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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 6

Erste Beratung

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Familienförderung und zur Förderung sozialer Beratungsstellen des Landes Sachsen-Anhalt (Familien- und Beratungsstellenfördergesetz Sachsen-Anhalt - FamBeFöG LSA)

Gesetzentwurf Fraktion AfD - Drs. 8/1269


Herr Köhler wird diesen Gesetzentwurf einbringen. - Herr Köhler, bitte schön.


Gordon Köhler (AfD):

Danke. - Ist es richtig, dass hier nur „48 Sekunden“ steht?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Das müssten Sie Ihrer Schriftführerkollegin dann sagen. Die klickt immer auf die Zeit, sobald der erste Ton von Ihnen, von dem Redner, kommt.


Gordon Köhler (AfD):

Sehr gut. Dann können wir ja starten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade einmal 16 024 Geburten gab es im vergangenen Jahr laut Auskunft des Statistischen Landesamtes in ganz Sachsen-Anhalt. Wer sich mit diesbezüglichen Eckdaten und Kennzahlen unseres Bundeslandes befasst, der weiß, dass das der niedrigste Geburtenstand seit 26 Jahren, mithin seit 1995, war. Auf Bundesebene hingegen war   und das ist sehr erfreulich   eine entgegengesetzte Datenlage festzustellen.

Trotz dieser sich entgegenstehenden Angaben für das Jahr 2021 kann sowohl für die Bundesebene als auch für die Landesebene klar festgestellt werden, dass eine demografische Schieflage entstanden ist. Eine Fehlentwicklung übrigens, die sich seit mehr als drei Jahrzehnten abzeichnet und die von den Regierungsparteien, gleich welcher Couleur, in keiner Weise einer Lösung zugeführt wurde.

Die Folge dieser Geburtenarmut drückt sich insbesondere in der Überalterung aus. So hat Deutschland im Jahr 2020 ein Durchschnittsalter von 44,6 Jahren und Sachsen-Anhalt von 48,1. Damit sind wir übrigens das Bundesland mit der ältesten Bevölkerung in Deutschland. Um einmal den Blick über den Tellerrand zu werfen: Die USA bspw. haben ein Durchschnittsalter von 38 Jahren und Nigeria hat ein Durchschnittsalter von 18,1.

Zusammengefasst: Deutschland und insbesondere Sachsen-Anhalt stehen vor massiven demografischen Problemen und deshalb bedarf es einer proaktiven und einer geburtenfördernden Familienpolitik.

(Beifall bei der AfD)

Wir müssen verinnerlichen, dass diese extrem niedrige Geburtenrate langfristig nicht zukunftsfähig ist. Die Bevölkerung würde unter diesen Bedingungen von einer zur nächsten Generation jeweils um fast ein Drittel kleiner werden. Eine stabile wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Gemeinwesens sind unter diesen demografischen Vorzeichen schlicht nicht möglich.

Denn was sind die Folgen dieser Überalterung? - Stichwort „umlagefinanziertes Rentensystem“. Sie wissen, dass immer weniger Erwerbstätige in Deutschland für immer mehr ältere Menschen die Rente ausfinanzieren müssen. Es ist auch kein Geheimnis, dass wir bereits in naher Zukunft über schockartig steigende Finanzierungsprobleme in unserem Rentensystem reden müssen, insbesondere dann, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre in das Rentensystem einmünden.

Die Auswirkung des Bevölkerungsschwundes wird insbesondere auch für den ländlichen Raum spürbar werden. Dabei denke ich z. B. an den öffentlichen Personennahverkehr, die leitungsgebundene Infrastruktur der Wasser- und Abwasserversorgung, aber auch die Müllversorgung. Der Rückgang der Nutzung wird zu weiteren Kosten- und Preissteigerungen führen.

Die Antwort auf diese demografische Problematik im Koalitionsvertrag auf Landesebene lautet: Nichts. Dort wird der Mangel einfach verwaltet, es gibt kein politisches Bekenntnis, kein Versuch, eine Umkehrung herbeizuführen.

In dem Bericht zum Strukturentwicklungsprogramm Mitteldeutsches Revier Sachsen-Anhalt wird man insbesondere für die Kohleregion doch recht ehrlich   Zitat  : Eine Erkenntnis: der demografische Wandel lässt sich nicht aufhalten.

Dem halten wir entgegen, dass dieses Schicksal nicht in Stein gemeißelt ist. Eine aktivierende Familienpolitik in anderen europäischen und demokratischen Ländern ist durchaus möglich und das zeigt z. B. Ungarn. Denn es gibt ihn, den nachweislich positiven Effekt einer aktiven Familienpolitik auf die Geburtenzahlen.

Es ist auch keine Raketenwissenschaft, bewährte Maßnahmen zu adaptieren und auf die Bedürfnisse des Landes anzupassen, umso mehr, als wir auch die Möglichkeit haben, diese auf Landesebene selbständig umzusetzen. Alles, was es dafür bedarf, ist politischer Wille und das Bekenntnis, sich nicht einfach in dieses demographische Schicksal einzufügen.

Uns ist dabei auch bewusst, dass das von uns geforderte Willkommensgeld in Höhe von 1 000 € nicht das Allheilmittel darstellt. Aber ein Begrüßungsgeld für Neugeborene kann einen ersten Baustein hierfür darstellen. Wir machen uns auch keine Illusionen darüber, dass 1 000 € niemanden überzeugen werden, der partout keine Kinder haben möchte. Es geht aber darum, jene anzusprechen, für die es durchaus das Zünglein an der Waage darstellen kann, die aus unterschiedlichen Gründen Zweifel oder Befürchtungen haben. Es geht darum, mit einem klaren politischen Signal aufzuwarten.

An dieser Stelle werde ich deutlich: Wenn aufgrund dieses Gesetzes 50 Kinder mehr das Licht der Welt in Sachsen-Anhalt erblicken, dann hat sich dieser Gesetzentwurf schon gelohnt.

(Beifall bei der AfD)

Ich bin davon überzeugt, dass 1 000 € helfen; denn gerade in der Elternzeit, in der nur ein anteiliges Elterngeld bezogen wird, sind sie hilfreich. Sie sind hilfreich bei der Finanzierung des Kinderwagens und bei der Beschaffung der Babynahrung; denn diese ist sehr kostenintensiv, oder, oder, oder. Ich denke, jeder, der selbst Kinder hat, der weiß um die Herausforderungen finanzieller Natur in den ersten Wochen.

Außerdem darf man diesen Gesetzentwurf nicht losgelöst von unserem weiteren familienpolitischen Konzept betrachten. Denn wir haben auch in der Vergangenheit zu den Themen „kostenloses Schulessen“ und „beitragsfreie Kita“ einige Anträge eingereicht. Sie sehen, es erschöpft sich nicht in Einmalzahlungen mit Symbolcharakter wie bei der Energiepreispauschale, sondern wir stehen für eine vernünftige, eine dauerhafte Entlastung von Familien.

(Beifall bei der AfD)

Wenn ich in die Gesichter der Haushaltspolitiker schaue, dann stelle ich fest, dass die Frage im Raum steht, wie das Ganze finanziert wird. Der Haushalt des Landes Sachsen-Anhalt gibt die Mittel durchaus her; Sie können auch in unseren alternativen Haushaltsplanentwurf schauen, den wir für das Jahr 2022 vorgelegt haben.

(Oh! bei der LINKEN, bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Solche Maßnahmen sollte man durchaus als Investitionen in die Zukunft betrachten. Denn je weniger das Land dem Bevölkerungsrückgang ausgesetzt ist, desto besser werden die finanziellen Herausforderungen der Zukunft zu meistern sein, und umso mehr sollte es gelingen, diesen Trend tatsächlich umzukehren. Der Nebeneffekt wäre, dass die zukünftigen Eltern an das Land gebunden werden, und das schon lange vor der Geburt. Und die Motivation, den Wohnsitz hierher zur verlagern oder zu behalten, macht auch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn   Stichwort „Fachkräftesicherung“.

Auf lange Sicht entstehen dem Land also keinerlei Nachteile, im Gegenteil. Es ist das Land, welches die Investitionen tätigt. Daher muss sichergestellt werden, dass, soweit möglich, das Land von dieser profitiert. Daher haben wir im Gesetz bereits Regelungen vorgesehen, die nicht nur den Missbrauch erheblich erschweren bzw. gänzlich unattraktiv werden lassen, sondern die Regelungen selbst stellen sicher, dass die Mittel dort bleiben, wo sie hingehören.

Es handelt sich schließlich um von unseren Bürgern bezahlte Fördermittel und daher muss man sie auch den Bürger zugutekommen lassen.

(Zuruf von der AfD: Jawoll!)

Dass diese Maßnahmen gern angenommen werden, zeigt, dass wir uns auf keinem Holzweg befinden. Diesbezüglich kann man zwei Beispiele aus unserem Bundesland anführen, und zwar das Begrüßungsgeld der Stadt Dessau-Roßlau, aber auch das des halleschen Studentenwerks.

In diesem Zusammenhang wird berichtet, dass sich im Rahmen der Beantragung des Begrüßungsgeldes schon oft gezeigt hat, dass weiterer Beratungs- und Förderbedarf bei diesen jungen Eltern besteht. Daher wollen wir an dieser Stelle den Gesetzestext weiter qualifizieren, insbesondere dort, wo es um den Familienratgeber geht. Wir wollen, dass er Kommunen automatisch proaktiv vonseiten des Landes zur Verfügung gestellt wird und eben nicht erst auf Anfrage der Kommune. Das ist nach unserer Auffassung eine Selbstverständlichkeit.

Dass das Begrüßungsgeld darin angemessen Erwähnung findet und darüber hinaus weiter bekannt gemacht und beworben werden muss, versteht sich ebenfalls von selbst. Schließlich kann sich diese Maßnahme nur dann frei und wirksam entfalten, wenn die breite Masse Kenntnis davon hat, dass es diese Maßnahme gibt.

Die Botschaft kann gern über die Landesgrenzen hinaus gehen, wollen wir doch nach außen den Lebensmittelpunkt Sachsen-Anhalt attraktiv bewerben und vermarkten und damit auch attraktiver gestalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Haben Sie also den Mut, mit uns die ersten Schritte zu gehen, den demografischen Wandel im Land nicht nur zu verwalten, sondern ihm aktiv entgegenzutreten bzw. entgegenzuwirken. Es gibt dafür keinen besseren, keinen schöneren und keinen nachhaltigeren Weg, als Familien oder junge Menschen, die eine Familie gründen wollen, zu unterstützen.

Geben Sie mit Ihrer Stimme heute ein Bekenntnis zum Leben, zur Familie und zur Zukunft Sachsen-Anhalts. - An dieser Stelle bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit, soweit sie vorhanden war. Ich beantrage, die Überweisung dieses Gesetzentwurfs zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und zur Mitberatung an den Ausschuss für Finanzen.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Köhler, es gibt eine Frage von Herrn Rosomkiewicz. Wollen Sie sie zulassen.


Gordon Köhler (AfD):

Schauen wir einmal, gern.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Rosomkiewicz, bitte.


Sven Rosomkiewicz (CDU):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Köhler, Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Nigeria als positives Beispiel für den Altersdurchschnitt angesprochen. Erlauben Sie mir zwei Fragen. Was macht Nigeria besser als wir? Was können bzw. müssen wir tun, um irgendwann einmal in Bezug auf den Altersdurchschnitt nigerianische Verhältnisse zu erreichen?

(Lachen bei der CDU und bei der SPD)

Sie haben in Ihrer Rede auf das Begrüßungsgeld hingewiesen. Ich weiß nicht, ob es in Nigeria Begrüßungsgeld gibt. Vielleicht können Sie darauf eingehen.


Gordon Köhler (AfD):

Ich denke, der Kontext war ein anderer. Ich würde es für Sie konkretisieren. Es ging einfach darum, ein Vergleichsbeispiel zu schaffen, und zwar ein Vergleichsbeispiel im Hinblick auf die Frage, warum wir in Deutschland so alt sind. Ich habe verschiedene Beispiele angeführt, so auch die USA als Industrieland, aber auch Nigeria, um einfach zu verdeutlichen, dass in diesen Ländern massiv Kinder geboren werden und bei uns nicht. Es ist also nicht in Stein gemeißelt, dass wir nur 1,5 Kinder pro Kopf in die Welt setzen. Natürlich gibt es verschiedene Ursachen dafür, dass in Nigeria mehr Kinder geboren werden, nämlich natürlich auch, weil die Familie dort mehr zählt.

Was muss getan werden? - Das Begrüßungsgeld   das habe ich erwähnt   ist nur ein Mosaiksteinchen. Wir müssen auch darüber reden, dass Kinder ein Armutsrisiko sind. Darüber haben wir schon gesprochen. Wir haben verschiedene Anträge eingebracht, die verdeutlichen, in welchen Bereichen Kinder Geld kosten. Wir sind dafür, statt in Elektromobilität in etwas Sinnvolles zu investieren, nämlich in unsere Kinder. Die Mittel sind vorhanden. Wir sind dafür, dass man die Prioritäten anders setzt. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)