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Plenarsitzung

Transkript

Jörg Bernstein (FDP):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir meine Rede so aufgebaut, dass ich zunächst einmal mit dem Thema des Punktes 13 b) beginnen wollte, also dem Vorschlag zur Änderung des Landesbesoldungsgesetzes. Ich werde auch dabei bleiben. Das soll keine Wertigkeit ausdrücken.

Ich möchte einfach nur mitteilen, dass wir uns als FDP-Fraktion der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses anschließen werden. Ich möchte aber gleichzeitig bekräftigen    

(Eva von Angern, DIE LINKE: Aber schweren Herzens!)

- Anschließen werden. Darüber können wir gern noch im Anschluss reden.

(Marco Tullner, CDU: Klingt aber nicht sehr euphorisch!)

Ich wollte gerade etwas zum Ausdruck bringen, lieber Kollege Tullner, und zwar dass wir das nicht als Zeichen gegen unsere Grundschullehrkräfte betrachten werden. Ich habe in der Einbringung des Gesetzentwurfes auch meine ganz persönliche Meinung zum Ausdruck gebracht. Auch als Regierungskoalition, denke ich, sind wir uns der besonderen Brisanz dieser Thematik der Besoldung unserer Grundschullehrkräfte, die eine sehr wichtige Arbeit leisten, absolut bewusst. Ich möchte auch der Überzeugung Ausdruck verleihen, dass wir uns in den anstehenden Haushaltsberatungen zu diesem Thema gewiss noch ausdrücklich verständigen werden und sicherlich auch eine Lösung finden werden.

Es ist auf der einen Seite immer einfach, eine Forderung aufzumachen. Das ist für die Opposition durchaus gerechtfertigt. Auf der anderen Seite ist auch immer ein Punkt, diese Forderung entsprechend finanztechnisch und haushaltsrechtlich sauber zu untersetzen. Mit Problemen der verfassungskonformen Haushaltsgestaltung sollten sich Ihre Parteifreunde in Thüringen auch auskennen. Ich habe gerade einmal nachgeschaut. Auch in Thüringen werden 800 Lehrer gesucht. Dort hat man meines Wissens auch die interessante Idee, 120 Lehrkräfte, die in den verschiedensten Schulverwaltungen des Landes festhängen, wieder vor die Klassen zu bringen. Das wäre auch einmal eine sehr interessante Variante. Müssten wir einmal beobachten, wie sich das umsetzt. Wie gesagt, dem Thema der A-13-Besoldung und der E-13-Einstufung der Grundschullehrer werden wir uns auch weiter widmen.

Nun komme ich zu dem Thema der Aktuellen Debatte. In der Gesamtbetrachtung werden wir sicherlich in vielen Punkten Einigkeit finden, weil es ein Leugnen der Fakten wäre, zu sagen, es gäbe diese Probleme nicht. Ja, wir haben einen Lehrkräftemangel, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Schulformen. Es gibt massive Unterrichtsausfälle und die bereiten berechtigterweise Anlass zur Sorge. Das ist völlig unstrittig. Wir haben auch in Grundschulen große Probleme, was gerade in der letzten Woche für die Mathematik- und Lesekompetenzen festgestellt wurde.

Ich muss an der Stelle auch einmal zum Ausdruck bringen, dass man sicherlich nicht alles den Schulen anlasten darf. Was heißt denn Lesekompetenz? Dazu muss man sich bloß einmal kritisch in den eigenen Familien und in der Bekanntschaft umschauen,

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

sich das ansehen und sich fragen, ob die klassischen Varianten wie das Vorlesen einer Gute-Nacht-Geschichte und ähnliches heutzutage noch in allen Haushalten und allen Familien vorkommt. Dazu müsste sich jeder, der hier Kritik übt, auch einmal ein bisschen an die eigene Nase fassen.

Als besondere Bekräftigung des Problembewusstseins der Landesregierung sehe ich auch den vom Ministerpräsidenten angekündigten Bildungsgipfel. So weit erst einmal zu den Punkten, zu denen man sicherlich Einigkeit feststellen kann.

Ich kann allerdings ganz bestimmt nicht mitgehen bei den Aussagen zur Wirksamkeit der von uns bereits ergriffenen Maßnahmen. Ich frage mich vielmehr, was es zur Problemlösung beiträgt, wenn man regelmäßig gebannt auf vorhandene Probleme blickt, aber gleichzeitig und kontinuierlich die ergriffenen Maßnahmen diskreditiert und dann wiederum seinen eigenen Masterplan wie eine Monstranz vor sich herträgt.

Die Frage der Lehramtsstudienplätze haben wir schon ausführlich diskutiert. Vorhin gab es die Diskussion, wie man Studierende dazu bringt. Ja, zu DDR- Zeiten gab es eine Absolventenvermittlung. Ich glaube aber, wir sind uns hier weitestgehend einig, dass man solche Zeiten nicht unbedingt zurückhaben will.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Als ich mir die aus meiner Sicht kurzfristig wirkenden Maßnahmen angesehen habe, die wir bereits ergriffen haben, habe ich erstaunt festgestellt, dass ich zu den bisher schon beigetragenen Beispielen doch noch ein paar Sachen ergänzend beitragen kann, ohne etwas zu wiederholen. Es wurde heute die Frage der Modellversuche in den Schulen zu Fragen der Unterrichtsorganisation angesprochen. Die Punkte wurden genannt: Vier-plus-eins-Modell und 80-10-Modell. Es sind alles Dinge, die aus meiner Sicht - davon bin ich fest überzeugt - zu einer Entlastung der Unterrichtssituation beitragen können.

Man kann sich bloß einmal das Vier-plus-eins-Modell hernehmen, das schon bei der ersten Erwähnung in der Presse komplett zerrissen wurde, sich aber durchaus mit Plänen aus der Linksfraktion decken könnte. Warum will man nicht an einem solchen Unterrichtstag berufspraktischen Unterricht anbieten? Oder warum möchte man nicht z. B. Formen des Selbstlernens in digitaler Form als Vorbereitung auf den eigenen Lebensweg anbieten? Ich kann nur immer wieder sagen, dass man natürlich Maßnahmen kritisieren kann und sagen kann, dass das nicht geht, aber das führt uns an der Stelle auch nicht weiter.

Ich gebe gern zu, dass bei diesen Modellen unter Umständen auch eine bessere Kommunikation angezeigt wäre. Viele Schulleitungen haben mir berichtet, sie würden sich dazu eine gewisse Handreichung seitens des Ministeriums wünschen. Das kann man sicherlich alles diskutieren. Es gibt aber gerade auch die Schulen - auch öffentliche Schulen  , die beispielhaft vorangehen, von denen man lernen könnten und mit denen man kooperieren könnte.

Bei dem Gedanken Kooperation beziehe ich ausdrücklich die Frage der Erstellung digitaler Unterrichtsmittel ein. Warum muss denn unbedingt jeder das Rad neu erfinden? Die Möglichkeiten sind seit Jahren mit unseren verschiedensten Projekten in Richtung einer Lernplattform vorhanden. Dort wurden Lehrer regelmäßig dazu aufgefordert, ihre eigenen Lösungen einzustellen und die auch für andere nutzbar zu machen.

Beim Blick auf die gesteigerte Eigenverantwortung für unsere Schulleitungen wäre vielleicht auch die Frage interessant, inwieweit sich die vielfältigen Projekte und Maßnahmen zur Führungskräfteentwicklung in unserem Land letztlich positiv auf diese Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Leitung einer Schule auswirken.

Als ich eingangs vom Zerreden von Maßnahmen sprach, dachte ich z. B. an die Frage des Onlineunterrichts, also den Vertretungsunterricht per Livestream. Der wurde, glaube ich, vom Kollegen Lippmann sogleich als Bankrotterklärung unseres Bildungssystems deklassiert. Ich muss das einmal heraussuchen. Das finden wir sicherlich noch. Letztens habe ich im MDR einen Beitrag gesehen, wie man bspw. Kursunterricht am Gymnasium auf diese Weise durchführt. Es geht also, wenn man nur will. Man kann natürlich immer sagen: Das geht nicht, da fehlen die technischen Voraussetzungen. - Herrgott noch mal, dann muss man diese technischen Voraussetzungen schaffen. Dann klappt es auch.

Das kann ich auch aus eigener praktischer Erfahrung feststellen, da ich gerade z. B. beim Unterricht in der Coronazeit diese Problematik hatte. Eine Schülerin mit einem Kind, das in der häuslichen Isolation war, statt in der Kita, musste auch zu Hause bleiben. Dann haben wir sie über den Livestream in den Unterricht eingebunden. Die hat dadurch sicherlich keine größeren Nachteile erlitten.

(Zuruf: Machen viele Schulen so!)

Die Frage der Aufsicht muss man in dem Fall natürlich wieder einbeziehen. Ja, es darf sicherlich nicht so sein, dass die Schüler vor dem Monitor geparkt werden und einfach nur den Stream anschauen. Damit sind wir bei dem Punkt der pädagogischen Mitarbeiter. Hierbei - es wurde schon angesprochen - wäre sicherlich auch mit Blick auf das Finanzministerium eine etwas höhere Flexibilität bei den Personalbudgets für diese beiden Beschäftigtengruppen in den Schulen angezeigt.

Das Thema Arbeitszeitkonten wurde angesprochen. Damit gibt es die Möglichkeit, entsprechende Mehrarbeit zu leisten. Ich denke, auch hierzu gibt es Lösungsansätze für eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung.

Ein Thema gibt es noch. Über die Seiteneinsteiger möchte ich jetzt nicht weiter diskutieren, weil wir uns morgen noch dazu äußern werden.

Rückblickend kann man also sagen, dass es eine Vielzahl von Maßnahmen gibt, die aus unserer Sicht durchaus kurzfristig zu einer Entspannung der Unterrichtssituation beitragen können. Aus meiner eigenen Sicht halte die Tatsache nicht für förderlich, dass die Welt des Lehrers und unserer Schulen regelmäßig in einem absolut düsteren Licht gezeichnet wird. Welcher Abiturient soll sich denn angesichts dieser Zukunftsaussichtenden berufen fühlen, den nicht unbedingt leichten Weg eines Lehramtsstudiums einzuschlagen? Aber gerade für diesen verantwortungsvollen Beruf des Lehrers braucht man begeisterte Bewerber,

(Zustimmung bei der FDP und von Dr. Katja Pähle, SPD)

die ihrerseits ihre Schüler begeistern können. Damit möchte ich meinen Beitrag zu diesem Thema beenden. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Bernstein. - Frau Hohmann, Sie haben sich gemeldet. Ist das eine Frage? - Herr Bernstein, Frau Hohmann hat eine Frage. Lassen Sie sie zu?


Jörg Bernstein (FDP):

Sehr gern.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Hohmann, bitte.


Monika Hohmann (DIE LINKE):

Das ist prima. Herr Bernstein, ich habe eine Anmerkung und eine Frage. Die Anmerkung bezieht sich darauf, dass Sie gemeint haben, dass Herr Lippmann sich gegen diesen Onlineunterricht verwehrt hätte. Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert, dass, wenn man so etwas anbietet, natürlich auch die Möglichkeit für alle bestehen muss, also die Schülerinnen und Schüler auch die nötigen Voraussetzungen mit einem Endgerät haben müssen. Das war eigentlich nicht gegeben. Am Gymnasium ist das vielleicht ein bisschen anders. Das war als Ergänzung meine Anmerkung.

Ich bin hellhörig geworden, als Sie sagten, dass Sie Modelle wie berufspraktischen Unterricht anbieten wollen. Sie erinnern sich vielleicht noch, dass vor einigen Monaten Herr Lippmann genau dieses Projekt hier im Landtag beantragt hatte. Es wurde abgelehnt, und zwar auch mit Ihren Stimmen. Er hat das dann in den Bildungsausschuss noch einmal als Selbstbefassungsantrag eingebracht. Dort liegt es. Das heißt also, wir haben schon Angebote gemacht, die aber vonseiten der Koalition nicht begrüßt worden sind.


Jörg Bernstein (FDP):

Liebe Kollegin Hohmann, das möchte ich jetzt erst einmal richtigstellen. Der Punkt, der damals bei diesem Thema des berufspraktischen Unterrichts, sage ich jetzt einfach einmal, angeführt wurde, war so weit von dem eigentlichen Antrag entfernt, dass wir alle, denke ich einmal, ein großes Problem damit hatten, den eigentlichen Sinn dieses Antrags zu erkennen.

Über die Sinnhaftigkeit z. B. der Nutzung des Tages für berufspraktischen Unterricht herrscht, denke ich einmal, durchaus Einigkeit. Die Frage ist nur - darüber haben wir auch im Bildungsausschuss gesprochen  : Wie kann man es finanzieren und wie kann man es auch personell untersetzen? Es bringt ja nichts, wenn ich die Schüler einen Tag lang in die Praxis schicke, und dann sagt meinetwegen ein großer Betrieb, der noch eine eigene Lehrwerkstatt hat, wir brauchten noch jemanden, der die Schüler an diesem Tag betreut.

Das war - Sie erinnern sich vielleicht an meine Frage - auch die Frage an die Handwerkskammer und an die Industrie- und Handelskammer: Ist es denn nicht aus eurer Sicht möglich, z. B. pensionierte Meister mit Ausbildereignungsprüfung für solche Sachen entsprechend abzustellen, um zu sagen, okay, das können wir personell untersetzen? Also, ich denke, es gibt durchaus Möglichkeiten zu handeln.

Die Geschichte mit dieser Bankrotterklärung. Ich habe es extra gesagt: aus meiner Erinnerung. Ich denke, dieses Wort ist gefallen, aber darauf wollen wir nicht unbedingt herumreiten. Das hat mich damals gestört.