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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 11

Aktuelle Debatte

Sachsen-Anhalt entwickelt die Chemieindustrie der Zukunft

Antrag Fraktion FDP - Drs. 8/1989


Es wurde eine Zehnminutendebatte vereinbart. Für die FDP spricht Herr Silbersack. Bitte.


Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Jahr wurden wichtige wirtschaftliche Weichen für die Zukunft Sachsen-Anhalts gestellt. Wir sind gemeinsam mit den Koalitionären der Regierung sehr dankbar dafür, dass wir diesen Weg so einschlagen können. Ich hoffe und bin davon überzeugt, dass es ein Fingerzeig für die Zukunft dieses Landes sein wird.

Nach der Bekanntgabe Mitte März 2022, dass der US-Chiphersteller Intel seine neue Gigafabrik bei Magdeburg baut, hat nun die FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger vor wenigen Wochen verkündet, dass die Region Leuna-Bitterfeld mit dem Zentrum für Transformation in der Chemieindustrie ein bedeutendes Forschungszentrum bekommen wird. Ich denke, das ist etwas ganz Großartiges, und ich möchte allen Beteiligten noch einmal Danke sagen, die dabei mitgewirkt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Ziel des CTC, Center for the Transformation of Chemistry, ist es, eine neue Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, die stärker auf Recycling und nachwachsenden Rohstoffen basiert und weniger Abfall produziert. Dieses Wissen soll in die Industrie transferiert werden und dabei helfen, die Abhängigkeit von Energieträgern wie Kohle, Gas und Öl zu reduzieren. Das CTC soll sich bei Leuna III ansiedeln; 380 Millionen € sollen investiert werden. Dabei können viele neue Arbeitsplätze in vielen Firmen entstehen. Solche Projekte bringen oft Ausgründungen, Neuansiedlungen aus Universitäten mit sich sowie Erweiterungen bestehender Betriebe.

Wir als FDP freuen uns daher sehr, diese Forschungseinrichtung nach Sachsen-Anhalt zu bekommen. Dies ist aber nicht nur eine Freude für die FDP, nein, ganz Sachsen-Anhalt wird davon profitieren.

(Zustimmung bei der FDP)

Man kann dies auch als einen zusätzlichen Hauptgewinn für das Land und das Mitteldeutsche Chemiedreieck ansehen, geht es doch darum, die Chemiebranche fit für die Zukunft zu machen.

Sachsen-Anhalt ist das Kernland der ostdeutschen Chemieindustrie und ein Leuchtturm der Chemieindustrie für ganz Deutschland. Es werden dort jährlich fast 10 Milliarden € Umsatz erwirtschaftet. Wir sind das ostdeutsche Bundesland mit der größten Dichte an Mitarbeitern in der Chemieindustrie. Insgesamt mehr als 23 000 Beschäftigte arbeiten hier. Wir hoffen, dass es in Zukunft noch mehr werden. Es sind vorrangig kleine und mittlere Unternehmen, die zu diesem Erfolg beitragen. Nur rund 10 % aller Chemieunternehmen gelten in Sachsen-Anhalt als Großunternehmen.

Aber die Chemieindustrie steht aktuell vor großen Herausforderungen - man braucht sich nur mit Herrn Dr. Günther von der Infraleuna zu unterhalten  , verursacht durch die Energiekrise und die hohen Strom- und Energiepreise. Diese Herausforderung gilt es zu lösen. Wir als FDP Sachsen-Anhalts stehen zu den Mitarbeitern in dieser Branche und wissen um die Bedeutsamkeit von bezahlbaren Rohstoffen und bezahlbarer Energie für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Brückentechnologien sind deshalb für den Industriestandort Deutschland notwendig. Nur mit Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähigen Rohstoff- und Energiepreisen lässt sich unser Wirtschaftsstandort sichern und insofern auch die Chemieindustrie, unser Chemiestandort.

Transformation braucht Zeit und eine klare praxisorientierte Strategie, die globale Zusammenhänge versteht. Genau dieses Verhältnis vermissen wir im Bundeswirtschaftsministerium; denn es wäre dringend geboten, langfristige Gaslieferverträge einzugehen, um langfristig die Lieferkapazitäten zu erhöhen und damit die Versorgungssicherheit zu garantieren und die Preise zu senken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Die Laufzeit der Atomkraftwerke sollte zudem verlängert werden, um unserer Industrie in der Energiekrise und bei dem transformativen Prozess hin zu mehr Nachhaltigkeit perspektivisch zur Seite zu stehen.

(Beifall bei der FDP)

Es erfreut heute, wenn wir hören, dass in Kalifornien das Thema der Kernfusion vorangetrieben wird. Auch das ist ein Thema der Technologieoffenheit, das wir als Liberale sehr erfreut betrachten. Wir werden sehen, was sich dort weiter zeigt.

Eine Debatte über einen vorzeitigen Kohleausstieg bis 2030 halten wir für absolut falsch,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

zeigt es doch das mangelnde Verständnis für transformative Prozesse und deren Umsetzung. Wer hier den Ausstieg einmal eben um acht Jahre vorziehen will, der zeigt, wie sozial kalt die eigenen ideologischen Interessen durchgesetzt werden sollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie verstehen nichts von den Bedürfnissen der Menschen im Revier. Ängste zu nehmen und Planungssicherheit zu schaffen, sollte das oberste Ziel sein. Strukturwandel braucht strategische Ziele. Strukturwandel ist Veränderung. Es gilt, eine positive Wahrnehmung des Wandlungsprozesses und eine gelingende Veränderungskultur zu etablieren. Mit der Beliebigkeit von Ausstiegsdaten werden Sie das jedenfalls nicht erreichen. Es ist wichtig, den Zeitplan einzuhalten. Ein vorzeitiger Kohleausstieg gefährdet die Planungssicherheit und schafft Verunsicherung.

Aktuell wird Kohle als Brückentechnologie zudem gebraucht, um die Abhängigkeiten zu reduzieren. Der Kohleausstieg ist beschlossen. In der Energiekrise kann man an diesem Fahrplan nichts ändern. Jeder sollte sich insofern mit der InfraLeuna unterhalten. Ich glaube, dort ist das Know-how vorhanden, um genau diese Prozesse einordnen zu können.

Wir begreifen den dadurch verursachten Strukturwandel insgesamt, aber auch in der Chemie als Chance für unser Land. Lassen Sie uns die Chance nutzen, um die Wertschöpfung von morgen zu gestalten. Ein gutes Beispiel hierfür sind die laufenden Wasserstoffprojekte. Mit dem kürzlich eröffneten Hydrogen Lab in Leuna wird der Markthochlauf für Wasserstofftechnologien in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus beschleunigt.

Als eines von deutschlandweit drei Fraunhofer Hydrogen Labs fokussiert das Hydrogen Lab Leuna auf die Forschung entlang der Wertschöpfungskette der Wasserstofferzeugung. Der dort produzierte grüne Wasserstoff wird vor Ort analysiert, aufbereitet und direkt in die 147 km lange H2-Pipeline eingespeist, von wo aus er zu den Industriestandorten der Region verteilt und in chemischen Prozessen eingesetzt werden soll.

Mit dem Hydrogen Competence Hub sind auch die Hochschule Merseburg, die Otto-von-Guericke-Universität und die Hochschule Anhalt aktiv in den Aufbau der Zukunftstechnologie Wasserstoff eingebunden.

In Leuna entsteht durch Linde zurzeit eine Anlage, die grünen Wasserstoff produziert. Das ist Wasserstoff, der per Elektrolyse aus Wasser mit Ökostrom erzeugt wird. Dies ist ein großer Fortschritt, wird doch Wasserstoff heute hauptsächlich aus Erdgas im sogenannten Steam Reforming hergestellt. Hochrechnungen zufolge kann grüner Wasserstoff zukünftig etwa ein Drittel des Energiebedarfs des mitteldeutschen Chemiedreiecks decken.

Ein weiteres Beispiel ist das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna. Es zeigt, wie erfolgreich das Zusammenspiel von Forschung und Industrie sein kann, schließt es doch die Lücke zwischen Labor und industrieller Umsetzung.

In den Chemieparks wird an Konzepten gearbeitet, wie man Erdöl, Erdgas oder Kohle als Rohstoff ersetzen kann. Es wird an Konzepten für eine nachhaltige Chemie in Sachsen-Anhalt gearbeitet. Dass sich die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz zur Herstellung von chemischen Produkten eignet, kann man in Leuna sehen. Der Bau der Bioraffinerie von UPM Biochemicals im Chemiepark Leuna schreitet voran. Dabei werden 759 Millionen € investiert. Derzeit wachsen Rohbrücken, Fabrikgebäude und Chemieanlagen in die Höhe. In der Raffinerie wird künftig Bio-Monoethylenglykol nachhaltig hergestellt werden. Dies dient bspw. als Grundstoff für Verpackungsmaterialien, Textilien oder Motor- und Batteriekühlmittel. Dies zeigt, wie erfolgreich Forschung und Chemieindustrie bereits jetzt in Leuna agieren. Es werden Rekordsummen in die Chemie von morgen auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt investiert.

Für die FDP ist das Forschungszentrum CTC wichtig; es wird den transformativen Prozess zu einer nachhaltigen Chemie noch einmal beschleunigen. Sachsen-Anhalts wirtschaftliche Position wird dadurch gestärkt. Allerdings braucht eine solche Entwicklung Zeit. Der Zeitraum von einem erfolgreichen Laborverfahren hin zu einer erfolgreichen kommerziellen Produktion kann bis zu zehn Jahre oder mehr dauern. Unsere Chemie ist auf dem innovativen Weg in der Transformation zur Chemie der Zukunft. Wir haben damit in Sachsen-Anhalt innovative Spitzentechnologien. Diese Spitzentechnologie braucht Planungssicherheit. Das heißt, kein vorgezogener Kohleausstieg, die mittelfristige weitere Nutzung von Atomkraft und langfristige Gaslieferverträge, um wettbewerbsfähige Preise und Versorgungssicherheit zu garantieren. Die Rahmenbedingungen müssen passen, meine Damen und Herren.

Wir als FDP stehen für den Wirtschaftsstandort Deutschland und freuen uns über Forschung, die Hand in Hand mit der Industrie unsere Zukunft gestaltet. Deshalb sehen wir im Strukturwandel mit zielgerichteten Investitionen eine großartige Chance für Sachsen-Anhalt und das Mitteldeutsche Revier. Wir brauchen den gelebten Gründergeist und unternehmerischen Mut, um die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. Die Chemieunternehmen unseres Landes stehen exemplarisch für diese Werte. Die Transformation zu einer nachhaltigen Chemie ist in vollem Gang. Sie verdient unsere Unterstützung.

Lassen Sie uns gemeinsam für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen und unser Land damit voranbringen und die Arbeitsplätze von morgen sichern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)