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Plenarsitzung

Transkript

Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir alle haben die Bilder vom Anfang der Coronapandemie noch im Gedächtnis. In Gesundheitsnotlagen muss die Politik weitreichende und schnelle Entscheidungen bei einem in der Regel begrenzten und sich ständig änderndem Wissensstand treffen. Sachgerechtes, entschiedenes und schnelles Handeln ist essenziell für eine erfolgreiche Ausbruchskontrolle sowie für die Abmilderung der gesundheitlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen.

Eine Pandemie bedeutet, dass ein unbekanntes Virus auf eine immunologisch unvorbereitete Bevölkerung trifft. So existieren gerade zu Beginn einer Pandemie nur sehr wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zu Ursachen, Verlauf und Auswirkungen der Erkrankung. Es existiert auch kein Drehbuch, nach dem alle Akteure und Akteurinnen handeln können. So war und ist die Bewältigung dieser Pandemie ein wahrlich enormer Kraftakt.

Einerseits hatte die Pandemie besonders zu Beginn gravierende Auswirkungen auf unser soziales, kulturelles und wirtschaftliches Leben, andererseits mussten die Wissenschaft und die Politik in dieser Zeit lernen, mit neuartigen und dynamischen Situationen umzugehen und schwierige Entscheidungen und Abwägungen auf der Basis von Prognosen und Unsicherheiten zu treffen. Dieser Aufgabe hat sich die Landesregierung mit Besonnenheit und Weitblick gestellt.

Weiterhin ist entscheidend, in welcher Phase der Pandemie bestimmte Maßnahmen ergriffen werden. Zu Beginn lag das Hauptaugenmerk darauf, Infizierte zu isolieren, zu behandeln und die Kontaktpersonen engmaschig zu betreuen. Im Verlauf der Pandemie wurden Maßnahmen zur Eindämmung   Fachleute nennen das Containment  , zum Schutz besonderer Risikogruppen - Protection  , zur Folgenminderung - Mitigation  , zur Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe und der Überlastung des Gesundheitswesens teilweise gleichzeitig und angepasst an die jeweilige Lage durchgeführt.

Mit dem Auftreten von Virusmutationen musste auf das veränderte Infektionsverhalten mit einer entsprechenden Neubewertung und Anpassung der Indikatoren zur Beurteilung der Inzidenz und der bis dahin getroffenen Maßnahmen reagiert werden. Dank dieses Vorgehens war es möglich, die Sterblichkeit an SARS-CoV-2 zu begrenzen.

(Ulrich Siegmund, AfD:  Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Im Laufe der Pandemie und mit zunehmendem Erkenntnisgewinn konnten deutliche Erfolge bei der Diagnostik und Therapie der Infektion erzielt werden. Nicht zuletzt durch die zur Verfügung stehenden Impfstoffe wurden weite Teile der Bevölkerung, insbesondere die vulnerablen Personen, vor einer schweren Erkrankung geschützt.

Ein großer Teil der Fragen der AfD bezog sich auf die Grundlagen für die Maßnahmenentscheidungen der Landesregierung. Was geschieht, wenn das Virus ohne Maßnahmen auf die Bevölkerung trifft, konnte man in der letzten Zeit gut in China beobachten. Einen solchen Ausnahmezustand wollten wir in Deutschland und in Sachsen-Anhalt nicht riskieren.

Alle getroffenen Regelungen wurden in Sachsen-Anhalt durch die Landesregierung fortlaufend überprüft und angepasst. Dadurch konnte sichergestellt werden, dass die neuen Entwicklungen der Coronaviruspandemie berücksichtigt und regelmäßig Abwägungen dahin gehend vorgenommen wurden, ob die notwendigen Schutzmaßnahmen angepasst werden müssen oder ob sie noch erforderlich sind. Hierbei wurden einerseits die Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere der vulnerablen Personengruppen, und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sowie andererseits die Betroffenheit der Grundrechtsposition der Bürgerinnen und Bürger abgewogen und miteinander ins Verhältnis gesetzt.

Alle Verordnungen der Landesregierung und Regelungen der Kommunen konnten gerichtlich überprüft werden. Die Entscheidungen in diesen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ist den Verwaltungsgerichten zugewiesen. Bei den Verwaltungsgerichten unseres Landes waren 119 Verfahren und beim Oberverwaltungsgericht 129 Verfahren wegen Einwendungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Unternehmen gegen Coronamaßnahmen anhängig. Das heißt, die gerichtliche Kontrolle war während des gesamten pandemischen Geschehens stets gewährleistet.

Zur Einschätzung der Gefahrenlage wurden im Laufe der Pandemie verschiedene Indikatoren herangezogen. Neben der im Infektionsschutzgesetz bereits ausdrücklich benannten Siebentageinzidenz, dem Abwassermonitoring, den Surveillance-Systemen des Robert-Koch-Institutes für respiratorische Atemwegserkrankungen etc. werden die Anzahl der schweren Krankheitsverläufe, die Bettenbelegung in den Krankenhäusern, die Auslastung der Intensivstationen, die Art und die Verbreitung von neuen Mutationen des Coronavirus herangezogen und in den Lagebericht des Pandemiestabes aufgenommen.

Darüber hinaus fließen auch Meldungen zum altersspezifischen Krankheitsverlauf, zur Anzahl der Verstorbenen, zur Siebentageverstorbeneninzidenz, zur Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln sowie zu besorgniserregenden Virusvarianten und zu Impfquoten in den Lagebericht ein und dienen als Grundlage für die Lageeinschätzung in unserem Land.

Zum Thema der Impfung kann festgestellt werden, dass die Impfkampagne ein Erfolg war.

(Lachen bei der AfD)

In einer sehr schwierigen Situation, für die es vorher kein Muster gab, haben wir uns souverän behauptet und konnten gut Dreiviertel der zu impfenden Bevölkerung erreichen. Mehr als 4,6 Millionen Impfdosen haben so ihren Weg in die zu schützende Bevölkerung gefunden. Der Erfolg zeigt sich auch in den erreichten Impfquoten bei Schließung der öffentlichen Impfstellen. Zum Ende des Jahres 2022 wurden in Sachsen-Anhalt etwa 2,1 Millionen Impfungen in Impfzentren oder durch mobile Teams durchgeführt. Ein besonderes Augenmerk liegt immer auf der als besonders vulnerabel geltenden Gruppe der über 60 Jährigen. Dort haben aktuell 90,8 % eine Grundimmunisierung erhalten, 83,3 % eine erste Auffrischungsimpfung und 26,8 % die zweite Auffrischung.

Mit Blick auf die zuletzt deutlich gesunkene Impfnachfrage und die stagnierenden Quoten sowohl landes  als auch bundesweit kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass jede Interessentin und jeder Interessent ihre bzw. seine Impfung erhalten hat.

(Oliver Kirchner, AfD: Nein, die haben die Schnauze voll!)

Ein Teil der Fragen der AfD zielte auch auf die öffentlichen Impfempfehlungen. An dieser Stelle halte ich es für geboten, darauf hinzuweisen, dass eine Infektionswelle oder eine Pandemie nicht an Landesgrenzen haltmacht. Aus diesem Grund bestehen im Infektionsschutzgesetz bundeseinheitliche Regelungen zu den zentralen Fragestellungen der öffentlichen Gesundheitspflege, des Infektionsschutzes oder der Pandemiebekämpfung. Diese sind durch die Länder auszulegen und schließlich umzusetzen.

Bei den öffentlichen Impfempfehlungen haben sich die Länder entsprechend dem Infektionsschutzgesetz auf die fachliche Expertise der zuständigen Bundesbehörde bezogen. Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut, die sogenannte Stiko, gibt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen ab. Die Länder, so auch Sachsen-Anhalt, setzen diese entsprechend um.

In einem europäischen Zulassungsverfahren wurden die verwendeten Impfstoffe geprüft und zertifiziert. Das in Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut ist hierbei in das Verfahren integriert und hat die in Deutschland gelieferten Chargen freigegeben.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Diese und viele anderen Fragen habe ich gern beantwortet, weil es im Sinne einer Evaluation ein effizientes und abgestimmtes Regierungshandeln in unserem Land aufzeigt. Aber es gab eben auch die Fragen der AfD, die immer wieder darauf abstellen, ob z. B. die Menschen im Krankenhaus nun wirklich an oder mit dem Virus verstorben sind. Inzwischen haben wir wohl alle bereits einmal oder sogar mehrfach eine Coronainfektion durchgemacht und dabei erlebt, wie stark einen dieses Virus beeinträchtigen kann. Und so spielt es meines Erachtens doch eine Rolle, ob ein ohnehin geschwächter, kranker Mensch am Ende seiner Lebenszeit auch noch unter Coronasymptomen leiden musste.

(Christian Hecht, AfD: Hä?)

Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass eine Evaluierung von Regierungs  und Behördenentscheidungen während der Coronapandemie nur retrospektiv und nur im engen zeitlichen Kontext möglich ist, da es sich um ein dynamisches Geschehen handelt. Wirkungen und Nebenwirkungen einzelner Schutzmaßnahmen für sich genommen sind nicht beurteilbar, da es notwendig war, Maßnahmenbündel zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus zu ergreifen. Zu diesem Schluss kam auch der Sachverständigenausschuss nach § 5 Abs. 9 des Bundesinfektionsschutzgesetzes in seinem Bericht am 30. Juni 2022.

Wir alle haben in den vergangenen drei Jahren viel gelernt.

(Zuruf von der AfD: Wir nicht!)

Der Maßstab war, schnell zu handeln und Menschenleben zu schützen. Ich meine, im Großen und Ganzen ist uns das auch gut gelungen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Im Nachhinein kann man Entscheidungen immer infrage stellen. Aber wir mussten Entscheidungen treffen und handeln.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist klar, dass uns das Coronavirus auch im Jahr 2023 erhalten bleiben wird, so ganz verschwinden wird es wohl nie wieder. Dennoch bin ich optimistisch, dass dieses vierte Jahr mit dem Virus besser werden könnte als die Jahre zuvor.

Die gefürchtete Winterwelle ist bisher ausgeblieben. Auch wenn der Erreger noch zu weiteren Infektionen führt, sorgt er in den meisten Fällen nicht mehr für schwere Krankheitsverläufe, wenngleich es noch zu Todesfällen aufgrund von Infektionen kommt und Menschen lange mit den Folgen einer Covid-Infektion zu kämpfen haben.

(Oliver Kirchner, AfD: Oder einer Impfung!)

Viele Menschen haben eine robuste Immunität gegen das Virus aufgebaut, was nicht bedeutet, dass es keine Infektionen mehr geben wird. Der Erreger wird uns als endemischer Erreger regelmäßig, vor allem im Winterhalbjahr, aufsuchen und weiterhin insbesondere für ältere Menschen gefährlich sein können. Für sie könnten weitere Auffrischungsimpfungen infrage kommen; idealerweise mit aktualisierten Impfstoffen. Es wäre das gleiche Impfprinzip wie bei der Grippe, bei der es jährliche Auffrischungsimpfungen für Risikogruppen gibt.

Die Weltgesundheitsorganisation hat die Hoffnung, die Pandemie in diesem Jahr für beendet erklären zu können. Ob das so kommt, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, insbesondere davon, ob es aufgrund sehr vieler Infektionen zu Mutationen am Virus kommt, die es wieder gefährlicher für die Menschheit machen könnten. In der Wissenschaft wird diese Gefahr aktuell als gering eingestuft, was uns dazu bringt, zur Normalität zurückzufinden und in der Konsequenz alle restlichen Coronamaßnahmen zu beenden. Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, die Entwicklung des Virus mithilfe von Probensequenzierungen genau zu verfolgen und so potenziell gefährliche Varianten bestenfalls frühzeitig zu erkennen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Seit Beginn der Pandemie gab es keinen Jahreswechsel, der mit Blick auf die Coronalage mit so viel Optimismus verbunden war. Darüber bin ich froh und dafür bin ich dankbar. Insbesondere bin ich all denen dankbar, auch Ihnen hier im Parlament, die in dieser langen Zeit unermüdlich gekämpft haben, gearbeitet haben und sich auch für andere aufgeopfert haben. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. Der Abg. Herr Scharfenort möchte eine Intervention vorbringen.


Jan Scharfenort (AfD):

Frau Grimm-Benne, wir haben durch die Große Anfrage erfahren, dass die Regierung keine Anstrengungen unternommen hat, um sich valide Daten zu besorgen. Wir hätten erwartet, dass Sie sich dafür starkmachen. Die Koalitionsfraktionen im Bund haben damals aus guten Gründen im Gesetz extra verankert, dass man dann, wenn man mit solchen experimentellen Impfstoffen an die Menschen geht, sehr schnell und sehr zeitnah evaluieren muss. Bisher hat man die Daten des Statistischen Bundesamtes verwendet, die aber immer sehr spät nachlaufen, weshalb man extra verpflichtend vorgegeben hat, sich die Daten von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu besorgen, die dann verpflichtend an das RKI und an das PEI weitergeleitet werden müssen. Das ist bis heute nicht erfolgt. Das muss man sich einmal überlegen.

Auch Sie haben nichts unternommen, um sich Daten zu besorgen. Ich habe Sie in Interventionen mehrmals   das ist in den Protokollen vermerkt   dazu befragt, warum Sie das nicht berücksichtigen. Die Stadt Magdeburg ist eine recht große Stadt; das heißt, für statistische Erhebungen haben wir hier eine große Grundgesamtheit. An dieser Stelle muss ich auf den Oberbürgermeister und seinen Gesundheitsamtschef verweisen, die einen sehr, sehr guten Job gemacht haben. Aber auch auf diese haben Sie nie gehört. Es war alles bekannt. In meinen Augen haben Sie diesbezüglich absolut versagt. Ihre Rede ist nur ein Ausweichen und ein Beschönigen Ihres Versagens.

(Beifall bei der AfD - Zuruf)