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Plenarsitzung

Transkript

Juliane Kleemann (SPD):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Am 31. Oktober dieses Jahres legte die Expertenkommission „Gas und Wärme“ ihren Abschlussbericht unter dem Titel „Sicher durch den Winter“ vor. Auf Seite 3 des Berichtes ist nachzulesen, worum es geht   ich zitiere  :

„Die Gaspreiskrise stellt die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor große und komplexe Herausforderungen. Sie verschärft die gegenwärtige Krisenbelastung, fordert die Bewältigungskapazität der Politik heraus und macht die Bedeutung gestärkter Krisenresilienz offensichtlich.“

Damit wurde in wenigen Worten und mit nur zwei Sätzen zusammengefasst, was unsere Situation ist. Seit dem 24. Februar 2022 sind insgesamt drei Entlastungspakete auf den Weg gebracht worden und die Umsetzungen sind in vollem Gange. Ja, das braucht Zeit. Es ist das eine, Maßnahmen zu beschließen, doch es ist etwas anderes, diese Maßnahmen umzusetzen. Das will gut administriert und mit den Akteurinnen und Akteuren in den Ämtern und Behörden, in den Stadtwerken und darüber hinaus auf den Weg gebracht werden. Ich finde Ungeduld an dieser Stelle nachvollziehbar, aber als politischen Leitfaden wenig bis nicht hilfreich.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Die Bundesregierung hat unter Aufbietung aller Kräfte Lösungen erarbeitet. In Art, Umfang und Geschwindigkeit ist das so noch nie da gewesen. Das zeigt, die Nöte und Sorgen der Menschen wurden verstanden. Ich bin, ehrlich gesagt, wirklich dankbar dafür, dass unsere Bundesregierung so handelt, auch wenn es mir an manchen Stellen etwas zu langsam geht. Besonnenheit und tragfähige Schritte sind mir lieber als Schnellschüsse.

Ja, bei dem einen oder anderen Thema gab es mehr Diskussionsbedarf. Ich finde das aber ganz normal in einer Krisensituation, die für alle Beteiligten neu ist. Ich finde es auch normal, dass man an einer Stelle auch einmal falsch abbiegt, aber es ist wichtig, den falschen Weg zu verlassen. Wir suchen in diesem Land nach den besten Lösungen und manchmal stellt sich ein erstmals eingeschlagener Weg eben als Sackgasse heraus.

Noch eines: Wir alle wissen doch aus unserer parlamentarischen Arbeit, dass solche Entscheidungen, wenn sie tragfähig sein sollen, nur mit Vernunft und auf der Grundlage des Rechts getroffen werden dürfen. Es scheint wohlfeil, in der Krise alles schlechtzureden, was seitens der Bundesregierung getan wird, wenn man nicht am Tisch der Regierung sitzt. Nur wird an dieser Stelle auch deutlich, dass diese Krise größer und anders ist als die anderen Krisen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Dennoch haben wir in kürzester Zeit drei Entlastungspakete beschlossen.

Ich möchte, auch wenn das der Minister vorhin schon einmal getan hat, noch einmal einige Entlastungen nennen. Ich finde, schon wenn man die Stichworte hört, merkt man, dass bereits viel passiert ist: Energiepreispauschale 300 € brutto, höherer Arbeitnehmerpauschbetrag, höherer Grundfreibetrag, steuerfreie Prämie bis zu 3 000 €, Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommen, volle Absetzbarkeit der Rentenbeiträge ab dem 1. Januar 2023, 100 € Bonus pro Kind ausgezahlt, mehr Kindergeld, höherer Kinderzuschlag, Senkung der Umsatzsteuer auf Gas ab Oktober 2022 bis März 2024, Soforthilfe im Dezember, Gaspreisbremse.

Es wird zudem einen Härtefallfonds für Heizöl- und Pelletnutzerinnen sowie alle anderen geben, die im Notfall ihre Energierechnung nicht bezahlen können. Es wird einen Schutz für Mieterinnen vor Gassperren geben, eine Strompreisbremse ab Januar 2023, das Deutschlandticket für den ÖPNV. Es wird keine CO2-Preiserhöhung geben, die EEG-Umlage wurde gestrichen. Auch der Mindestlohn, der seit Oktober 2022 gilt, ist an dieser Stelle nicht zu vergessen.

Die Formulierung im Antrag der LINKEN, dass Entlastungspakete nur angekündigt worden seien, ist schlichtweg verkehrt.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich finde, diese Formulierung ist ein Schlag gegen alle, die sich nächtelang um Lösungen bemühen, die am Ende auch Bestand haben können. Der spanische Strompreisdeckel   Sie erwähnen ihn in der Begründung zu dem Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Debatte   ist eben   der Minister hat das vorhin ausführlich dargestellt   auch nicht die beste Lösung. Wir müssen eine europäische Lösung finden, die Europa beieinander hält, und wir brauchen keine Einzellösung. Wir haben die Kritik an unserem 200 Milliarden €-Paket schon hinlänglich gehört und wissen auch, dass durchaus etwas daran ist.

Perspektivisch ist eine Neuaufstellung der Berechnung der Energiepreise nötig. Diese Neuberechnung darf eben nicht den Faktor Gas so beinhalten, dass an ihm eine sinnvolle und erzeugerpreisorientierte Preisgestaltung scheitert. Es ist schlicht und ergreifend absurd, dass es billigeren Strom aus Erneuerbaren gibt, dieser aber nicht billiger verkauft werden kann, weil das Gas teuer ist. Ich nehme diese Regel zur Kenntnis, vermag ihren Sinn aber immer weniger zu verstehen.

Es ist leider eine Last der Vergangenheit, dass unser Netzausbau stagniert und so der grüne Strom nicht vollumfänglich genutzt werden kann. Dass wir Wind- und Solarstrom herabregeln, ist ein Problem. Dass wir dafür schnelle Lösungen brauchen, sollte, wie ich finde, unbestritten sein. Der Netzausbau ist dabei ein Aspekt, aber auch die verstärkte ortsnahe Nutzung ist relevant und ausbaufähig.

Ich will aber noch auf einen anderen Aspekt eingehen. Unser Land und auch der gesamte Kontinent müssen krisenresilient werden. Das verlangt aus meiner Sicht, dass wir als politische Akteure - Kollege Silbersack hat darauf schon hingewiesen - klar und deutlich sagen, was die Herausforderungen sind, welche Lösungen wir sehen, wo die Probleme liegen, wo wir unterschiedlicher Meinung sind, aber dennoch entsprechend zielorientiert handeln, und zwar nach Möglichkeit nicht so, dass wir Konfliktlinien verschärfen, sondern dass wir nach Kompromissen suchen. Das verlangt, sich gemeinsam unterzuhaken und bei den wirklich relevanten Zukunftsfragen zusammenzuarbeiten und nicht gegeneinander, und das verlangt - ich nehme zur Kenntnis, dass das im politische Raum offensichtlich eine sehr schwierige Lernaufgabe ist - Fehlerfreundlichkeit und Kooperation.

Die altbekannten Reflexe zu sagen, dass das alles nicht reiche, helfen einer Gesellschaft nicht, krisenfest zu werden. Wir erleben einen Markt, auf dem sich auch diejenigen tummeln, die aus der Krise über die Maßen gewinnen. Wir erleben aber auch eine Politik, die bereit ist, teilweise in den Markt einzugreifen. Um hier die Ausgewogenheit wiederherzustellen, braucht es kooperative Lösungsansätze, die ich in der Arbeit und in den Ergebnissen der Expertenkommission sehe. Die Regierung in Berlin handelt so, dass es nicht nur geschrieben und gesagt ist, sondern sie handelt, indem es auch umgesetzt wird, erlebt werden kann und längerfristig tragfähig ist.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist für mich eine Politik, die versucht, eine Gesellschaft krisenfest, krisenresilient zu machen, und das ist nicht mal eben mit einem Entlastungspaket getan. Dieses Thema wird uns nicht nur in diesem Herbst, sondern über Jahre hinaus beschäftigen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD - Ulrich Siegmund, AfD: Wer soll das bezahlen?)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Kleemann. Es gibt eine Intervention von Herrn Gallert und eine Frage von Herrn Feuerborn, wenn Sie diese zulassen. Sie können es sich noch überlegen. Aber jetzt erst einmal die Intervention von Herrn Gallert.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Frau Kleemann, ich möchte auf einen Satz von Ihnen reagieren. Die permanenten Rufe „Das reicht alles nicht“ helfen uns nicht weiter. - Dazu sage ich: Ich kenne niemanden, der immer nur sagt: „Das reicht alles nicht“. Das, was wir hier vorgestellt haben, war eine ausgesprochen differenzierte Position. Wir sagen ganz deutlich: Einer der zentralen Kritikpunkte, die wir an die Ampelregierung richten, ist: Das ist viel zu viel, nämlich an der Stelle, wo die preisverminderten Kontingente nicht nach der Personenzahl gedeckelt werden, sondern nach oben offen sind, und zwar egal, wie hoch der Verbrauch vorher gewesen ist. Es gibt gerade heute wieder eine Studie des IMK dazu, dass eine solche Preisdeckelung sehr wohl vernünftig, schnell einsetzbar und möglich ist. Unsere Kritik ist, dass die Ampelregierung das nicht macht und sinnlos Steuergelder verschwendet. Das, Frau Kleemann, ist unser Problem.

(Zustimmung bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Kleemann, wollen Sie darauf reagieren? - Sie möchte nicht darauf reagieren. Lassen Sie die Frage von Herrn Feuerborn zu? - Herr Feuerborn, bitte.


Olaf Feuerborn (CDU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Kleemann, Sie haben vorhin ausgeführt, Sie fänden es richtig, dass die Pauschale in Höhe von 3 000 € für jeden Arbeitnehmer von den Arbeitgebern bezahlt wird. Halten Sie es für richtig, dass ein mittelständischer Unternehmer, der heute schon Liquiditätsprobleme hat und nicht weiß, wie er über die Runden kommen soll, seinen Mitarbeitern jetzt 3 000 € auszahlen soll? Der Mitarbeiter steht da und sagt: „Ihr könnt das doch machen! Warum macht ihr das jetzt nicht?“ Wenn du diesem Mitarbeiter dann erklärst, dass das aus Liquiditätsgründen nicht möglich ist, dann ist das ein falsches Versprechen. Wir treiben die mittelständischen Unternehmer in die Krise und verschärfen es noch einmal. Von daher halte ich das, was Sie vorhin ausgeführt haben, für einen riesigen Fehler.

(Zustimmung bei der CDU)


Juliane Kleemann (SPD):

In der Beschreibung genau dieses Punktes heißt es: so der Arbeitgeber dazu in der Lage ist. An dieser Stelle wird deutlich, dass es Kommunikation, Gespräche braucht. Es wäre eine Möglichkeit, dies entweder wahrzunehmen oder dies nicht wahrnehmen, weil es wirtschaftlich nicht funktioniert. Ich glaube, das ist wirklich ein Punkt, bei dem wir deutlich machen müssen, dass Dinge für manche funktionieren, aber für andere nicht funktionieren. Wir können an der Stelle nicht alle gleichbehandeln, weil es nicht gleiche Voraussetzungen gibt. Das ist das Problem in dieser Krisensituation. Ich finde, es gehört zur Redlichkeit dazu, das ehrlich zu benennen. Ich ahne, dass diejenigen, die es betrifft, das nicht toll finden - das ist auch völlig klar und nachvollziehbar  , aber ich finde es trotzdem richtig, diese Möglichkeit zu eröffnen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Feuerborn, kurz bitte.


Olaf Feuerborn (CDU):

Frau Kleemann, vielen Dank. Das führt doch aber zu einer Spaltung der Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der CDU: Genau!)

Der VW-Arbeiter bekommt diese 3 000 €, aber der Mitarbeiter in der Bäckerei, in der Schlosserei oder in der Fleischerei hat gar keine Chance, dieses Geld zu bekommen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD - Tobias Rausch, AfD: Genau so ist es!


Juliane Kleemann (SPD):

Es führt dann zu einer Spaltung der Gesellschaft, wenn man das permanent als Spaltungsargument hernimmt. Ich glaube, das kann man hochkochen. Man kann es aber auch anders behandeln.

(Tobias Rausch, AfD: Das ist ein Benennen von Fakten und kein Hochkochen!)

Ich bin dafür, es anders zu behandeln.