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Plenarsitzung

Transkript

Nicole Anger (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Rede der Ministerin muss man sich die Frage stellen, warum der Antrag jetzt erst kommt oder warum er gerade jetzt kommt.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Ja klar, wir brauchen diesen Flächenfaktor. Nur hat es neun Jahre gedauert, bis man in der Koalition zu dieser Einsicht kam.

(Beifall bei der LINKEN - Sandra Hietel-Heuer, CDU: Was, neun Jahre lang? - Zuruf von Tobias Krull, CDU)

- Seit 2013. - Nun gut, wir haben heute einen recht unkonkreten Antrag, aber bei diesem muss es ja nicht bleiben. Ich habe Ihnen diesen gern etwas qualifiziert und für meine Fraktion einen Alternativantrag vorgelegt. Denn das Thema ist uns allen einfach zu wichtig.

„Mein JA! zur Jugend“ - das war eine landesweite Kampagne des Kinder- und Jugendringes Sachsen-Anhalt im Jahr 2013. Damals hat die Koalition nämlich entschieden, die Jugendpauschale und das Fachkräfteprogramm in § 31 des Ausführungsgesetzes zusammenzulegen und gleichzeitig stark zu kürzen. Summiert man die Kürzung, die Inflationsrate und ausgebliebene Tarifsteigerungen, dann fehlen heute mehr als 8,5 Millionen € für die örtliche Jugendarbeit. Dabei hat auch der im Jahr 2020 eingeführte Inflationsausgleich von 2 % keine Verbesserung bewirkt.

Die Auswirkungen haben die Verbände und Vereine Ihnen damals aufgezeigt. Mit der Zusammenlegung der Programme, die im Grunde genommen inhaltlich richtig war, kam es nicht nur zu einer Reduktion der Fördersumme, sondern auch zu der Neuverteilung der Mittel zu Ungunsten der Landkreise. Neun Jahre später versuchen Sie jetzt in der Koalition etwas zu kitten, was der Großteil von Ihnen seit Jahren verstetigt hat. Ihr Antrag zeigt aber auch, dass Sie endlich feststellen, dass es eben nicht gut war, wie Sie verfahren sind. - Immerhin.

(Beifall bei der LINKEN)

In den Landkreisen brechen uns seit Jahren die Strukturen weg. Der Kinder- und Jugendring hat mit seiner Petition 2019 deutlich darauf hingewiesen. Umgesetzt wurde von dieser Petition aber nicht viel.

Die Situation der Jugendarbeit in den Landkreisen hat sich in den letzten Jahren drastisch verschlechtert. Einrichtungen wurden geschlossen. Ihre Anzahl hat sich bspw. im Jerichower Land halbiert. Daher brauchen wir nicht nur einen Flächenfaktor. Die Jugendarbeit vor Ort braucht dringend eine deutliche Verbesserung der Fördersumme.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ich dem Kollegen Pott richtig zugehört habe, bringt er hier die Förderrichtlinie Jugendbildung und die Förderung nach § 31 KJHG der örtlichen Jugendarbeit durcheinander. Bei dem, was da wahrscheinlich schon wieder geplant wird, wird mir schon ein bisschen angst und bange.

Wir brauchen Investitionen für die Einrichtungen und angemessene Tarife für die Fachkräfte. Letztere sind zurzeit noch immer nicht flächendeckend sichergestellt. Kostensteigerungen, meine Damen und Herren, müssen seit Jahren durch die Träger selbst gestemmt werden.

Nur noch einmal der Hinweis: Wir reden hier über die offene Jugendarbeit, die für alle jungen Menschen, ohne Eintrittsgelder für den Jugendklub, ohne Teilnehmerbeiträge für Treffen, zugänglich ist. Die Träger sind nicht in der Lage, diese Defizite über Eigenmittel zu kompensieren.

Wir brauchen den verstärkten Blick auf die ländlichen Regionen. Bis dato ist es so, dass in den Orten, wo die Anzahl der Kinder und Jugendlichen schrumpft, die Landesmittel der Jugendarbeit entsprechend reduziert werden, weil sie eben noch pro Kopf fließen.

Wie wir aus einem Arbeitsentwurf aus dem Sozialministerium zum Ausführungsgesetz wissen, sind für die elf Landkreise für das kommende Jahr nun 366 000 € mehr eingeplant. Das macht pro Landkreis etwa 33 300 €, quasi eine halbe Stelle. Diese halbe Stelle wird aber nicht kommen, in keinem Landkreis. Die Mittel werden nämlich dringend benötigt, um die nicht ausgeglichenen Tarife der letzten Jahre, die Inflationssteigerungen, Investitionen oder auch steigende Energiepreise auszugleichen. Deswegen fordern wir eine Erhöhung um mindestens 4,5 Millionen €, um die örtliche Jugendarbeit effektiv zu stärken und zu unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich vermisse in Ihrem Antrag eine klare Idee dafür, wie Sie diesen Flächenfaktor anwenden wollen. Zum Glück hat die Ministerin dazu ein bisschen ausgeführt. Meine Fraktion und ich haben uns erlaubt, Ihnen ein konkretes Modell für einen Flächenfaktor vorzulegen. Da wir bekanntermaßen für Solidarität stehen, können Sie sich sicher sein, dass dies ein solidarisches Modell ist. Haben Sie also keine Scheu, es anzuwenden. Die Landkreise werden es Ihnen danken.

Ich sage Ihnen noch etwas: Ihre andauernden Überlegungen, § 31 Ausführungsgesetz für die anteilige Kofinanzierung der Schulsozialarbeit zu öffnen, wird nicht nur diesen Flächenfaktor ad absurdum führen. Er wird die Landkreise und die kreisfreien Städte vor die Entscheidung stellen, Jugendarbeit vor Ort fortzuführen oder Schulsozialarbeit gegenzufinanzieren.

Hier gilt es zwingend, wie schon im SGB VIII vorgegeben, einen eigenen Paragrafen zu schaffen, der auch eigenständig mit Mitteln untersetzt wird. Die Landkreise werden sonst durch Sie gezwungen werden, sich zwischen zwei Leistungen der Jugendhilfe zu entscheiden, eben zwischen Jugendarbeit und Schulsozialarbeit. Im Interesse der jungen Menschen und der Aussage von Herrn Pott folgend, solide Jugendarbeit schaffen zu wollen, sollten Sie es nicht soweit kommen lassen.

Wir haben die genannten Punkte gern in unserem Alternativantrag aufgegriffen. Wir denken, dass Sie die Chance nutzen sollten, diesem Antrag zuzustimmen. Oder noch besser: Lassen Sie uns darüber noch einmal im Sozialausschuss debattieren, und zwar fachlich debattieren; alles andere wäre nur Makulatur. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Anger, es gibt eine Frage von Herrn Teßmann. Wollen Sie die beantworten?


Nicole Anger (DIE LINKE):

Ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Ja, sie will sie beantworten. - Deshalb haben Sie die Gelegenheit, sie zu stellen. Herr Teßmann, Sie haben das Wort.


Tim Teßmann (CDU):

Ich habe mir Ihren Antrag natürlich ganz genau durchgelesen. Meine erste Frage ist: Wie kommen Sie auf die Summen? Gibt es dafür irgendwelche Hintergründe?

Die zweite Frage: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass im ländlichen Raum nicht alles mit Geld geregelt werden kann, sondern wir gerade im ländlichen Raum auf viele Ehrenamtliche angewiesen sind, die vor Ort Jugendklubs in den kleinsten Gemeinden leiten und dass dafür nicht noch andere Anreize geschaffen werden müssten? - Danke.

(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Ja! - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben das Wort.


Nicole Anger (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Teßmann, für die Frage. Das gibt mir Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass das keine Summen sind, die ich mir ausgedacht habe. Das sind die Bedarfe, die der Kinder- und Jugendring bereits vor drei Jahren mit der Petition angemeldet hat, und die schon seit Jahren fehlen.

Ich hatte ja gesagt, 2013 gab es eine enorme Reduktion der Programme und wir haben nach neun Jahren ein Defizit, das es auszugleichen gilt. Der Kinder- und Jugendring spricht mittlerweile von über 8 Millionen €. Damit sind wir mit unserer Forderung von 4,5 Millionen € noch weit unter dem, was tatsächlich gebraucht wird.

Ja, wir haben in der Jugendverbandsarbeit sehr viele ehrenamtlich tätige Menschen. Das ist auch ein riesengroßer Schatz für die Strukturen und für die jungen Menschen, aber Ehrenamt kann nicht ohne Hauptamt. Bei dem ganzen Bürokratismus, der mittlerweile an den Förderverträgen hängt, ist es umso wichtiger, dass wir ein gestärktes Hauptamt haben, das die ganzen Sachen im Förderprozess unterstützen kann. Aber auch für die jungen Menschen vor Ort sind es wichtige Beziehungspartner*innen, die zur Verfügung stehen und nicht andauernd wechseln. Damit haben die jungen Menschen konsequent Ansprechpartner*innen,

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

an die sie sich wenden können.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Insofern bin ich dafür, dass wir auch die Fachkräfte der Sozialarbeit weiterhin für die Jugendarbeit stärken und auch entsprechend tarifgerecht entlohnen.