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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 19

Erste Beratung

Bekenntnis zum Wiederaufbau der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Bitterfeld-Wolfen

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/1136

Alternativantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1166

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/1171

Alternativantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/1177


Einbringen wird den Antrag der AfD-Fraktion Herr Roi. - Bitte.


Daniel Roi (AfD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Krankenhäuser sind keine Gelddruckmaschinen, Geburtenstationen sind es schon gar nicht. Die Frauenklinik und die Geburtenstation in Bitterfeld-Wolfen müssen erhalten bleiben. Deshalb stemmt sich eine ganze Region seit zwei Jahren gegen die Kahlschlagpolitik der Landesregierung im Gesundheitswesen. Denn wie seit dem Jahr 2000 bereits an zwölf anderen Standorten in unserem Bundeslandland wurde die Geburtenstation in Bitterfeld-Wolfen im März 2020 geschlossen.

Der willkommene Anlass hierfür war Corona. Im April 2020 beschloss der Aufsichtsrat, dass die Klinik für Frauenheilkunde und Gynäkologie mit der Geburtenstation geschlossen bleiben soll. Ein breiter Widerstand formierte sich. Das äußerte sich nicht nur in Ratsbeschlüssen der Betroffenen kreisangehörigen Städte und Gemeinden oder Positionierungen aller Bürgermeister im Altkreis Bitterfeld. Es äußerte sich auch auf Kundgebungen und in einer Petition, die innerhalb weniger Wochen mehr als 2 000 Unterstützer fand. Zusammen mit anderen Aktionen stimmten innerhalb von acht Wochen mehr als 3 000 Bürger schriftlich für den Wiederaufbau der Frauenklinik in Bitterfeld mit der Geburtenstation - dies insbesondere auch wegen einer drohenden Unterversorgung im Bereich Bitterfeld-Wolfen mit seinen Nachbarkommunen.

Doch das alles juckt weder die Landesregierung noch das Landesverwaltungsamt. Das ist an der Stelle bezeichnend. Warum ich das sage, hat folgenden Grund. Die aktuelle Situation ist die, dass der Landkreis beschlossen hat, eine Klage einzureichen, und parallel dazu mit dem Landesverwaltungsamt verhandelt. Jetzt hören wir, dass die Ministerin bisher keine Stellungnahme dazu abgegeben hat. Ich erwarte, wenn Sie heute dazu sprechen, dass Sie sagen, wie die Landesregierung dazu steht. Deswegen habe ich das hier ausdrücklich gesagt.

Denn man muss sich eines vorstellen. Der Kreistag beschließt den Wiederaufbau der Frauenklinik, nachdem Landrat Schulze im Juli im Aufsichtsrat zunächst den Antrag eingebracht hatte, dass sie geschlossen werden soll. Aufgrund des Widerstandes nahm er diesen zurück. Im September 2020 beschloss der Kreistag, dass wieder aufgebaut werden soll, und gab die finanziellen Mittel frei. Daraufhin gab es noch mal einen Beschluss und noch mal einen Widerspruch. 

Der Kreistag hat es immer wieder bestätigt, bis der Bescheid des Landesverwaltungsamtes kam, der mit sofortiger Wirkung untersagt, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Dies geschah, nachdem ein neuer Geschäftsführer vorhanden war, der heute übrigens anwesend ist, und nachdem ein neuer Chefarzt und eine neue Oberärztin gefunden wurden, die gerade dabei waren, Hebammen für die Geburtenstation einzustellen und dafür zu werben. Es gab eine groß angelegte Kampagne mit einem großen Plakat zum Frauentag: Ab 1. April 2022 wird in der Frauenklinik wieder operiert. Das Landesverwaltungsamt untersagt uns jetzt mit sofortigem Vollzug, weitere Schritte zu unternehmen. Das, meine Damen und Herren, ist aus meiner Sicht ein Skandal. Wenn ein Kreistag beschließt, das Geld zur Verfügung zu stellen, wenn ein neuer Geschäftsführer vorhanden ist, der den Wiederaufbau will und gut umsetzt, wenn Leute gefunden werden und Fachkräfte in die Region geholt werden, dann kommt das Landesverwaltungsamt und sagt: Ihr dürft nicht weitermachen. Das kann so nicht sein, meine Damen und Herren!

Genau deshalb braucht es den Antrag der AfD-Fraktion. Genau deshalb braucht es uns. Wir stellen uns an die Seite der Bürger in unserem Kreis und kämpfen für deren Interessen.

(Beifall bei der AfD)

Insbesondere die Regierungsparteien CDU, SPD und FDP müssen endlich begreifen, dass Krankenhäuser ein wichtiger Teil der sozialen Daseinsvorsorge sind. Gerade in unserem ländlich geprägten Bundesland muss die Grundversorgung in der Fläche erhalten werden. Denn sonst blutet der ländliche Raum noch weiter aus. Doch dafür braucht es eine Politik der klaren Haltung. Diese Politik der klaren Haltung darf sich nicht nur ausdrücken durch irgendwelche Reden im Wahlkampf. Vielmehr braucht sie auch Taten. Wenn man die Gelder nicht zur Verfügung stellt und die Haltung hat, dass man diese Krankenhäuser und Geburtenstationen nicht erhalten will, dann braucht es eben eine Opposition, die das anspricht. Deswegen braucht es auch den Antrag der AfD-Fraktion.

Deshalb beantragen wir heute ein klares Bekenntnis zum Wiederaufbau der Frauenklinik in Bitterfeld inklusive der Geburtenstation, so wie es   das habe ich gerade angesprochen  , der Wille des Kreistages ist. Denn leider ist diese Debatte bitter nötig, da es um Finanzen geht. 

Wir haben in der letzten Legislaturperiode hier sehr oft die Diskussion über die Situation der Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt geführt. Mein Kollege Ulrich Siegmund hat hier sehr oft die Zahlen genannt. Ich erinnere an der Stelle an die Studie des Instituts für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung. Demnach betrug das Volumen an fehlenden Investitionen in Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2006 bis 2017 etwa 1,5 Milliarden €. Allein im Jahr 2017 waren eigentlich 169 Millionen € erforderlich, die in die Kliniken hätten fließen müssen. Die Krankhäuser bekamen damals ganze 26 Millionen € für Investitionen. Das bedeutet eine Lücke in Höhe von 143 Millionen €, die in nur einem Jahr im investiven Bereich zu verzeichnen war. 

In Bezug auf Bitterfeld kann man das auch auf einer Internetseite lesen. Das steht in unserem Antrag in der Begründung. Allein in einem Jahr fehlten 3,3 Millionen €, um nötige Investitionen zu tätigen. Ich erinnere an die Diskussion über das Herzkatheterlabor. Das hat der Kreistag auch schon finanzieren müssen, weil Land und Bund sich schrittweise aus der Finanzierung der Krankenhäuser zurückgezogen hatten. Auch deshalb braucht es unseren Antrag. Denn wir wollen insgesamt eine flächendeckende Versorgung im ländlichen Raum erhalten. Deshalb fordern wir in Punkt 4 unseres Antrages, endlich eine auskömmliche Finanzierung aller Krankenhäuser im Land sicherzustellen. Das ist uns sehr, sehr wichtig. Denn wie gesagt: Der ländliche Raum blutet anderenfalls aus.

In den letzten Jahren mussten wir allerdings erleben, wie die CDU und die SPD vor allem im Bund und im Land genau das Gegenteil betrieben haben. Nicht nur haben sie Gelder systematisch gekürzt, wie ich eben skizziert habe, und die Krankenhäuser dadurch kaputt gespart. Vielmehr kamen zahlreiche Gesetzesänderungen von Ex-Gesundheitsminister und Pharmalobbyist Jens Spahn hinzu. Auch diese befeuerten den enormen Investitionsstau in den Krankenhäusern. Ich erinnere an die Einführung des DRG-Systems   darüber haben wir hier auch sehr oft diskutiert   und damit einhergehend das Verbot der Querfinanzierung innerhalb der Kliniken zwischen den verschiedenen Bereichen. Damit wurde bewusst eine Schieflage in den Krankenhäusern erzeugt. Zu dieser Thematik kann ich Ihnen nur eines sagen: Für mich ist eine Geburtenstation kein Renditeobjekt. Es darf nicht Sinn und Zweck der Politik sein, dass wir das verlangen.

(Beifall bei der AfD)

Die Folgen all dieser Reformen von Herrn Spahn sind, dass es immer weniger kommunale Krankenhäuser gibt, ein erhöhter Investitionsstau vorherrscht   ich habe es gerade gesagt   und Liegedauern verkürzt werden. Es gibt viele andere Faktoren, über die Ulrich Siegmund hier gesprochen hat.

Das Ergebnis auch dieser Reform ist nicht etwa eine gestärkte Versorgung in der Fläche. Es geht aus meiner Sicht, wenn man das alles einmal nüchtern betrachtet, um etwas ganz anderes: Es geht vor allem um Geld. Das Geld folgt nicht mehr der Leistung, sondern die Leistung folgt dem Geld. Das ist fatal, aber das ist politisch so gewollt. Das muss man an der Stelle einmal sagen. Das ist eben eine falsche Richtung, die die Politik eingeschlagen hat.

Jetzt kommen wir zurück zu Bitterfeld. Parallel dazu, zu diesen Entwicklungen, schlägt die große Stunde der Gutachter, die uns akribisch vorrechnen, ab wann sich eine Geburtenstation angeblich nicht mehr rechnet. So war es auch in Bitterfeld, wo übrigens im Jahr 2019 mehr Kinder geboren wurden als in so manchem privaten hochprofitablen Krankenhaus.

Der beauftragte Gutachter ist in den meisten Fällen die WRG Consulting GmbH; auch darüber hat Ulrich Siegmund in einigen Debatten schon gesprochen. Ist dieser beauftragte Gutachter in den kommunalen Kliniken erst einmal da, folgt immer dasselbe Spiel: Die Abnicker - meistens von den großen Parteien, die schon länger hier sitzen - in den Aufsichtsräten beschließen dann artig die Schließung ganzer Stationen und ebnen damit den Weg zu Übernahmen durch private Großkonzerne. Dahinter steckt System. Das müssen wir stoppen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD) 

Eines ist klar, wenn die erste Station wegbricht oder gar ganze Fachkliniken schließen müssen, aus finanziellen Gründen, dann wirkt sich das natürlich immer auf das gesamte Haus aus. Das fängt beim Image an und hört beim Patienten auf. Und es hört auch damit auf, dass man in der Zukunft die Patienten in andere Kliniken treibt, um es einmal so zu sagen, und dann auch in den anderen Fachkliniken finanzielle Einbußen hat.

Genau das dürfen wir nicht machen. Wir wollen unsere Heimat entwickeln und den Trend durchbrechen. Das ist unser Auftrag. Ohne Kinder gibt es keine Zukunft. Aber es braucht Geburtenstationen in der Fläche, um eine Region zukunftsfest zu machen.

Über die demografische Katastrophe mit all ihren Folgen über die Jahrzehnte hinweg will ich jetzt gar nicht sprechen. Diese ist natürlich politisch verursacht. Die Region Bitterfeld-Wolfen mit seinen Nachbargemeinden Sandersdorf-Brehna, Raguhn-Jeßnitz, Muldestausee und Zörbig stemmt sich gegen diesen Trend.

Ich habe das schon einmal an anderer Stelle im Kreistag gesagt: Die Kitas sind voll; der Zuzug aus der Region Leipzig ist spürbar. Er ist auch messbar. Ich glaube, der neue Chefarzt kommt sogar aus der Region. Im Übrigen haben wir dort in den Kommunen überall starke AfD-Fraktionen, die sich dafür einsetzen und die sich, wie gesagt, an dem Widerstand beteiligen und parteiübergreifend   auch das will an der Stelle sagen   diesen Widerstand organisiert haben.

Wir haben in vielen Kommunen neue Baugebiete, wir haben ganze Stadtteile ausgewiesen, ob das nun in Muldestausee oder in Bitterfeld ist. Die Geburtenrate je Frau ist gestiegen. nicht nur in Bitterfeld, sondern auch in Sachsen-Anhalt, entgegen den Landesprognosen. Auch das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Wir brauchen eine ganzheitliche Politik. Man kann nicht nur sagen, wir müssen Familien stärken, sondern man muss auch die Grundvorsorge erhalten und darf sie nicht abwickeln. Genau das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Wir brauchen die flächendeckende Versorgung.

Vielleicht noch ein Punkt zum Thema Hebammen. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Roi, aber kurz bitte, ja.


Daniel Roi (AfD): 

Ja, ganz kurz: Anhalt-Bitterfeld ist nach dem Saalekreis der Landkreis mit dem höchsten Mangel an Hebammen. Ich will eine Zahl nennen: Dort gibt es 1 800 Frauen im gebärfähigen Alter je freiberufliche Hebamme - 1 800! Der Landesdurchschnitt liegt bei 995. Das heißt, wir haben dort ein erhebliches Problem im Bereich der Geburtshilfe. Deswegen müssen wir uns als Landtag klar zu dieser Geburtenstation bekennen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)