen.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus fordern wir übrigens seit Jahren ein gesetzliches Verbot von Strom-, Heizungs- und Gassperren. Deshalb fordern wir die Landesregierung mit unserem Antrag erneut dazu auf, in diesem Sinn im Bund initiativ zu werden. Die Praxis zeigt, dass ein Haushalt ohne Strom nicht nur ein sehr unglücklicher, unangenehmer Zustand ist, sondern auch eine Bedrohung für Leib und Leben sein kann; denn immer wieder kommt es vor, dass Menschen bei Hausbränden sterben, weil sie eben anstelle von Strom, den sie nicht mehr haben, Kerzen nutzen oder vielleicht anderweitig Feuer machen, um nicht im Dunkeln zu sitzen.

Für die Fraktion DIE LINKE ist die Versorgung mit Strom und Wärme eine Grundvoraussetzung für ein menschenwürdiges Leben und die Teilhabe der Bürger*innen am gesellschaftlichen Leben. Wer das nämlich nicht hat, der ist ausgeschlossen. Sie ist aus unserer Sicht daher ein soziales Recht und deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)