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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 25

Beratung

Klimaneutralität des Landes Sachsen-Anhalt bis 2035

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1851


Derjenige, der diesen Antrag einbringt, steht bereits am Rednerpult und bekommt nunmehr das Wort.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Die Klimakatastrophe ist eine der größten Bedrohungen für uns Menschen, und es besteht kein Zweifel daran, dass der Klimawandel durch den Ausstoß von Treibhausgasen und somit von uns Menschen verursacht wird.

Nun weiß ich ja, dass hier im Hohen Haus einige nicht gern von Katastrophen sprechen wollen. Aber ich beschreibe, was Wissenschaftler prognostizieren, wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht erreichen oder gar die 2-Grad-Marke reißen. Dann entscheiden Sie bitte selbst, ob das eine Katastrophe ist.

Denn die Erhöhung der Erdtemperatur hat verheerende Folgen für uns Menschen, die wir in Ansätzen in den letzten Dürrejahren erahnen konnten. Das Eis der Pole und der Gletscher wird verschwinden und der Meeresspiegel steigt. Ganze Inselwelten und Küstenregionen drohen zu verschwinden. Nicht nur die fernen Malediven oder das mit Millionen von Menschen besiedelte Ganges-Delta sind betroffen, sondern auch vor unserer Haustür die Nordseeküste mit ihre Halligen oder Großstädte wie Hamburg.

Dürren werden sich weltweit ausbreiten und Hungersnöte entstehen lassen. Wenn Lebensraum verlorengeht und Hunger droht, dann machen sich die Menschen auf den Weg und es wird riesige Migrationsströme geben mit all den damit verbundenen Konflikten bis hin zu Kriegen.

In unserer Klimazone droht insbesondere bei uns im Osten eine Versteppung der Landschaft. In den letzten Dürrejahren sind Ernteerträge eingebrochen, Flüsse hatten Tiefststände, die Wasserversorgung ganzer Städte war nicht gesichert, ganze Wälder sind abgestorben, so wie auch viele Bäume in unseren Städten und Dörfern.

Und das ist nur ein fader Vorgeschmack auf das, was der Klimawandel mit sich bringen wird. Extremwetterereignisse häufen sich und bringen Zerstörungen, deren Folgekosten weit über dem liegen, was ein Umbau unserer Wirtschaft hin zur CO2-Neutralität kosten würde.

Warme Winter sichern das Überleben von gebietsfremden Insekten, die neue Krankheiten verbreiten. Hitzetote konnten in den vergangenen Sommern schon verzeichnet werden. Ganz neue Aufgaben kommen auf das Gesundheitssystem zu.

Meine Damen und Herren! Die Klimakatastrophe rüttelt an den Grundfesten unserer Gesellschaft und sie trifft zuerst die Armen, während sich das reiche 1 % der Menschen, das mehr besitzt als 99 % der Menschheit, vollkommen aus seiner Verantwortung herauszieht und vom Elend weiter profitieren will.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Bekämpfung des Klimawandels ist daher untrennbar mit der Frage nach sozialer Gerechtigkeit verbunden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Mit dem Pariser Abkommen ist Deutschland einen Vertrag eingegangen, der festschreibt, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, mindestens jedoch deutlich unter 2 °C zu halten. Noch einmal: Es ist ein Vertrag mit einer internationalen Verpflichtung, und die Aktivisten und Aktivistinnen von „Fridays for Future“ fordern nichts weiter, als diesen Vertrag einzuhalten. Dieser Bewegung kann man gar nicht genug dafür danken, dass das oftmals abstrakte Thema Klimaschutz so prononciert nach vorn gebracht wurde.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich weiß, was jetzt kommen wird. Der Minister wird charmant darum bitten abzuwarten, was sein Zukunfts- und Klimaschutzkongress ergibt,

(Frank Bommersbach, CDU: Warum fragen Sie dann erst noch?)

die Koalition wird darauf verweisen, und dann passiert lange nichts. Aber, meine Damen und Herren, diese Zeit haben wir nicht mehr.

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)

Ich habe beim letzten Mal, als wir einen solchen Antrag eingebracht haben, über das weltweite Restbudget gesprochen. Es gibt jetzt neue Berechnungen des Sachverständigenrates für Umweltfragen. Demnach stehen für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 % noch 2 Gt CO2 zur Verfügung; zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % sind es noch 3,1 Gt CO2 und für das 2-Grad-Ziel sind es noch 6,1 Gt. Diese Restbudgets sind wahlweise 2027, 2031 oder 2040 aufgebraucht, wenn wir den CO2-Ausstoß linear reduzieren. Deswegen ist keine Zeit mehr, meine Damen und Herren. Deswegen lassen Sie uns jetzt ein Restbudget für Sachsen-Anhalt festlegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Lassen Sie uns jede Maßnahme des Landes an seiner Klimabilanz messen. Lassen sie uns unsere LENA personell so ausstatten, dass sie die Bewertungsaufgaben übernehmen und weitere Vorschläge erarbeiten kann.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Lassen Sie uns offen, transparent und evidenzbasiert die Öffentlichkeit über Maßnahmen, Erfolge, aber auch Misserfolge bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe informieren. Und lassen Sie zu, dass den Kommunen die Fesseln genommen werden und dass sie dort, wo die Menschen leben, mit den Menschen zusammen Maßnahmen zum Klimaschutz umsetzen können, sei es die Verkehrswende oder die Schulsanierung.

Von einer Pflichtaufgabe versprechen wir uns, dass die Kommunen auch dann handeln können, wenn sie dafür Kredite brauchen, sodass eine energetische Schulsanierung nicht an der Ignoranz der Haushaltsgenehmigungsbehörden scheitert.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Für diese Pflichtaufgabe müssen das Land und der Bund die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen, damit diese Aufgabe eben nicht nur in die Kommunen abgeschoben wird.

DIE LINKE wäre nicht DIE LINKE, wenn sie nicht Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit verbinden würde.

(Lachen bei der CDU und bei der AfD)

Deshalb müssen alle Maßnahmen auch einem umfangreichen ehrlichen Sozialcheck unterzogen werden und die Landesregierung soll Vorschläge zum sozialen Ausgleich erarbeiten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber ich will schon jetzt dem Eindruck entgegenwirken, dass Klimaschutz immer nur mit Verzicht möglich ist und auf dem Rücken der Menschen mit geringen Einkommen erreicht werden kann. Richtig angegangen kann sogar das Gegenteil der Fall sein. Deswegen möchten wir den Sozialcheck.

Meine Damen und Herren! Zurzeit läuft ja noch die Klimakonferenz in Scharm El-Scheich. Sie zeigt auf, was weltweit passiert und wie ungleich die Lasten zum Nachteil des globalen Südens verteilt sind.

Jedem Menschen, dem die Folgen der Klimakatastrophe gewahr sind, müsste das kalte Grausen im Nacken sitzen. Antonio Guterres sagte: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle - mit dem Fuß auf dem Gaspedal.“

(Frank Bommersbach, CDU: Das stimmt!)

Wir wissen doch längst, dass wir handeln müssen und was zu tun ist. Also lassen Sie uns bitte anfangen, um den Klimawandel nicht zur Klimakatastrophe werden zu lassen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Olaf Meister, GRÜNE)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Lange, warten Sie mal. Es gibt noch eine Frage von Frau Frederking. Wollen Sie die beantworten? - Er will sie beantworten. - Frau Frederking, das gibt Ihnen die Gelegenheit, sie zu stellen. Sie denken daran, in einer Dreiminutendebatte haben Sie eine Minute Zeit für Ihre Frage. Danke.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Herr Lange, sie haben die soziale Gerechtigkeit in den Fokus gerückt. Ich möchte sie jetzt zum Thema Wirtschaft fragen. Teilen Sie mit mir die Einschätzung, dass Klimaschutz auch die Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft ist?


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Auf jeden Fall. Ich bin mir ganz sicher, dass Klimaschutz auch dazu führen wird, dass es ganz neue Wirtschaftsmodelle geben wird, dass wir uns auch angucken müssen, welche Technologien weiterentwickelt werden, und dass damit natürlich auch ein wirtschaftlicher Aufschwung mitgedacht werden kann.

Allerdings gehöre ich zu denjenigen, die durchaus kritisch auf das derzeitige Wirtschaftssystem blicken. Ich weiß, dass wir, wenn wir Ressourcen wirklich gerecht verteilen wollen, auch rationaler wirtschaften müssen. - Danke.

(Zustimmung bei der LINKEN - Ulrich Siegmund, AfD: Fangen Sie doch mal bei den LINKEN an!)