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Plenarsitzung

Transkript

Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Guten Tag, meine Damen und Herren. Wir starten jetzt mit dem 


Tagesordnungspunkt 16

Aktuelle Debatte

Mindestlohn, Großansiedlungen, Zukunftsinvestitionen - neue Chancen für gute Einkommen und qualifizierte Arbeit in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion SPD - Drs. 8/1307


Vorstellen wird diesen Antrag zunächst Frau Dr. Pähle und dann Herr Dr. Falko Grube. Jedenfalls wurde mir annonciert, dass Sie das teilen möchten.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Das ist auch so!)

Frau Dr. Pähle, bitte.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Hohes Haus! Als das Bundeskabinett heute vor genau vier Monaten den Gesetzentwurf zur Erhöhung des Mindestlohns beschloss, führte der erste Weg des Bundesministers gleich nach Sachsen-Anhalt. In einem Backshop in der Julius-Bremer-Straße in Wolmirstedt diskutierte Hubertus Heil mit den Verkäuferinnen darüber, was ein Mindestlohn von 12 € für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen in vielen Branchen bedeutet. 

Dieses Reiseziel war natürlich kein Zufall. Sachsen-Anhalt gewinnt in ganz besonderem Maße von der Anhebung des Mindestlohns, die Olaf Scholz schon im Bundestagswahlkampf angekündigt hat. Eigentlich ist das, was da passiert, ein Teil der Antwort auf die Debatte, die wir gerade geführt haben.

(Beifall bei der SPD)

Mehr als 215 000 Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter und ihre Familien profitieren von 12 € Mindestlohn, davon 157 000 Vollzeitbeschäftigte. Das ist ein wichtiger Fortschritt in unserem Land, und zwar weit über die unmittelbar Betroffenen hinaus.

Wer am unteren Ende der Lohnskala arbeitet, erhält ab dem 1. Oktober 2022 einen Lohnzuwachs von 2,40 € pro Stunde. Das ist eine Steigerung um 22 %. Für Sachsen-Anhalt heißt das mehr Kaufkraft für viele Familien und damit einen Gewinn für unsere Wirtschaft.

Der höhere gesetzliche Mindestlohn ist zugleich ein Signal an die Arbeitgeber. Wer seine Beschäftigten und ihre Leistung wertschätzt, der zahlt ihnen mehr als das Minimum. Der neue gesetzliche Mindestlohn liegt in mehreren Fällen über den von den Tarifpartnern vereinbarten und vom Staat für allgemein verbindlich erklärten Branchenmindestlohn. Das gilt z. B. für die Abfallwirtschaft und für Ungelernte im Maler- und Lackierhandwerk. Langfristig muss es um das Ziel gehen, das Minister Heil in Wolmirstedt so formulierte: Wir müssen die unteren an die mittleren Löhne heranführen; denn nur so können die Beschäftigten in diesem Bereich dauerhaft von ihrer Arbeit und später von Ihrer Rente leben. Denn eines ist ganz klar: 12 € pro Stunde, das ist noch lange kein gutes Einkommen. Der gesetzliche Mindestlohn ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein staatlicher Schutz vor Lohndumping. Diesen Schutz haben wir jetzt auf ein neues Niveau gehoben. 

Perspektivisch - man kann das nicht oft genug sagen - muss es aber um mehr gehen als nur einen soliden Mindestlohn. Perspektivisch geht es um tarifgebundene und sichere Beschäftigung und um das Prinzip „Gutes Geld für gute Arbeit“.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist das jetzt im Landtag diskutierte Tariftreue- und Vergabegesetz so wichtig.

(Beifall bei der SPD)

In den letzten 20 Jahren haben sich Ost- und Westdeutschland bei der Tarifbindung einander angenähert, aber im negativen Sinn. Der Anteil der tarifgebundenen Beschäftigten sank in Westdeutschland noch schneller als im Osten. 53 % der Arbeitnehmer*innen waren im Jahr 2020 im Westen in tarifgebundener Beschäftigung, 43 % im Osten. Im Jahr 2000 waren es noch 70 % im Westen und 55 % im Osten. Das ist eine dramatische Entwicklung, der entgegengesteuert werden muss. Dafür ist eine markante Anhebung der staatlich garantierten Lohnuntergrenze ein wichtiges Signal.

Ich bin froh darüber, dass das Gesetz den Bundesrat ohne Einwände passiert hat. Im Bundestag hat die CDU/CSU noch elegante Wendungen hingelegt. Vor der NRW-Wahl waren 12 € Mindestlohn zu wenig. Danach waren Sie plötzlich Teufelszeug. Schließlich gab es bei dieser entscheidenden Willensbildung für unser Land im Bundestag eine machtvolle Enthaltung. Im Vergleich dazu war es ein gutes Zeichen gerade für die Menschen in Ostdeutschland, dass im Bundesrat auf ein solches Geplänkel verzichtet wurde - ich bin den Kolleginnen und Kollegen an dieser Stelle dafür auch sehr dankbar - und es keine Einwände gegen das Gesetz gab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines darf jetzt nicht passieren: Die Steigerungen beim Mindestlohn dürfen nicht von weiter wachsender Inflation aufgefressen werden. Deshalb sind weitere Entlastungsschritte, wie sie die Bundesregierung bereits angekündigt hat, sehr wichtig.

Ebenso wichtig sind entschlossene Maßnahmen gegen Preisabsprachen; das haben wir gerade schon debattiert.

Meine Damen und Herren! Der Mindestlohn ist bei Weitem nicht der einzige Ansatz für eine bessere, stärkere Einkommensstruktur in Sachsen-Anhalt. Nichts trägt mehr dazu bei als die Neuansiedlung von Unternehmen, die in erheblicher Größenordnung qualifizierte Arbeit nachfragen und entsprechend bezahlen. Das Investitionsvorhaben von Intel für Magdeburg wird den Arbeitsmarkt auch in dieser Hinsicht entscheidend verändern. Der hohe Bedarf an qualifizierter Beschäftigung stärkt die Position der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist gut so.

Mein Kollege Falko Grube wird auf die Bedeutung für die Region Magdeburg noch näher eingehen. Ich will an dieser Stelle aufgreifen, was der Ministerpräsident im Anschluss an die Kabinettssitzung mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung Karsten Schneider gesagt hat. Laut „Mitteldeutscher Zeitung“ wies der Ministerpräsident darauf hin, dass allein für den Erhalt des Status quo Zehntausende von Arbeitskräften zuwandern müssen, sowohl aus anderen Ländern als auch aus dem Ausland. - Recht hat er. Auch das wird Sachsen-Anhalt stärker machen. Dann, hoffe ich, setzt sich der Ministerpräsident auch an die Spitze, wenn es darum geht, die notwendige Willkommenskultur in unserem Land zu schaffen. Ich glaube tatsächlich, hier ist noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Was wir ebenfalls nicht unterschätzen sollten, ist die Bedeutung der Energiewende für den Arbeitsmarkt. Der Investitionsbedarf bei erneuerbaren Energien, bei Energieeinsparungen, Antrieben wird auf lange Zeit für hohe Nachfrage sorgen.

Hier sind es vor allem die Handwerksbetriebe, die das Zeug haben, als Jobmotor zu fungieren. Aber auch hier gilt, dass Handwerk und Mittelstand neue Ideen und Profite im Wettbewerb um qualifizierte Arbeit brauchen. Wir wollen sie dabei gern unterstützen.

Die Zeiten, die denen Menschen für jede Art von Job dankbar waren, sind endgültig vorbei. Die Zeiten, in denen Frauen nur dazuverdienten, ebenfalls. Aber: Die neuen Zeiten bieten große Chancen für alle Beteiligten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. Genau wie angekündigt machen Sie den Break, sodass Herr Dr. Grube jetzt den zweiten Part übernimmt. Bitte.

(Zuruf: Halt! - Dr. Falko Grube, SPD: Es gab eine Nachfrage!)

- Herr Staudt hat eine Nachfrage. Direkt zu Frau Dr. Pähle? - Gut. Dann machen wir das, wenn Sie einverstanden sind und das zulassen, Frau Dr. Pähle. Ich hatte mich jetzt auf das Ende der ganzen Antragstellung eingestellt. Aber: Gern auch so.


Thomas Staudt (CDU): 

Sehr geehrte Frau Dr. Pähle, eine Frage. Welche Aufgabe hat aus Ihrer Sicht die Mindestlohn-Kommission in der Zukunft bei der Festlegung des gesetzlichen Mindestlohns? Im Moment ist sie ja ausgesetzt und die Bundesregierung ignoriert hierbei aus meiner Sicht die Kommission, die aus Arbeitgeber, Arbeitnehmern und Experten zusammengesetzt ist. Expertenkommissionen haben wir schon viel gehabt. 

Meine Frage ist: Welche Aufgabe hat denn die Kommission, die mit großem Tamtam existiert oder ins Leben gerufen wurde? Denn im Moment tagt sie erst wieder im nächsten Jahr. - Danke.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Dr. Pähle, bitte.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank. - Vielen Dank auch für die Frage. Eigentlich haben Sie Ihre Frage gerade selbst schon beantwortet. Die Kommission wird ihre Arbeit wieder aufnehmen. Das, was gerade auf der Bundesebene passiert ist - das ist auf der Bundesebene in Berlin genau so verabredet worden  , ist ein einmaliges gesetzliches Eingreifen, um den Mindestlohn auf eine Ebene zu heben, dass es in der aktuellen Situation ein Mindestlohn ist, mit dem man im Monat über die Runden kommt und der aktuell Armut sichernd im Alter ist.

Aber die Kommission, wie sie eingesetzt ist, mit Vertretern auf der Arbeitnehmer- wie auf der Arbeitgeberseite, also den Sozialpartnern, wird danach wieder ihre Aufgabe übernehmen und die Steigerungsraten des Mindestlohns werden dann in dieser Kommission beraten und festgelegt.

(Beifall bei der SPD)