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Plenarsitzung

Transkript

Sebastian Striegel (GRÜNE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Bündnisgrüne streiten wir gegen die Einführung der sogenannten Bodycams in Sachsen-Anhalt.

(Daniel Roi, AfD: Sie haben es doch eingeführt!)

Wir sind überzeugt davon, eine technische Ausrüstung der Polizei darf nur erfolgen, wenn folgende zwei Voraussetzungen vorliegen:

Erstens. Jedes neue polizeiliche Einsatzmittel muss evidenzbasiert sein, d. h., die Einführung darf nur bei erwiesener Wirksamkeit erfolgen.

Zweitens. Jedes Einsatzmittel muss bei der Einführung selbst auch verhältnismäßig sein.

Um es vorwegzusagen, der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung, mit welchem der Einsatz der Bodycams - Zitat - „zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben der Polizeibeamten oder Dritter“ eingeführt werden soll, erfüllt diese Voraussetzung nicht.

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

Der Landesregierung liegen unter anderem wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem eigenen Abschlussbericht des Modellprojekts in Sachsen-Anhalt vor. Dieser bescheinigt dem Einsatz der Bodycams keine deeskalierende, Gewalt verhindernde, sondern eine eskalierende Wirkung. Dennoch erwähnen Sie mit keinem Wort den Inhalt des Berichts in Ihrer Gesetzesbegründung. Ich halte das für politisch skandalös, wissenschaftsfeindlich und zudem rechtlich bedenklich.

(Tobias Rausch, AfD, lachend: Wissenschaftsfeindlich!)

Wieso der Einsatz einer Bodycam die Gefahr für Leib und Leben dennoch abwehren soll, müssten Sie darstellen und die Erkenntnisse Ihres eigenen Modellprojekts dann eben erst einmal widerlegen.

Wie der Sachverständige Prof. Braun von der Hochschule für Polizei und Verwaltung NRW in seiner Stellungnahme richtig feststellte, Sie müssen die Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe ausführlich begründen und Verfahrensvorschriften einbauen, welche die Gefahr minimieren. Da Sie das nicht tun, bin ich wie der Landesbeauftragte für den Datenschutz - jedenfalls der amtierende - davon überzeugt, das Gesetz wird Ihnen irgendwann im Gericht um die Ohren fliegen.

Erinnern wir uns zudem an den Einsatz von Dortmund vor ein paar Monaten, bei dem ein suizidgefährdeter Jugendlicher von einem Polizisten mit einer Maschinenpistole erschossen wurde. Kein beteiligter Beamter hatte seine Bodycam vor Ort eingeschaltet. Das können Sie niemandem verständlich erklären.

Die Landesregierung verpasst hiermit die Möglichkeit, die Bodycam auch zum Schutz der Betroffenen einzuführen. Dies hätte unseren Rechtsstaat gestärkt und so den Einsatz von Bodycams auch auf rechtlich sichere Füße gestellt. Unser Änderungsantrag für einen entsprechenden Schutz der Betroffenen wurde im Innenausschuss - das, finde ich, ist das eigentlich Skandalöse - ohne inhaltliche Debatte abgelehnt. So tun Sie weder den Menschen im Land noch Ihrer eigenen Polizei eingefallen.

Jede Gewalttat gegen Polizistinnen und Polizisten ist eine zu viel. Tun Sie wirklich etwas dagegen, bauen Sie Misstrauen ab, schaffen Sie eine echte Kontrollinstanz. Bei jedem zweiten Fall von Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte stehen die Beschuldigten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Hierbei deeskalieren nur die richtige Ansprache, gutes Einsatztraining und eben keine Kamera. - Vielen herzlichen Dank.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Striegel, es gibt eine Frage von Herrn Kosmehl. - Ja? - Okay. - Herr Kosmehl, bitte.


Guido Kosmehl (FDP):

Vielen Dank. - Herr Kollege Striegel, ich würde Sie gern fragen, im Jahr 2014 haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Hessen die Ausweitung des Pilotprojektes zur Bodycam befürwortet. Seitdem sind sie auch wiedergewählt worden und noch immer in Regierungsverantwortung und der Einsatz der Bodycam ist im Regelbetrieb. Wie passt die Aussage oder die Einschätzung der Kollegen in Hessen in Regierungsverantwortung zum Einsatz der Bodycam zu Ihrer Einschätzung als GRÜNE in Sachsen-Anhalt?

(Beifall bei der FDP)


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Diese Einschätzung passt sehr gut, Herr Kollege Kosmehl. Dafür haben wir ein föderales System in der Bundesrepublik Deutschland, dass wir auf die Erfahrungen in einzelnen Bundesländern schauen. Sachsen-Anhalt hat auf mein Betreiben hin und auf das Betreiben meiner Fraktion hin im Koalitionsvertrag im Jahr 2016 etwas gemacht, was eigentlich auch zutiefst Anliegen von Liberalen sein müsste, nämlich Sicherheitsgesetze nicht unbefristet einzuführen, sondern zu sagen, wir machen eine Maßnahme, die testen wir, die evaluieren wir und dann entscheiden wir, ob sie dauerhaft für die Einführung taugt. Meine Fraktion hat das durchgesetzt. Wir haben Bodycams hier in einem Modellprojekt, in einem Test gehabt. Die Ergebnisse waren verheerend - im Übrigen aus der Praxiserfahrung der Beamten. Deswegen halten wir es für nicht richtig, sie jetzt zu verdauern. - Erste Bemerkung.

Zweite Bemerkung an dieser Stelle: Wenn man schon auf Bodycams setzt - die internationale Forschung ist an der Stelle sehr vielfältig; die Erfahrungen sind sehr unterschiedlich  , dann gibt es auch einen guten Grund dafür, sie so einzuführen, dass die Interessen von Polizeibeamten und -beamten auf der einen Seite und die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern auf der anderen Seite in einen Ausgleich miteinander gebracht werden. Dafür lohnt der Blick in unserer Bundesrepublik Deutschland nach Berlin bzw. nach Thüringen. Schauen Sie sich die gesetzlichen Normen dort an, im Übrigen auch mit grüner Regierungsbeteiligung. Dort werden auch die Rechte der Betroffenen mit in Einklang gebracht. An diesen Stellen ist völlig klar, wir kommen zu einer besseren Regelung.

Sie haben im Ausschuss die entsprechende Beschlussfassung und, ja, die inhaltliche Debatte verweigert. Sie hören nicht auf das, was Expertinnen und Experten zu dem Thema zu sagen haben.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Striegel, Sie wollten auf die Frage antworten.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

An dieser Stelle kann ich nur sagen, wir lehnen deshalb die Einführung ab. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Guido Kosmehl, FDP: Überall Bodycams, bloß nicht in Sachsen-Anhalt!)