Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 28

Aktuelle Debatte

Schlimmste Dürre seit 250 Jahren in Sachsen-Anhalt - Wie reagiert das Land?

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/1308


Die Redezeit beträgt je Fraktionen zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wurde die folgende Reihenfolge vereinbart: GRÜNE, CDU, AfD, FDP, DIE LINKE und SPD.

Zunächst hatte für die Antragstellerin für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Mitglied des Landtages Herr Wolfgang Aldag das Wort. Ich sehe, es hat sich offensichtlich verändert. Frau Frederking kommt für die Fraktion nach vorn. - Bitte sehr.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich erinnere noch einmal kurz an meinen Hinweis von gestern, was die Rednerliste betrifft. Danke. - Frau Frederking, Sie haben das Wort.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Abgeordnete! Auch in diesem Jahr hat uns die Trockenheit fest im Griff. Seit dem Jahr 2018 haben wir als Folge der Klimakrise mit diesem Extrem zu kämpfen. Ernteausfälle in der Landwirtschaft, das Trockenfallen von Dorfteichen und kleineren Fließgewässern, Flüsse mit extremem Niedrigwasser - all das ist leider zu beklagen.

Bereits in den Jahren 2018 und 2019 wurden Stimmen laut, die vorschlugen, darüber nachzudenken, wie wir in Zukunft mit der knapper werdenden Ressource Wasser umgehen, wie wir Wasser gerecht verteilen können. Klar war schon damals, dass die längerfristigen Szenarien auf ein Ansteigen der Temperaturen und eine Abnahme der Niederschläge im Sommer hinweisen.

Obwohl es in den Jahren 2020 und 2021 eine kleine Entspannung gab, gab es keine Entwarnung. Und auch bei diesen beiden Jahren spricht man von Dürrejahren. Das Frühjahr 2022, also jetzt aktuell, wird zu einem neuen Extrem. Es gehört nach Angaben des Landesumweltamtes zu den drei niederschlagsärmsten seit dem Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881.

Noch nie waren die Temperaturen so hoch wie im März. Und die Rekorde gehen weiter. Mit 38,4°C, gemessen in Jessen, gab es noch nie einen 18. Juni, der so heiß war wie in diesem Jahr. Andreas Marx vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ordnet diese Trockenheit, die seit dem Jahr 2018 zu verzeichnen ist, als außergewöhnliches Ereignis ein. Warum? Er hat sich das letzte Vierteljahrhundert unter dem Aspekt angeschaut, auch in Europa, ob es so etwas schon einmal in Mitteleuropa gab. Und das gab es nicht.

Kurzum: Mit dem Rückblick, der uns möglich ist, auf die letzten 250 Jahre stellen wir fest, dass wir uns in der schlimmsten Trockenheit befinden. Aufgrund des globalen Temperaturanstiegs kann auch nicht angenommen werden, dass dieser Zustand irreversibel ist, zumindest nicht bis auf Weiteres. Wir sind also jetzt gefordert, dafür zu sorgen, dass wir alles tun, damit es nicht noch schlimmer wird. Der Zustand, den wir haben, wird in den nächsten Jahrzehnten nicht reversibel sein. Genau so ist es, nicht reversibel.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Sie haben irreversibel gesagt, werte Kollegin!)

- Ja. - Was heißt das jetzt? Der Deutsche Wetterdienst guckt natürlich auch in die Zukunft. Er hat vor wenigen Wochen noch einmal prognostiziert, wie es im Jahr 2028 aussehen wird, wenn es so weitergeht. Also: Die Temperaturen werden noch weiter steigen. Es wird noch trockener werden. Aber wie sollen die Menschen das aushalten? Wie sollen die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft das aushalten? Wie sollen die Bäume das aushalten? Wie wird unsere Ernährung gesichert? Welche Freiheiten haben die Menschen dann noch? Vor welchen Entscheidungen werden sie stehen und was wird existenziell sein?

Also uns ist es ja möglich, in die Zukunft zu schauen. Das können wir ja. Deshalb jetzt handeln, damit es nicht noch schlimmer wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wie sieht es aus, auch bezüglich der Flüsse? Das Landesumweltamt warnt auch von dem Beginn einer hydrologischen Dürre, also einer Dürre, die länger als länger vier Monate anhält. Die Folge wäre, dass die Pegel der Flüsse, Seen und Talsperren unter ihre langjährigen Werte fallen würden.

(Zuruf von der AfD: Das ist spekulativ!)

Wir haben weniger Regen und mehr Verdunstung. Der Boden hat eine negative Wasserbilanz. Es fehlen durchschnittlich 100 bis 150 l pro m2. Die Grundwasserstände im Land sind im Mittelwert auch bereits um einen halben Meter gefallen. Eine dauerhafte Veränderung des Landschaftsbildes ist zu befürchten. In Bezug auf die Altmark spricht man von einer Versteppung.

Bereits im letzten November hatte der Wasserverbandstag uns Abgeordneten und auch dem Minister einige Hausaufgaben mitgegeben. Die Rede war von einem integrierten Wassermanagement und vom Vorrang der Trinkwasserversorgung, verankert im Wassergesetz des Landes. Alle, die vor Ort waren, allen voran Herr Minister Willingmann, der heute nicht da ist, und die Kolleginnen und Kollegen der Koalition, haben versprochen, hier aktiv zu werden.

Aber außer Ankündigungen und Willensbekundungen können wir nichts Sichtbares wahrnehmen. Unser Antrag zur Änderung des Wassergesetzes, den wir im Februar dieses Jahres gestellt haben, wurde einfach weggestimmt. Der wurde nicht einmal in den Ausschuss überwiesen. Das wurde mit dem Satz begründet: Wir entscheiden selbst, wann wir das Wassergesetz novellieren wollen.

Aber es wäre ganz wichtig, darüber im Ausschuss zu beraten und gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, sodass es den Unterhaltungsverbänden möglich werden würde, und zwar jetzt, das Wasser bedarfsgerecht in der Fläche zu halten und nicht einfach in die Nordsee ableiten zu müssen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine herzliche Bitte an die Landesregierung ist: Helfen Sie den Menschen und helfen Sie auch der Land- und Forstwirtschaft. Bitte ändern sie § 52 des Wassergesetzes ganz schnell. Bei dieser Trockenheit können wir es uns nämlich nicht mehr leisten zu warten. Bitte handeln Sie jetzt! Wenn man sagt, im Wassergesetz gibt es noch weitere Änderungen, dann könnte man die auch bei einer späteren Novellierung aufgreifen. Beim Kita-Gesetz haben wir das ja auch so gemacht, dass wir eine Vorschaltung gemacht haben und dann das Gesetz in Gänze angefasst haben.

Es gibt ja auch schon Vorarbeiten für die Änderung des Wassergesetzes. Das Ministerium von Herrn Prof. Willingmann hatte das bereits Anfang 2021 schon gemacht. Die Vorarbeiten sind also da. Die Grundlage dafür ist da.

Ja, viele von Ihnen waren im letzten Jahr und in diesem Frühling bei verschiedenen Baumpflanzaktionen im ganzen Land dabei. Erste Berichte aus dem Südharz sprechen von einzelnen Ausfällen von bis zu 60 %. Es ist natürlich gerade jetzt besonders dramatisch, wenn Pflanzen vertrocknen, weil wir einen so hohen Aufforstungsbedarf haben.

Auch in der Landwirtschaft wird mit Missernten gerechnet. Die nächsten zwei bis drei Wochen werden ausschlaggebend sein. Der Vizepräsident des Landesbauernverband Sven Borchert hat gesagt: Bleibt der Regen aus, müssen wir mit einer Missernte rechnen. Er weist ebenfalls darauf hin, dass der Wassermangel in diesem Jahr noch gravierendere Auswirkungen haben wird als in den Jahren zuvor. Warum? - Das liegt daran, dass wir jetzt die negative Wasserbilanz aus den vergangenen Jahren mitbringen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es geht natürlich auch um den Zustand unserer Flüsse. Ich meine damit nicht nur, dass weniger Regen fällt. Auch die enorm hohe Verdunstung führt dazu, dass unsere Flüsse und Seen bereits jetzt enorm niedrige Pegel aufweisen. Das hat auch Auswirkungen auf die Wasserqualität. Die Gewässer heizen sich auf, Blaualgen entstehen, Einleitungen aus der Industrie und Einträge aus der Landwirtschaft werden nicht so verdünnt, wie man es annimmt.

Deshalb können wir es auch nicht verstehen, dass Staatssekretär Herr Dr. Eichner im Umweltausschuss bei der Diskussion über das Genehmigungsverfahren für die Einleitungen der Firma Ciech Soda in Staßfurt sagte, na ja, die Einleitungen seien okay.

Mit einer Verschlechterung sei nicht zu rechnen.

(Kathrin Tarricone, FDP: Das ist auch so!)

Das ist natürlich blauäugig, wenn man weniger Wasser hat. Er verkennt dabei die Realitäten, ganz davon abgesehen, dass die Wasserrahmenrichtlinie sogar auch noch ein Verbesserungsgebot vorschreibt.

(Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

Genau so ist das. Auch ökologisch, chemisch, morphologisch intakte Gewässer werden viel widerstandsfähiger bei der Trockenheit.

Nun kann man den Regen nicht kurzfristig herbeizaubern. Ich sage bewusst „kurzfristig nicht“. Langfristig kann man sich Änderungen vorstellen, wenn es uns gelingt, ganz, ganz viel aufzuforsten, damit sich wieder ein Mikroklima einstellt und es auch wieder mehr abregnet. Aber es muss eben viel, viel mehr passieren. Wir brauchen ein integriertes Wassermanagement. Dann stellen sich natürlich auch die Fragen: Wie werden Wasserentnahmerechte vergeben? Hat die Trinkwasserversorgung als Daseinsvorsorge Vorrang vor allen anderen Nutzungen? Wie wird das Wasser in der Fläche gehalten?

Ich bin froh darüber, dass es auf der Bundesebene ein Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ geben wird. Dabei geht es auch um die Renaturierung von Gewässern. Das sichert dann ein Stück weit ab, dass das Wasser besser in der Fläche gehalten wird, wenn die Gewässer, Flüsse usw. mehr mäandern können.

In den sozialen Medien wird viel verkündigt, dass die Landesregierung etwas machen will. Wir können das nicht unbedingt sehen. Wir bitten wirklich die Landesregierung, hierbei mehr zu machen, auch wenn jetzt der Zukunftskongress angekündigt wird. Ankündigungen reichen eben nicht.

Ich möchte es noch einmal betonen: Wasser ist Leben. Die Klimakatastrophe raubt uns das Wasser. Deshalb muss die Landesregierung dabei helfen, dass über Klimaschutzmaßnahmen möglichst zielführend der Umgang mit dem Wasser stattfindet. Beispielsweise geht es darum, dass die neuen Ökoleistungen, die wir ab dem nächsten Jahr haben werden, auch in der Gemeinsamen Agrarpolitik ab dem Jahr 2023 besser genutzt werden, um mehr Bäume in die Agrarlandschaft zu bringen. Auch Hecken sind günstig für den Erosionsschutz. Hecken mindern die Verdunstung etwas.

Ich möchte betonen: Alle Mühen und alle Anstrengungen werden umsonst sein, wenn wir nicht gleichzeitig an die Ursache herangehen. Das heißt, die CO2-Emissionen müssen mithilfe von Klimaschutzmaßnahmen konsequent nach unten gehen und radikal reduziert werden.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Frederking, Ihre Redezeit ist abgelaufen.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Genau. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben aber sogar noch eine Chance, weil Herr Hauser Ihnen eine Frage stellen möchte. Sie werden diese wahrscheinlich beantworten wollen? - Ja, das will sie. - Dann kann es losgehen.

(Thomas Korell, AfD: Herr Hauser, Sie kriegen eine ganz lange Antwort!)


Johannes Hauser (FDP):

Frau Frederking, Sie haben es gesagt: Wir haben es mit einem globalen Problem zu tun. Darin stimmen wir überein. Sie sagten gerade zum Ende hin: Wir müssen mehr Bäume pflanzen.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Als Beispiel.


Johannes Hauser (FDP):

Zum Beispiel. - Was machen wir mit Brasilien, wo der Regenwald abgeholzt wird? Was machen wir denn mit Indien, wo 20 Millionen ha Stoppelfelder abgebrannt werden? Was machen wir damit?

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das liegt außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Landes Sachsen-Anhalt!)

Ich gehe mit Ihnen mit, dass wir die Sache, so wie sie ist, nicht akzeptieren können. Das ist okay. Aber was setzen Sie dem entgegen?

Zu der Wasserrahmenrichtlinie oder dem Ansinnen, das Wasser zurückzuhalten. Schlagen Sie etwas vor! Wenn der Regen heruntergeht, dieser 20 mm im Boden versickert, wo wollen Sie dann das Wasser zurückhalten? Bringen Sie ein paar praktische Vorschläge.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der AfD - Sebastian Striegel, GRÜNE: Das macht sie!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Frederking, das mit den „praktischen Vorschlägen“ ist jetzt eine Steilvorlage, aber versuchen Sie, es trotzdem kurz machen. - Bitte.

(Olaf Meister, GRÜNE: Also eine Viertelstunde halten!)


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Ich fange mit dem letzten Punkt an, Herr Hauser. Das Wassergesetz schreibt den Unterhaltungsverbänden heute vor, dass das Wasser ordnungsgemäß abgeleitet werden muss.

(Johannes Hauser, FDP: Richtig!)

Es ist ausschließlich von der Ableitung die Rede. Das führt dazu, dass die Unterhaltungsverbände die Gräben bspw. immer wieder ausbaggern, damit das Wasser abgeführt wird.

(Zuruf von Johannes Hauser, FDP)

Es bleibt also nicht auf den Wiesen und Äckern. Dabei wäre die Idee, dass erst einmal dieser Paragraf geändert wird, damit es den Unterhaltungsverbänden auch ermöglicht wird, das Wasser zu halten, damit es nicht zwangsläufig abgeleitet werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Beispiel habe ich schon einmal gebracht: Ich war in einem Waldstück in der Dübener Heide. Das fiel auch trocken. Dort war ein Bach, der dann ausgebaggert wurde. Das wenige Wasser, das dort war, wurde abgeleitet. Es geht also darum, die Unterhaltung der Gewässer einfach so zu gestalten, dass das Wasser nicht einfach abfließt. Das war ein praktischer Vorschlag.

Zu dem Thema Brasilien. Es gibt überhaupt erst einmal internationale Verpflichtungen, die vorsehen, dass alle Länder, alle Staaten - - Pardon?

(Johannes Hauser, FDP: Die werden doch nicht eingehalten! Die holzen doch weiter! Das ist doch nur blablabla!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wir machen es jetzt einmal so: Sie haben noch 30 Sekunden. - Bitte.

(Zuruf)

- Ja, es ist eine kleine Frage zu einem Debattenbeitrag. Es ist kein neuer Debattenbeitrag.

(Siegfried Borgwardt, CDU: So ist es! - Zuruf von der AfD: Ja, genau!)

Versuchen wir es doch einmal. Wir sind schon ein bisschen im Verzug.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Die Frage zum Thema Entwicklungshilfe: Wo gibt man Entwicklungshilfe hin? Dann ist natürlich der Punkt zu nennen, dass wir weniger Sojaimporte nehmen und versuchen, unsere Tiere von den heimischen Feldern und Wiesen zu ernähren.

(Beifall bei den GRÜNEN)