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Plenarsitzung

Transkript

Rüdiger Erben (SPD):

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich könnte man die Zitate, die die Frau Ministerin eben vorgetragen hat, stehen lassen, und es wäre zu der Debatte alles gesagt.

Herr Büttner, Sie haben sich hier bei Ihrer Einbringung zwar zehn Minuten lang mächtig aufgeplustert, aber Sie haben fast nichts zu Ihrem eigentlichen Antrag gesagt.

(Tobias Rausch, AfD: Das ist kein Antrag, sondern eine Aktuelle Debatte!)

Stattdessen malten Sie ein Bild, dass in unserem Land Menschen ins Visier von Nachrichtendiensten kommen würden, wenn sie die Regierung oder staatliche Institutionen kritisieren oder wenn sie demonstrieren gehen.

Ja, die verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates ist ein neuer Phänomenbereich. Doch das Wort „verfassungsschutzrelevant“ nuscheln Sie einfach weg und zeichnen hier ein total verlogenes Bild von der Arbeit des Verfassungsschutzes.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ich habe nicht genuschelt!)

Jetzt hören Sie genau zu: Es ist der gesetzliche Auftrag des Verfassungsschutzes, genau dorthin zu sehen, wo aus Skepsis gegenüber dem Verfassungsstaat dessen Bekämpfung wird. Genau das ist der Unterschied zwischen der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates und dem Umstand, dass Sie das einfach weglassen.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Mit dem Beginn der Coronapandemie und der Durchsetzung staatlicher Beschränkungsmaßnahmen zu ihrer Bekämpfung kam es in Deutschland zu einer breiten gesellschaftspolitischen Debatte und zu legitimen Protestaktionen. In einigen Fällen ging jedoch öffentlich geäußerte Meinung und Aktion über diesen legitimen Protest hinaus und überschritten die Grenze zu tatsächlichen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen; Frau Ministerin hat es eben vorgetragen.

Deswegen hat der Verfassungsschutz im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenstellung eben den neuen Phänomenbereich der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates eingerichtet. Die diesem Phänomenbereich zugeordneten Akteure zielen darauf ab, das Vertrauen in das staatliche System zu erschüttern und dessen Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen.

Sie versuchen, das zu erreichen, indem sie die demokratisch gewählten Repräsentanten des Staates verächtlich machen, staatlichen Institutionen und ihren Vertretern die Legitimität absprechen, zum Ignorieren gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen aufrufen, staatliche und öffentliche Institutionen mittels Sachbeschädigung sabotieren oder zu Widerstandshandlungen gegen die staatliche Ordnung aufrufen. Diese Verhaltensweisen stehen im Widerspruch zu elementaren Grundsätzen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips.

(Zuruf von Lothar Waehler, AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Protestszene ist ideologisch und organisatorisch äußerst heterogen. Verbindendes Element ist die kategorische Ablehnung der getroffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gewesen. Hieraus entwickelte sich zum Teil eine Protestszene, die auf einer fundamentalen Ablehnung der bestehenden staatlichen Ordnung und ihrer Institutionen basiert.

Zum Teil wird die Bundesrepublik - Sie haben es eben getan - mit dem diktatorischen Regime in der DDR oder sogar im Nationalsozialismus gleichgesetzt. Wie irre eine solche Argumentation ist, Herr Büttner,

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)

können Sie doch feststellen. Wenn es die von Ihnen behauptete Coronadiktatur jemals gegeben hätte, dann hätte niemand auch nur eine halbe Stunde irgendwo demonstriert. Er wäre im Knast gelandet, wenn es das gegeben hätte.

(Zustimmung bei der SPD - Lothar Waehler, AfD: Das ist doch passiert!)

In der Szene werden zudem Verschwörungstheorien verbreitet, in denen die fundamentale Ablehnung des Staates und seiner Repräsentanten zutage tritt. Diese Erzählungen bauen häufig auf antisemitischen Ressentiments auf. Damit wird die Brücke zu den Rechtsextremisten sowie zu den Reichsbürgern und Selbstverwaltern gebaut.

Ein Feindbild im Rahmen der verfassungsschutzrelevanten Aktionen ist die Polizei. Durch deren Schmähung als Vollzugsorgan einer wie auch von Ihnen immer wieder bezeichneten Coronadiktatur soll Gewalt gegen Polizeikräfte zum legitimen Widerstandsakt stilisiert und die Hemmschwelle hierfür sukzessive abgesenkt werden. Die so ausgelöste Eskalation der Proteste und das vorsätzliche Provozieren polizeilicher Repressionsmaßnahmen   dies ist hier in Magdeburg so passiert   sollten wiederholt das Bild eines rigoros agierenden Unrechtsstaates vermitteln und dann natürlich auch erhoffte Solidarisierungseffekte im Rest der Bevölkerung auslösen. Dies wurde insbesondere durch eine verzerrte Darstellung von Polizeieinsätzen - das ist auch hier im Landtag Thema gewesen   im Rahmen des Demonstrationsgeschehens bis hin zu einer bewussten Verbreitung von Falschmeldungen in den sozialen Medien und im Internet verstärkt.

(Zuruf von Lothar Waehler, AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Beginn der Pandemie sehen sich Politikerinnen und Politiker zunehmend Einschüchterungsversuchen und Bedrohungen ausgesetzt.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das sehen wir uns schon lange!)

Mit dem Halberstädter Oberbürgermeister Daniel Szarata war ein ehemaliges Mitglied dieses Hauses davon massiv betroffen. Es wurden „Hausbesuche“   das war ein Zitat   organisiert, die zeitweise gängige Praxis in der Szene waren. Statt der Wahrnehmung des Demonstrationsrechtes ging es den Teilnehmern solcher „Hausbesuche“ vornehmlich darum, gegenüber Politikerinnen und Politikern eine teils martialische Drohkulisse aufzubauen, bspw. durch das Verwenden von Fackeln und Trommeln sowie das Skandieren aggressiver Parolen vor deren Wohnhäusern. Zudem äußern sich Personen im Internet zustimmend zu Gewalt und Tötungsszenarien. Frau Ministerin hat hier soeben die entsprechenden Zitate kundgetan.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lange Zeit war die Coronapandemie das bestimmende Thema im Phänomenbereich der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates, der sich nunmehr auf neue und sich überlagernde Themen konzentrieren dürfte. Insbesondere gesellschaftliche Krisensituationen, etwa signifikante Einschränkungen im Zusammenhang mit Klimaschutzmaßnahmen oder eine wirtschaftliche Rezession infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, werden zunehmend instrumentalisiert,

(Oh! bei der AfD)

um Institutionen und Repräsentanten des Staates systematisch zu delegitimieren und das demokratische System insgesamt zu diskreditieren.

Ein Themenwechsel zeichnete sich schon im Juli 2021 nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal ab. Doch seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine ist es offensichtlich: Ein neues Agitationsthema steht im Vordergrund.

Es ist wahrlich kein Zufall, dass Sie von der AfD-Fraktion diese Debatte hier heute beantragt haben. Denn Ihr Ziel ist es ganz offensichtlich, die Arbeit der Verfassungsschutzbehörde gezielt zu diskreditieren,

(Lachen bei der AfD)

weil die AfD als parlamentarischer Arm des Rechtsextremismus berechtigt in den Blick der Nachrichtendienste geraten ist.

(Zuruf von der AfD: Ich lach mich tot!)

Folgendes Zitat war häufiger aus internen Kreisen der AfD zu hören: Je schlechter es Deutschland geht, desto besser ist es für die AfD.

(Christian Hecht, AfD: Ja, dafür sorgen Sie doch! - Weitere Zurufe von der AfD)

Das haben Sie schon während der Coronakrise gesagt, und jetzt hört man das aus Ihren Reihen, wenn es um die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine geht.

(Dr. Hans Thomas Tillschneider, AfD: Ja!)

Sie machen deutlich, wo die Leute sitzen, die hoffen, aus den Krisen Kapital zu schlagen. Wo für Sie   Herr Tillschneider, Sie stehen schon zielgerichtet bereit  

(Dr. Hans Thomas Tillschneider, AfD: Ja!)

die Trennlinie zwischen Freund und Feind liegt, hat Herr Tillschneider erst jüngst deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich zitiere aus seiner im Netz verfügbaren Rede vor dem Rathaus in Querfurt: Unsere Feinde sitzen nicht in Moskau, unsere Feinde sitzen in Magdeburg und Berlin.

Auch ansonsten hat man all das, was die AfD-Fraktion heute hier als Verschwörung des Verfassungsschutzes vorträgt, am letzten Samstag in Erfurt von Höcke, Bachmann, Kohlmann und Elsässer gehört. Damit schließt sich der Kreis. Der Verfassungsschutz widmet sich der AfD völlig zu Recht, wie auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Sachsen-Anhalt in einem Eilverfahren festgestellt hat. Er erfüllt seinen gesetzlichen Auftrag auch hinsichtlich der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt eine Intervention von Herrn Tillschneider. - Bitte, Sie haben das Wort.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Sie haben jetzt problematisiert, dass man von der Coronadiktatur spricht. Weshalb darf man nicht polemisieren? Natürlich sind wir keine Diktatur wie Nordkorea. Aber im politischen Diskurs übertreibt man doch auch manchmal. Man verwendet den Begriff „Diktatur“, um darauf aufmerksam zu machen, dass das alles in eine ungute Entwicklung mündet, dass es sich in Richtung einer Diktatur entwickelt.

(Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht - Dr. Katja Pähle, SPD: Nein! - Dr. Falko Grube, SPD: Alles nicht so gemeint! - Zuruf von Rüdiger Erben, SPD)

- Ja, ja. - Sie machen jetzt Folgendes: Sie wollen Ihren Kritikern vorschreiben, wie genau diese Sie kritisieren dürfen.

(Oh! bei der SPD - Sebastian Striegel, GRÜNE: Nö!)

Indem Sie das tun, zeigen Sie schon, dass Sie kein hundertprozentiger Demokrat mehr sind, sondern schon ein gutes Stück Weg in Richtung Diktatur gegangen sind.

(Oh! bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ironischerweise bestätigen Sie so selbst diesen Vorwurf.

(Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Jawohl!)

Zu der Rede in Querfurt will ich, da Sie das eingeworfen haben, jetzt noch anmerken: Falsch! Ich habe nicht gesagt, unsere Feinde sitzen in Magdeburg und in Berlin. Ich habe gesagt, unsere Feinde sitzen in Magdeburg, Berlin und Washington. - Vielen Dank.

(Lachen bei der AfD - Anne-Marie Keding, CDU: Das macht es nicht besser! - Dr. Katja Pähle, SPD: Das macht es jetzt nicht so viel besser!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wenn Sie wollen, können Sie reagieren.


Rüdiger Erben (SPD):

Herr Tillschneider, Sie sprechen das Thema Coronadiktatur und die Verwendung der Begrifflichkeit an. Wenn Sie meiner Rede gefolgt wären und nicht nur einzelne Begriffe aufgeschnappt hätten, dann hätten Sie feststellen müssen, dass ich den Begriff Coronadiktatur im Zusammenhang mit der Rede von Herrn Büttner verwendet habe, nämlich als er quasi eine Gleichstellung des politischen Strafrechts in der DDR mit den Vorschriften für den Verfassungsschutz und der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung    

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das ist Quatsch, was Sie erzählen!)

- Natürlich haben Sie das getan.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ich habe gesagt, das erinnert daran! Das ist keine Gleichstellung!)

Das war eine der wenigen Phasen, Herr Büttner,

(Dr. Falko Grube, SPD: Herr Büttner, Sie müssen mal verstehen, was man Ihnen aufschreibt!)

in der Sie überhaupt einmal zu Ihrem Antrag geredet haben. Die meiste Zeit haben Sie, das kann man feststellen, wenn man Ihren Antrag gelesen hat, überhaupt nicht zu selbigem gesprochen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Büttner, das ist der ganz typische Fall: Wenn Sie wollen, können Sie eine persönliche Erklärung vorbringen. Ansonsten sind wir hiermit fertig; denn zu Antworten auf Fragen soll bitte nicht noch nachfragt werden.