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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Katja Pähle (SPD): 

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind von heute an keine neun Jahre mehr bis zum 29. Dezember 2031. An diesem Tag wird Deutschland ebenso lange wiedervereinigt sein, wie es vorher getrennt war. Dieses Datum symbolisiert, dass wir gemeinsam, die Deutschen in Ost und West, in eine Zeit hineinwachsen, in der die unterschiedlichen Erinnerungen, Erfahrungen und Kenntnisse sich immer stärker vermischen und zum Teil durch die Erfahrungen des Zusammenlebens in einer offenen Gesellschaft mit offenen Grenzen überschrieben werden. Irgendwann - darin bin ich mir sicher - wird die Generation meiner Töchter nur noch mit den Achseln zucken, wenn jemand „Ost , Ost , Ostdeutschland“ skandiert oder es auf Wahlplakate schreibt. 

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Noch ist es für ein gelingendes Zusammenwachsen und Zusammenleben wichtig, dass Ungerechtigkeiten aus dem Vereinigungsprozess aufgearbeitet und korrigiert werden, soweit dies noch möglich ist. Zu diesen Ungerechtigkeiten gehören die erheblichen Mängel im Rentenüberleitungsrecht, gegen die sich eine hartnäckige Gruppe von Betroffenen gerade auch bei uns in Sachsen-Anhalt seit Jahrzehnten wehrt - ein Engagement übrigens, für das ich den Beteiligten nur meine ausdrückliche Anerkennung aussprechen kann. 

(Beifall bei der SPD   Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das Rentenüberleitungsrecht missachtet schlicht einen Teil der Arbeits- und Lebensleistung von Beschäftigten vor allem bei der Bahn, bei der Post, im Gesundheits- und Sozialwesen, in Naturwissenschaften und im Bergbau der DDR. Diese Nichtberücksichtigung ist nicht gerechtfertigt, aber sie ist durch die Betroffenen leider nicht mehr rechtlich anzufechten. Deshalb war und ist es richtig, diese Frage politisch anzugehen. 

Es ist anzuerkennen, dass die Bundesregierung jetzt einen Härtefallfonds auf den Weg bringt, aber eine echte Lösung für die Betroffenen ist das noch nicht. 

Erstens geht der Ansatz, nur Härtefälle zu bedenken, grundsätzlich am Problem der ungerechten Behandlung vorbei. Es sind ja nicht nur Menschen in der Nähe der Grundsicherung bei der Rentenüberleitung übervorteilt worden. 

Zweitens ist die Vermischung der Schicksale von DDR-Rentnerinnen und  Rentnern, jüdischen Kontingentflüchtlingen und Spätaussiedlerrinnen und Spätaussiedlern in keiner Weise sachgerecht. Jeder dieser Gruppe hat berechtigte Anliegen, aber ganz unterschiedliche Anspruchsgrundlagen. Es ist nicht gerechtfertigt, dass sie im Härtefallfonds um das zur Verfügung stehende Geld miteinander konkurrieren müssen. 

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN) 

Drittens ist diese Vermischung umso problematischer, als die Bundesregierung den Fonds in langen Gesprächen nur mit den ostdeutschen Bundesländern vorbereitet hat. Wenn sich jetzt nur ostdeutsche Länder an einer Stiftung beteiligen, die Zahlungen aber an Bürgerinnen und Bürger in ganz Deutschland gehen, ergibt sich eine deutliche Schieflage. Deshalb ist unsere Antwort auf diesen seltsam konstruierten Härtefallfonds, dass wir die Betroffenen in ihrer Forderung nach einem ergänzenden Gerechtigkeitsfonds unterstützen, um die Verzerrungen im Rentensystem zwischen Ost und West auszugleichen. 

Ich meine allerdings auch, wir sollten uns weiterhin um die Taube auf dem Dach bemühen, ohne den Spatz in der Hand zu verschmähen. Deshalb enthält unser Alternativantrag den Vorschlag, einen Beitritt des Landes zu der geplanten Stiftung zu prüfen, damit sich die Leistungen für die Anspruchsberechtigten entsprechend erhöhen. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Schluss eine grundsätzliche Bemerkung, und zwar zu dem, was Herr Pott gesagt hat. Trotz der beschriebenen Gerechtigkeitslücken war es eine wichtige Leistung, die in der DDR erworbenen Rentenansprüche in bundesdeutsches Recht zu überführen, ohne das System der beitragsfinanzierten Renten zu sprengen. Dieses System wäre jedoch wesentlich robuster, leistungsfähiger und gerechter, wenn alle in die Rentenversicherung einzahlen würden, also auch Beamtinnen und Beamte, Selbstständige, Unternehmerinnen, Unternehmer, Ministerinnen und Minister und natürlich auch wir Abgeordnete. 

(Beifall bei der SPD, bei der AfD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN   Zuruf von Daniel Roi, AfD) 

Mit einer umfassenden solidarisch finanzierten Rente müssten wir uns um das Rentenniveau von morgen weniger Gedanken machen. Das gehört zum Konzept einer Bürgerversicherung, die wir mittelfristig anpacken müssen.   Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)