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Plenarsitzung

Transkript

Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Fachkräfte ausbilden, gewinnen, anerkennen und integrieren ist ein ganz wesentliches Thema. Wir haben darüber schon häufig diskutiert. Gerade Sachsen-Anhalt hat hierbei riesige Probleme.

Ich möchte daran erinnern, und das sind Fakten, dass das Land Sachsen-Anhalt 1970  3,3 Millionen Einwohner hatte, im Jahr 1990  2,8 Millionen und jetzt sind wir bei 2,1 Millionen Einwohnern. Wir haben eine Situation, in der die Einwohnerzahl immer weiter nach unten geht.

Wir wissen auch, dass es positive Akzente gibt wie die Intel-Ansiedlung oder den Strukturwandel. Wir müssen die Dinge positiv bewegen. Untergangsszenarien, meine Damen und Herren, bringen uns an der Stelle überhaupt nichts. Wir brauchen Möglichkeiten und Wege, um die Problemstellungen und die Herausforderungen dieses Landes in der Zukunft in den Griff zu bekommen.

Eine der Herausforderungen ist das Thema der Arbeitskräfte und der Fachkräfte. Wir haben ein riesiges Problem, das muss man ganz deutlich sagen. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Vielleicht sei darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Kinder und die Geburtenrate seit dem Jahr 1890 zurückgeht. Damals sind unter Bismarck die Sozialgesetze entstanden und seitdem hat sich die Anzahl der Geburten deutschlandweit reduziert. Das ist keine Entwicklung der letzten zehn oder 20 Jahre. Sie müssen das über die Jahrzehnte betrachten, dann kommen Sie zu einer richtigen Analyse.

Deshalb ist es auch wichtig zu schauen, an welcher Stelle wir nachjustieren können. Wir haben Nebeneffekte. Die Rente mit 63 z. B. wird von wesentlich mehr Menschen in Anspruch genommen, als man sich das vielleicht vorgestellt hat. Für Sachsen-Anhalt bedeutet das, dass wir noch weniger Arbeits- und Fachkräfte haben. Das heißt, die Leute, die das Potenzial besitzen, verabschieden sich eher in die Rente. Das ist für uns ein riesiges Problem, das muss man ganz deutlich sagen.

Wir müssen schauen, wie wir den Arbeitsmarkt stabilisieren können. Wenn Sie abends an Tankstellen kommen - das ist mir persönlich passiert  , dann stellen Sie fest, dass sie um 22 Uhr geschlossen wird, weil niemand nachts in der Tankstelle arbeiten will. So ist es in den Krankenhäusern, bei den Rettungsdiensten, in der Gastronomie, in der Hotellerie, überall, landauf landab. Ich glaube, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die man Lösungsakzente und Lösungsmöglichkeiten suchen muss.

Eine der Lösungsmöglichkeiten ist - und die ist ganz wesentlich  , die Ausbildung zu verbessern. Gerade die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es eine riesige Herausforderung ist, die Leute, die entweder keine Lust auf eine Ausbildung haben oder die eine andere Work-Life-Balance haben, dahin zu bringen. Wir müssen mehr Leute zu Abschlüssen bringen. Dabei sind Berufsschulen von wesentlicher Bedeutung. Wir müssen die Möglichkeiten der Ausbildung dort verstärken. Wir müssen das Thema Lehrer betrachten, das ist gar keine Frage.

Aber ich möchte das Thema Einwanderung in den Mittelpunkt meiner Rede stellen. Es geht um die Frage, wie wir mit denjenigen umgehen, die als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sind bzw. mit denjenigen, die darüber nachdenken, nach Deutschland zu kommen.

Es wurde vorhin schon von Frau Dr. Pähle gesagt: Wir haben einen Bedarf von 260 000 qualifizierten Zuwanderern pro Jahr. Das ist eine riesige Zahl. Dabei gilt der Königsteiner Schlüssel für Sachsen Anhalt nicht. Wir brauchen prozentual viel mehr, das muss uns klar sein.

Wir sind das Land mit dem höchsten Durchschnittsalter und haben eine der niedrigsten Geburtenraten. Diese Eckdaten weisen darauf hin, dass nach jedem Strohhalm greifen und schauen müssen, was notwendig ist, um Zukunft gestalten zu können. Dazu gehört auch, dass wir uns dem Thema Einwanderung stellen.

Wir haben seit Jahren und Jahrzehnten nicht auf die Frage reagiert, was wir tun können. Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass wir das Thema Einwanderung jetzt haben. Seit wie vielen Jahren reden wir über die Möglichkeiten, die in Kanada und in Neuseeland genutzt werden? Ich bin der Ampelkoalition im Bund dankbar dafür, dass man versucht hat, gemeinsam einen Weg zu finden, um auf der einen Seite das Thema Asylrecht in den Griff zu bekommen, auf der anderen Seite das Thema Einwanderung.

Derzeit kommen 90 % der Zuwanderer von außerhalb der EU durch Flucht nach Deutschland, weil es über das Einwanderungssystem kaum möglich ist. Mehr als 130 000 Menschen in Deutschland sind seit mehr als fünf Jahren geduldet und können weder abgeschoben werden noch einen Aufenthaltstitel erwerben. Diese Menschen hängen im Sozialsystem fest. Das bringt uns nichts. Wir wollen und müssen sie in Arbeit bringen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der SPD)

Zwischen September 2021 und August 2022 dauerte es im Durchschnitt 140 Tage, bis eine sozialversicherungspflichtige Stelle in Sachsen-Anhalt besetzt werden konnte. Das waren 20 Tage mehr als im Vorjahreszeitraum. Das Risiko für unsere wirtschaftliche Entwicklung besteht darin, dass Arbeitsplätze nicht mehr besetzt werden können, und nicht darin, dass uns die Arbeit ausgeht.

Laut Statistik war eine Stelle in Berufen der Überwachung und Wartung von Eisenbahninfrastruktur etwa 330 Tage lang frei, im Beton- und Stahlbetonbau 300 Tage. Dies zeigt, wie wichtig die Integration von Menschen aus dem Asylsystem in den Arbeitsmarkt ist, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Wir müssen die, die sich integrieren wollen, integriert sind oder arbeiten wollen, auch arbeiten lassen. Bereits integrierte Bürger dürfen dabei dann auch nicht abgeschoben werden. Wir müssen den Menschen eine verlässliche Perspektive bieten. Es geht nicht darum, dass mehr Leute reinkommen, sondern wir müssen klären, wie wir mit den Leuten umgehen, die da sind. Denen müssen wir die Möglichkeit zum Arbeiten geben.

(Zustimmung bei der FDP und bei der SPD)

Diese Perspektive wurde jetzt vom Bundestag beschlossen. Mit dem von uns auf den Weg gebrachten Chancenaufenthaltsrecht geben wir genau diesen Menschen eine Perspektive. Warum sollten wir Menschen, die arbeiten wollen, dazu zwingen, dauerhaft von Sozialtransfers zu leben, meine Damen und Herren?

Wer seit mindestens fünf Jahren geduldet und mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gelebt hat und außerdem seinen Unterhalt selbst verdient, deutsch spricht und seine Identität nachweisen kann, kann zusätzlich zu dem 18-monatigen Chancenaufenthalt einen dauerhaften Aufenthaltstitel erwerben. Dauerhafter Aufenthaltstitel heißt dabei nicht Staatsbürgerschaft. Man muss die Aufenthaltstitel einfach mal ein Stück weit unterscheiden, das wird häufig verwechselt.

Wir als FDP sprechen dabei oft vom Spurwechsel, einem Wechsel vom Sozialsystem in den Arbeitsmarkt. Genau diesen Spurwechsel brauchen wir auch in Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP, von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Dr. Falko Grube, SPD)

Wir wollen Chancen bieten. Der Wohlstand Sachsen-Anhalts hängt geradezu schicksalhaft davon ab, ob es uns gelingt, Einwanderung in den Arbeitsmarkt zu organisieren. Mit dem Chancenaufenthaltsrecht schaffen wir das, was jahrzehntelang nicht gelungen ist: eine Perspektive für integrationswillige Zuwanderer, einen Wechsel aus dem Asylsystem in den Arbeitsmarkt. Leistung und Integration müssen sich lohnen. Chancenaufenthaltsrecht ist ein Zugewinn für Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der FDP)

Wir als FDP setzen uns für Entbürokratisierung ein. Wir finden es daher richtig, dass zukünftig nur anlassbezogene Überprüfungen des Asylstatus stattfinden sollen. Ein Asylverfahren dauert im Bundesdurchschnitt in Deutschland etwa 26 Monate. Das ist eindeutig zu lang. Wir haben 130 000 erstinstanzliche Gerichtsverfahren; das ist eine viel zu hohe Zahl. Diese Verfahren verstopfen im Grunde genommen alles und legen die Justiz ein Stück weit auch lahm. Deshalb ist es wichtig, dass wir umsteuern. Genau das ist auch der Weg, der gewählt wird.

Neben den Chancen, die denjenigen die arbeitswillig sind, geboten werden, muss aber denjenigen, die nicht arbeitswillig sind, die auf Kosten der Gesellschaft leben wollen, klar gesagt werden: Stopp, das geht nicht! Und die müssen auch stringent abgeschoben werden.

Genauso ist das auch mit Straftätern. Selbstverständlich muss unser Rechtsstaat in dem Bereich funktionieren. Wir müssen auf der einen Seite diejenigen integrieren, die arbeiten wollen. Dabei müssen wir offen sein, dabei müssen wir Offenheit zeigen. Auf der anderen Seite müssen wir denjenigen, die das nicht wollen, die dieses Land dauerhaft belasten, sagen: Ihr müsst dieses Land wieder verlassen.

Deshalb ist es wichtig, dass wir im Bereich des Asylrechts klar unterscheiden zwischen denjenigen, die dieses Land mit weiterentwickeln wollen, und denjenigen, die da nicht wollen. Dafür gibt es den Rechtsstaat und das muss an dieser Stelle auch durchgesetzt werden.

Einwanderungsländer wie Kanada oder Neuseeland machen uns seit Jahrzehnten vor, was für eine erfolgreiche Einwanderungspolitik nötig ist. Einwanderung ist nichts anderes als ein weltweiter Wettbewerb um Talente. Bei diesem Wettbewerb um Talente haben wir eindeutig Nachholbedarf.

Wenn ich mir allein die Bürokratie anschaue, die dabei stattfindet, dann ist das wirklich unglaublich. Ich weiß nicht, ob sich jemand von Ihnen schon einmal mit so einem Verfahren bei der Ausländerbehörde befasst hat, mit dem man jemanden einbürgert, mit dem man die Staatsbürgerschaft erlangt. Das dauert Jahre.

Die Ausländerbehörde der Stadt Magdeburg hisst mittlerweile die weiße Fahne, weil man dort gar nicht mehr in der Lage ist, diese Verfahren durchzuführen.

Es sind nicht nur diejenigen, die als Arbeitskräfte herkommen, sondern es sind auch Investoren, die nach Sachsen-Anhalt kommen, die das Land bereichern und investieren wollen. An dieser Stelle - das muss man einfach sagen - müssen wir wesentlich besser werden. Das reicht nicht aus.

Für die Arbeitskräfte hat der Bund - dafür sind wir als Liberale dem Bund sehr dankbar; wir haben es mit entwickelt - das Zweisäulensystem entwickelt, und zwar in der Form, in der es in Kanada schon existiert. Die eine Säule ist das Thema „Fachkräfte mit Arbeitsplatzangebot“. Die Blue Card für Fachkräfte mit Arbeitsplatzangebot ist ein Kerninstrument der Fachkräfteeinwanderung. Diese Möglichkeit der Fachkräfteeinwanderung nach Deutschland sollte auch für nichtakademische Fachkräfte geöffnet werden. Wenn ein Handwerker    


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Silbersack, den Versuch, Sätze ohne Pausen zu sprechen, bemerke ich wohl. Trotzdem ist Ihre Redezeit nicht nur am Ende, sondern schon deutlich überschritten. Deswegen sagen Sie Ihren letzten Satz und dann ist Sense. - Bitte.


Andreas Silbersack (FDP):

Eine niedrige Abgabenlage sowie eine gute Willkommenskultur machen die Attraktivität unseres Landes Sachsen-Anhalt aus. Dafür steht die FDP, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)