Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob in unseren Schulen, im Handwerk, in der Pflege, in der Medizinbranche, im ÖPNV, in der IT-Branche - in allen Bereichen unserer Arbeitswelt knirscht es gewaltig.

(Zuruf: Ja!)

Komischerweise, Herr Lippmann, scheinen alle Fehlprognosen gemacht zu haben. Man muss mit Blick auf den Fachkräftemangel doch einmal wahrnehmen, dass wir in Deutschland und in Europa ein demografisches Problem haben. Das betrifft insbesondere die Schulen.

(Frank Bommersbach, CDU: Richtig, Frau Feußner!)

Von diesem Fachkräftemangel werden die Schulen nicht außen vor gelassen. Hierbei geht es nicht um die falschen Prognosen,

(Zustimmung bei der CDU)

die Sie besser oder anders gemacht hätten, sondern es geht darum, dass wir ein generelles Problem haben. Da an allen Ecken und Enden von einem Mangel gesprochen wird, scheint es nicht nur für mich so zu sein, dass grundsätzlich etwas im Argen liegt. Insbesondere betrifft das uns, die Schulen, und es betrifft den Lehrerberuf.

Wie angespannt der Lehrerarbeitsmarkt inzwischen ist, zeigt sich daran, dass selbst auch der stolze Staat Bayern, der bisher immer aus den Vollen schöpfen konnte, mittlerweile auch freie Lehrerstellen hat, die nicht mehr besetzt werden können.

Und ich muss Ihnen sagen, auch in Thüringen regiert mittlerweile sieben Jahre lang ein linker Ministerpräsident. Der hat das Lehrerproblem auch nicht gelöst. Der hat noch größere Probleme als das Land Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der CDU - Frank Bommersbach, CDU: Jawohl! - Zurufe von der AfD: Jawohl!)

Der hätte das in sieben Jahren auch schon lösen können. Und daran sieht man doch, dass alle Bundesländer gleichermaßen, der eine ein bisschen mehr und der andere ein bisschen weniger, betroffen sind.

Letztmalig und sehr intensiv haben wir uns hier am 13. Oktober mit dem Lehrkräftemangel und der Attraktivität des Lehrerberufs auseinandersetzt. Schon im Oktober hatte ich Ihnen hier eine nüchterne Analyse der Unterrichtsversorgung im laufenden Schuljahr präsentiert, die wir nun Anfang Dezember auch im Bildungsausschuss mit konkreten Zahlen untermauern konnten.

Die durchschnittliche Unterrichtsversorgung liegt leider nur bei 93,5 % und damit einen halben Prozentpunkt unter dem Vorjahreswert. Aber - und ich sage bewusst: aber - wir haben knapp 7 000 Schülerinnen und Schüler mehr im System als im letzten Schuljahr, insbesondere allein 6 000 ukrainische Schülerinnen und Schüler.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Dieses stabile Level konnten wir nur halten, weil wir über Einstellungen ungefähr 230 Lehrer-VZÄ mehr besetzt haben als im letzten Schuljahr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt kein Patentrezept gegen den derzeitigen Unterrichtsausfall. Es gibt nicht die eine Lösung am Horizont, die spontane Heilung verspricht. Im Gegenteil: Wir müssen jeden Stein umdrehen, jede Regelung aus der Vergangenheit auf Sinnhaftigkeit und auf Effizienz überprüfen.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Und manchmal müssen wir vielleicht auch Schule neu denken.

(Zustimmung bei der CDU)

Jedoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, anders als in der Antragsbegründung kolportiert, greifen viele Entscheidungen nicht sofort. Es folgen einige kleine Beispiele für das, was wir bisher sofort gemacht haben. Unsere Vereinfachung der Regelungen für Vertretungslehrkräfte, finanziert aus dem Personalbudget, bedeutet umgerechnet - das leisten unsere Lehrkräfte und an der Stelle noch mal einen ganz großen Dank  

(Zustimmung bei der CDU)

noch einmal 280 VZÄ. Es wurden so viele Überstunden geleistet, dass das 280 VZÄ ausmacht. Das sind Lehrkräfte, die vor der Klasse stehen.

Die Erhöhung der Mehrarbeitszeitvergütung haben wir auch geregelt. Das entspricht umgerechnet 100 VZÄ.

Und mit dem nun zum Schulhalbjahr startenden Arbeitszeitkonto, also der Möglichkeit für Lehrkräfte, langfristig Überstunden anzusparen, tritt ein weiteres sinnvolles Instrument in Kraft. Schulen und Schulleitungen, natürlich in Abstimmung mit unseren Lehrkräften, wird somit also mehr Flexibilität zur Kompensation fehlender Kollegen und kurzfristiger Ausfälle gegeben.

Allen Lehrkräften, die sich zu zusätzlichen Stunden vor der Klasse verpflichten, nochmals mein ausdrücklicher Dank, insbesondere in der jetzigen Situation, in der wir einen so hohen Krankenstand bei den Schülerinnen und Schülern, aber auch bei den Lehrkräften haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Zudem, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir die Ansprüche von Ruheständlern und Studierenden intensiviert. Wir zahlen Zulagen für schwer besetzbare Stellen und auch als Anreiz bei Abordnungen an unterversorgte Schulen. Wir erhöhen die Budgets der Schulen für zusätzliche Förderangebote. Wir ermöglichen es Hilfskräften bzw. Referendaren, freiwillig nach den Prüfungen mehr zu unterrichten. Und auch dies wird angemessen vergütet.

Wir suchen erfolgreich im Ausland Lehrkräfte für Mangelfächer. Allein das Modellprojekt mit unseren Personalrekrutierern hat uns 80 motivierte neue Kolleginnen und Kollegen ins Land geholt. Unsere Weltenretter-Kampagne wird angepasst und wird noch dezidierter um bestimmte Zielgruppen werben.

Und abschließend: Wir schreiben im Januar des nächsten Jahres 25 Stipendien in Höhe von 600 € im Monat für Lehramtsstudierende zum Sommersemester aus, um auch die Attraktivität dieses Berufes entsprechend zu erhöhen. Vor allen Dingen sind das Stellen für die Sekundarschule und für den ländlichen Raum. Dies ist nur ein kleiner Abriss der langen Liste an Maßnahmen, die wir bereits umgesetzt haben.

Aber - ich sage bewusst: aber - die Zahlen geben uns einen Auftrag. Wir dürfen an keiner Stelle nachlassen. Im Gegenteil: Die aktuelle Situation macht deutlich, dass wir weitere Maßnahmen ergreifen müssen; denn Stellen bleiben landesweit unbesetzt - das wissen wir alle  , insbesondere in den Schulformen Sekundar- und Gemeinschaftsschule.

Und es sei mir noch eine kleine Bemerkung an der Stelle gewährt, weil Sie sagten, wir müssen alles in Gemeinschaftsschulen umwandeln. Wir haben jetzt eine Studie zu Schulabbrecherquoten in den einzelnen Schulformen durchgeführt. Die Gemeinschaftsschule hat die höchste Anzahl an Schulabbrechern und damit an Abgängern ohne Schulabschluss. Wir können uns gern mal drüber unterhalten, woran das bei dieser Schulform liegt. Also, das macht mir auch große Sorgen.

Und auch in einigen ländlichen Regionen kommt das Landesschulamt an seine Grenzen, was kurzfristige Maßnahmen anbelangt, z. B. bei Abordnungen. Es macht deutlich, es fehlt nicht zwingend nur an Geld. Es fehlt uns an Bewerbern.

Folglich heißt das: Wir müssen im Schulsystem und an den Schulen flexible Lösungen finden. Wir müssen weiteres Lehrerarbeitsvermögen heben und für den Unterricht optimal einsetzten. Wir müssen die Lehrer besser unterstützt, damit diese ihren Fokus auf guten Unterricht lenken können. Damit meine ich besonders das Unterstützungspersonal in Form von pädagogischen Mitarbeitern und Schulverwaltungsassistenten.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen Schulen zum Ausprobieren und Experimentieren anregen. Da denke ich an die schiefe Diskussion über die 4-plus-1-Regelung. Seien es digitale Lösungen oder auch Kooperationen mit der Wirtschaft, alles soll möglich sein.

Was können wir nun konkret in einem kurz- und mittelfristigen Zeithorizont tun? Über eine Maßnahme habe ich auch schon mit meiner Kollegin gesprochen. Derzeit können z. B. 160 Schwangere nicht in der Schule vor der Klasse unterrichten; denn die geltenden Corona- und Arbeitsschutzregelungen lassen dies nicht zu. Aber wir sind da intensiv im Gespräch. Also diese Kräfte fehlen uns zusätzlich auch noch.

Aber liebe Kolleginnen und Kollegen! Um zusätzliche Lehrkräfte zu gewinnen, haben wir für Seiteneinsteiger den Weg in die Lehrerzimmer geöffnet und das Verfahren massiv vereinfacht. Sie Leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Unterrichtsversorgung, und das ist nicht immer einfach. Aber das möchte ich auch einmal in den Fokus rücken: Mit ihrem Fachwissen, ihren Erfahrungen und ihren Impulsen sind sie für die Schule eine Bereicherung.

Wir wollen die Einstellungsvoraussetzungen für Seiteneinsteiger weiter überarbeiten. Ich kann mir z. B. vorstellen, dass wir ähnlich wie in Bayern Fachpraxislehrkräfte einstellen. Wir kennen diese Personalkategorie. Sie haben keinen Hochschulabschluss, aber sie haben einen Meisterbrief oder einen Technikerabschluss an berufsbildenden Schulen erworben. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir sie im Sekundarbereich einstellen können.

Zudem möchte ich mich an ein brisantes Thema heranwagen. Es geht um die Bewährungsfeststellungen für Seiteneinsteiger. Warum sollte ein Kollege, der sich mehrere Jahre lang vor der Klasse bewährt hat und nebenbei auch noch Fortbildungen absolviert oder bei Unterrichtsproben seine Fähigkeit erfolgreich präsentiert hat, denn nicht in seiner Entgeltgruppe einem Angestellten gleichgestellt werden?

(Zustimmung bei der SPD)

Also das sind einige Dinge, bei denen auch rechtliche Änderungen nötig sind. Aber über diese Änderungen können wir gern diskutieren.

Ein weiterer Wunsch meinerseits ist die Budgetierung des Personalbudgets. Das ist natürlich eine Maßnahme mit Chancen, aber auch immer mit Risiken. Über Budgets für den Ganztag oder das Corona-Aufholprogramm lernen Schulen geraden den Umgang mit größerer Eigenverantwortung bei der Bewirtschaftung von finanziellen Mitteln. An diese Erfahrungen möchte ich gern mit einem Modellprojekt für eine kleine Anzahl von Sekundar- und Gemeinschaftsschulen anknüpfen, die dann selbst mit dem Geld nicht besetzter Lehrerstellen arbeiten können.

Dies ist für Schulen und für deren Leitungen aber sehr aufwendig. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen. Dennoch würde ich gern Schulen unterstützen, die diesen Weg zu mehr Autonomie geben wollen.

Außerdem haben wir die Effizienzvorteile der Digitalisierung noch nicht ansatzweise ausgereizt. Seit Längerem experimentieren wir mit hybriden Unterrichtsmodellen, z. B. an der Schule des zweiten Bildungsweges. Wir starten darüber hinaus im zweiten Schulhalbjahr mit einem recht großen Modellprojekt zum hybriden Unterricht an berufsbildenden Schulen. Ich erinnere noch einmal auch an die zwölf 4-plus-1-Schulen. Wir müssen dennoch hier noch mutiger vorangehen und guten Beispielen vielleicht auch aus Nachbarländern folgen.

Ich möchte z. B. eine digitale Schule gründen, die Unterrichtsvorbereitungen komplett digital erstellt und als Ergänzungsangebot von unseren Schulen abgerufen werden kann. Letztlich soll hier der gesamte Instrumentenkoffer der digitalen Bildung, mit der wir in der Pandemie Erfahrungen sammeln konnten, genutzt werden. Gleichzeitig dürfen wir nicht die Lernziele unseres Lehrplanes aus den Augen verlieren.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Feußner, Sie behalten die Uhr im Blick.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ich komme gleich zum Schluss. - Wir haben in Sachsen-Anhalt seit vielen Jahren Anstrengungen unternommen, um den prognostizierten Lehrerbedarf abzudecken. Wir haben höhere Kapazitäten im Lehramt geschaffen, um den Lehrernachwuchs an unseren Universitäten selbst ausbilden zu können.

Doch die Konkurrenz mit anderen Berufs- und auch Lebensperspektiven ist groß. Im letzten Jahr konnten nicht alle der nunmehr 1 000 Studienplätze für Erstsemester im Lehramt gefüllt werden. In diesem Jahr werden wohl wieder nicht alle von den nun 1 200 Erstsemesterplätzen belegt. Es muss uns dringend gelingen, die Kapazitäten auch hier auszuschöpfen, und zwar bedarfsgerecht.

Jeder freie Platz im Hörsaal führt später zu einem unbesetzten Platz im Lehrerzimmer. Deshalb werben wir mit unserer Lehrerkampagne dafür, hier in Sachsen-Anhalt zu studieren und auch Lehrer zu werden. Aber wir alle sind gefordert, mit einem positiven Berufsbild für das Lehramtsstudium zu werben. Sprechen wir wertschätzend über Lehrerinnen und Lehrer.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Sie leisten nämlich eine großartige Arbeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Feußner, es gibt drei Nachfragen.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ja, meine Rede ist gleich zu Ende.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Es ist ja möglich, manches auch bei der Beantwortung der Fragen noch darzulegen.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Okay. Dann versuche ich, mich bei den letzten Sätzen noch sehr kurz zu halten. - Ich will an der Stelle nur noch mal, weil wir gerade beim Lehramtsstudium waren, auf Folgendes eingehen: Also, wir haben zum Teil Abbrecherquoten bis zu 50 %. Auch hier müssen die Universitäten eine höhere Anstrengung unternehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Jahren mit Ihrer Unterstützung Geld in die Hand genommen und viel dafür getan, um die hohen Altersabgänge zu kompensieren, um Lehrer und Lehrerinnen auszubilden und in Sachsen-Anhalt zu halten.

Es braucht weiterhin große Anstrengungen, um in allen Regionen und in allen Schularten den Unterricht abzudecken. Über die Frage, welche Maßnahmen zusätzlich wirklich zielführend sind, müssen wir intensiv hier im Hohen Haus diskutieren. Der Lehrkräftemangel - das will ich an der Stelle noch mal ausdrücklich sagen  , ist mittlerweile ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Fest steht, das können wir nur alle gemeinsam schaffen. Und diese Gemeinsamkeit - das ist die klare Botschaft unseres Ministerpräsidenten - kann mit einem Bildungsgipfel erzeugt werden. Deshalb wird der durchgeführt. Ich würde mich freuen, wenn sich meine Ressortkollegen für Finanzen, für Wissenschaft und für Soziales hier rege beteiligen würden und wir uns alle an einen Tisch setzen.

(Zustimmung von Matthias Redlich, CDU)

So kann der Bildung der Status zukommen, der ihr nach unserer Verfassung und nach dem Grundgesetz auch wirklich zukommen muss und sollte. - Vielen Dank.

(Zustimmung von der CDU und von der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Es gibt drei Nachfragen, eine von Herrn Lippmann, von Herrn Gallert und von Herrn Loth. - Herr Lippmann, bitte.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Liebe Ministerin Feußner, Sie haben sicherlich bemerkt, dass wir mit unseren Reden doch ziemlich aneinander vorbei gesprochen haben, weil sich mein Debattenbeitrag gar nicht an Sie und an Ihr Haus gerichtet hatte, sondern an den Ministerpräsidenten und an den Finanzminister.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Das habe ich wohl bemerkt, ja.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Von der Seite her war es auch ein bisschen undankbar, dass Sie jetzt hier an das Pult mussten.

(Guido Kosmehl, FDP: Was will er? Da steht die Ministerin!)

Ich will Sie aber drei kurze Dinge fragen. Erstens, wie beurteilen Sie denn aus Ihrer heutigen Sicht die Schließung der Lehrerausbildung in Magdeburg und vor allem das sture Festhalten daran? Die Restriktionen, also die Nichtbeförderung    


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Hier Lippmann, diese lange Rede von Frau Feußner muss nicht dazu führen, dass wir jetzt genauso lange Nachfragen stellen.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Nein.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Und vor allem, wenn Sie schon drei Fragen ankündigen.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Ich wäre schon fast fertig.

(Lachen - Unruhe bei der LINKEN)

Wie beurteilen Sie die Aktion Ihres Vorgängers im Amt im Jahr 2016, die 200 Sprachlehrkräfte, die wir damals hatten, aus dem Dienst zu entlassen? Und die letzte Frage: Welche Erwartungen haben Sie denn an den Schulgipfel?

(Daniel Wald, AfD: An den Schulgipfel?)


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ich fange mal mit dem Letzteren an. Die Erwartungen an den Schulgipfel habe ich, glaube ich, in meinem Redebeitrag deutlich dargelegt. Darüber können wir uns dann sicherlich auch noch einmal im Bildungsausschuss oder an anderer Stelle unterhalten. Ansonsten müsste ich jetzt hier tatsächlich sehr lange reden, weil die Erwartungen sehr groß bzw. sehr umfangreich sind. So will ich es mal ausdrücken.

Darüber hinaus hatten Sie die Sprachlehrkräfte angesprochen. Wir haben lediglich überprüft, ob die überhaupt für den Schuldienst befähigt sind. Und wir haben eine Vielzahl von denen, die die Fähigkeit nachgewiesen haben bzw. die Voraussetzungen nachgewiesen haben, auch unbefristet eingestellt. Das ist so. Darüber können wir uns gern auch noch einmal unterhalten. Ich kann Ihnen das auch darlegen.

Und die erste Frage war?

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Die Lehrerausbildung und die Schließung in Magdeburg? - Frank Bommersbach, CDU: Aber das sind doch jetzt Fragen, die hatten wir schon!)

Also ich bin da sehr intensiv mit meinem Kollegen Herrn Willingmann im Gespräch, der jetzt gerade nicht anwesend ist.

(Unruhe - Guido Kosmehl, FDP: Doch!)

Wo ist er? - Ach, da hinten, Entschuldigung - Und wir machen uns auch beide sehr viele Gedanken darüber, wie wir da an der Stelle vielleicht das eine oder andere noch regeln können.

Aber bei einer Anzahl von - wie hoch war sie im letzten Jahr? - 5 600 Abiturienten im Land Sachsen-Anhalt ist uns allen doch eines bewusst: Wir haben jetzt 1 200 Lehramtsstudienplätze in Halle. Machen wir uns nichts vor: Allein so viele Personen sollen sozusagen auf Lehramt studieren? Das ist eine solche Herausforderung auch für unsere Schülerinnen und Schüler. Sie ist kaum lösbar.

Wir haben - das habe ich am Anfang gesagt - auch einen Mangel in anderen Bereichen. Jeder zieht an der Tischdecke. Jeder braucht Fachkräfte, auch im akademischen Bereich. Das heißt, die Studierenden würden sich wahrscheinlich anders verteilen, die Abiturienten aus dem Norden würden vielleicht wieder ein bisschen mehr durch Magdeburg abgegriffen. Aber ob das wirklich hilft, mehr Lehramtsstudierende zu gewinnen, das werden wir sehen bzw. müsste man überprüfen.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt kommt Herr Gallert.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Frau Feußner, eine kurze Vorbemerkung. Die Demografie können wir jetzt sozusagen als Entschuldigung für alles heranziehen. Spätestens bei der Lehrerversorgung an den Schulen in Sachsen-Anhalt wird das schwer. Denn - ich habe heute auch schon darauf hingewiesen - wenn wir eine vernünftige demografische Zusammensetzung in unserer Bevölkerung hätten, dann bräuchten wir etwa doppelt so viele Lehrer, wie wir jetzt in der Schule zur Verfügung haben. Denn dann hätten wir etwa doppelt so viele Kinder in der Schule. Die Demografie ist an vielem Schuld, aber an dem Lehrermangel ist sie im Augenblick nicht schuld.

(Zuruf von Christian Hecht, AfD)

Darauf sei nur kurz hingewiesen. Ich habe aber eine Frage. Sie haben ausdrücklich gesagt, die Situation in Thüringen sei viel schlechter. Ich habe nachgeschaut: Die Bevölkerungszahl in Thüringen liegt leicht über der in Sachsen-Anhalt.

(Guido Kosmehl, FDP: Nee!)

In Thüringen gab es allein im letzten Schuljahr 1 550 Neueinstellungen. Das liegt deutlich über dem, was Sachsen-Anhalt realisiert hat. Jetzt frage ich Sie: Können wir wirklich einmal einen realistischen Vergleich bekommen - wahrscheinlich das Verhältnis von Vollzeitäquivalenten zu Schülern - zwischen Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg? Vielleicht gibt es den schon. Das sind drei Länder mit ähnlichen Bevölkerungszahlen und ähnlichen Bedingungen. Mich würde echt einmal interessieren, wie das aussieht. Denn die Aussagen und die Informationen gehen offensichtlich sehr, sehr unterschiedliche Wege. Zu wenig wird es überall sein; das weiß ich.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

So, jetzt ist die Frage, glaube ich, klargeworden.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Ja? Meinen Sie, Frau Keding? - Gut. Okay.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ja, Sie haben noch eine ausführliche Vorbemerkung gemacht.

(Christian Hecht, AfD: Ich will Tillschneider hören!)

Frau Feußner, bitte.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ich weiß, Herr Gallert, worauf Sie hinauswollen. Erstens. Man kann natürlich Vorberechnungen anstellen und sagen: Man hat so und so viele Schüler im System und benötigt so und so viele Lehrer. Das wird ja auch getan. Aber wir wissen selbst, dass die demografischen Voraussagen bzw. unsere Regionalisierten Bevölkerungsprognosen nicht immer zu 100 % zutreffen, weil zwischendurch das eine oder andere geschieht. Im Jahr 2015 gab es eine Migrationswelle. Jetzt haben wir die Ukrainesituation usw. Die Tatbestände ändern sich auch immer und werden sozusagen über eine solche Prognose hinaus nicht erfasst.

Zweitens. Auch alle anderen Institutionen wissen, was für Fachkräfte sie zur Verfügung haben und wie die Altersstruktur ist. Sie haben die gleiche Vorsorge versäumt. Das heißt, es ist tatsächlich auch im Lehrerberuf bzw. im Lehrerbereich ein demografisches Problem.

Es ist doch nicht so, dass Deutschland insgesamt zu wenige Lehrkräfte ausgebildet hat, sondern es waren erst zu viele Lehrkräfte vorhanden. Welches Land oder - gehen wir vielleicht einmal weg vom Öffentlichen Dienst - welches Unternehmen stellt denn zusätzlich Fachkräfte ein, wenn es im Augenblick ausreichend Fachkräfte hat, nur weil sie in zehn Jahren mehr brauchen? Das macht doch keiner. Das ist doch auch ein finanzielles Problem.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Aber dieser Schweinezyklus ist doch schon lange bekannt! Man muss antizyklisch handeln!)

Das ist natürlich eine Frage, die man aus Ihrer Sicht sicherlich nur unzureichend beantworten kann. Aber es geht praktisch eigentlich nicht.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Die Alterskohorten waren alle gemeint!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Loth.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Das zweite    


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ach, Sie wollen noch weiterreden?


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Na ja, das war doch erst zu der ersten Frage. - Die zweite Frage betraf Thüringen. Ich habe dargelegt, meine Unterrichtsversorgung liegt bei 93,5 %. Thüringens Unterrichtsversorgung - Herr Holter hat in der letzten Woche eine Pressemitteilung herausgegeben - war anderthalb Prozentpunkte schlechter als bei uns. Das ist also ein prozentualer Vergleich.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Gut, aber er hat höhere Zuweisungen!)

Damit weiß man: Wenn sie in Thüringen noch unter 93,5 % liegen, also bei 92 %, dann sind sie offensichtlich schlechter versorgt als wir.

(Siegfried Borgwardt, CDU: So ist es! - Zuruf: Richtig! - Thomas Lippmann, DIE LINKE: Sie wissen doch, dass das nicht so ist! Das hängt doch von den Zuweisungen ab!)

Das ist ein gutes rechnerisches Beispiel. Dabei geht es nicht um die Anzahl der Lehrer, die eingestellt worden sind, sondern um die Lehrer, die vor der Klasse stehen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Es gibt jetzt keinen Dialog, auch wenn die Fraktion DIE LINKE diese Aktuelle Debatte angeregt hat. - Es gibt jetzt noch eine Frage von Herrn Loth.


Hannes Loth (AfD):

Sehr geehrte Frau Feußner, der demografische Wandel ist Ihnen sicherlich bekannt. Wir haben lange darüber gesprochen. Ist Ihnen auch bekannt, dass z. B. an der Grundschule in Raguhn in fünf Jahren 80 % der Lehrer in Rente gehen werden und bisher kein Nachwuchs zu sehen ist? Fünf Jahre sind nicht viel. Die Studenten, die heute anfangen, sind in fünf Jahren vielleicht gerade einmal so weit, dass sie loslegen können.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Feußner, bitte.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Herr Loth, ich versuche, es kurz zu machen. Wir haben doch die Anzahl der Lehramtsstudierenden stetig erhöht. Wir haben früher 600 gehabt, dann haben wir die Zahl auf 800 gesteigert, danach auf 1 000. Jetzt sind wir bei 1 200. In den nächsten Jahren kommen sozusagen auch einige auf den Arbeitsmarkt im Bereich Schule.

Mir ist schon bewusst, dass wir jetzt sozusagen die Babyboomer-Generation haben, die demnächst in Rente geht. Deshalb habe ich es immer wieder angesprochen: Wir haben ein demografisches Problem. Es gibt viele Menschen, die derzeit noch im System sind und dann in Rente gehen. In den nächsten zehn Jahren wird es eine Riesenherausforderung für alle Bereiche in Deutschland und Europa geben. Das kann ich hier prophezeien. Das wissen andere Demoskopen auch.