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Plenarsitzung

Transkript

Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE tropft vor ideologisch getriggerten Stereotypen und Klassenkampfgetöse.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Unruhe)

Das braucht in diesen Zeiten wahrlich niemand. Zusammengefasst geht es bei Ihren vier Maßnahmen um staatliche Kontrolle, Verstaatlichung, Steuererhöhung und Enteignung. Meine Damen und Herren! In diesen Zeiten braucht das niemand.

(Oliver Kirchner, AfD: Richtig!)

Wir brauchen Sicherheit in der Frage von Energie und Kraftstoff. Das ist klar. Keiner von uns will, dass die Menschen weiterhin belastet werden. Aber dass Sie diese Situation der Menschen dafür missbrauchen, Ihre Ideologie weiter nach vorn zu treiben,

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

das versteht niemand, meine Damen und Herren.

Auf den Märkten sind Preise für Öl und Gas in den letzten Monaten in der Tat sehr stark angestiegen. An den Weltmärkten werden die Preise getrieben von den Kräften von Angebot und Nachfrage. Auf der Angebotsseite gab es bei den großen westlichen Ölkonzernen in den vergangenen Jahren ein deutliches Zurückfahren von Investitionen. Dazu wurden sie von den Klimaschützern unter dem Stichwort „Stranded Assets“ auch gedrängt. Shell wurde von einem niederländischen Gericht sogar dazu verurteilt. Den kleineren amerikanischen Frackern, die maßgeblich dafür gesorgt haben, dass die Preise für Öl und Gas nach dem Jahr 2012 so niedrig waren, wurde genau wegen dieser niedrigen Preise der Geldhahn durch die Banken zugedreht.

Die staatlichen Ölkonzerne förderten hingegen weniger, weil sich die OPEC mit Russland zur Steigerung der Preise auf eine Verringerung der Produktion geeinigt hat. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine finden nun auch noch zwei Millionen Barrel Öl am Tag keine Abnehmer und stehen dem Markt nicht zur Verfügung. Das geringere Angebot traf auf eine höhere Nachfrage, insbesondere in China und im Nach-Corona-Boom in den USA.

Bei den Folgen für den Preis ist einer der grundlegenden Marktmechanismen am Werk, nämlich das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Dieses wird allerdings ganz offensichtlich von vielen bis heute nicht wirklich durchdrungen.

Bei Gas ist die Sache zugegebenermaßen etwas komplexer. Für einen Großteil des Angebots sind staatliche Lieferverträge verantwortlich. Der eigentliche Weltmarktpreis spielte bislang in Deutschland eher eine untergeordnete Rolle. Man muss ganz klar sagen, dass es mindestens naiv war, den Großteil der Gasspeicherkapazitäten dem größten Lieferanten, Gazprom, zu überlassen

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und zuzulassen, dass er diese kaum befüllt. Im Augenblick verfügen wir über 30 %. Zuvor waren es 24 %. Das ist in der Tat ein Problem von Markmissbrauch, für das bisher keine geeigneten Instrumente gefunden wurden. Völlig richtig ist, dass die Bundesregierung die Mineralölbranche kartellrechtlich noch stärker unter die Lupe nimmt. Wir sind nun einmal von wenigen Großraffinerien abhängig.

Dass die Fraktion DIE LINKE aber grundsätzlich allen Versorgungsträgern Preistreiberei unterstellt, ist absolut unverschämt. Viele Ihrer Genossen sind in den Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen vertreten. Auf diese sollten Sie Einfluss nehmen, wenn Sie das wirklich glauben. Ansonsten sollten Sie solchen politischen Unsinn lassen, meine Damen und Herren.

Um die Bürgerinnen und Bürger von den hohen Energiepreisen kurzfristig zu entlasten, hat die Bundesregierung nun schon mehrere Pakete geschnürt. Einen Großteil der Maßnahmen hat auch DIE LINKE gefordert. Es ging Ihnen allenfalls nicht weit genug. Dazu gehörte auch die Absenkung der Energiepreise auf Kraftstoffe. Dass Sie das im Antrag nun gar als kontraproduktiv bezeichnen, ist schon schizophren. Die staatlichen Preiskontrollen, die Sie im Antrag fordern, sind im Übrigen genau der Weg in die Mangelversorgung. So setzt man nämlich den Anreiz, nicht zu investieren.

Um die Preise auf längere Sicht zu senken, brauchen wir stattdessen mehr Wettbewerb. Die Umstellung auf erneuerbare Energien kostet erst einmal viel Geld. Sie macht uns aber langfristig unabhängiger von einzelnen Produzenten und Weltregionen.

Ich bitte Sie daher, dem Alternativantrag der Koalition zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung von der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Silbersack. Es gibt zwei Fragen: eine von Frau Frederking und eine von Herrn Gallert. Lassen Sie diese zu?


Andreas Silbersack (FDP):

Ja.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Frederking, bitte.

 

Dorothea Frederking (GRÜNE):

In dem Antrag der Fraktion DIE LINKE wurden sehr konkrete Vorschläge unterbreitet. Diese wurden fachlich sowohl im Antrag selbst als auch in der Rede von Frau Eisenreich begründet.

Sie haben diesen Vorschlägen den Stempel „Ideologie“ aufgedrückt. Was meinen Sie eigentlich mit „Ideologie“?

(Zuruf von der AfD: Was für eine Frage!)


Andreas Silbersack (FDP):

Ich kenne Ihre Sozialisierung nicht. Aber vielleicht erinnert sich der eine oder der andere noch an das Bild von John Heartfield in dem Buch über Staatsbürgerkunde. Darin heißt es, ab 300 % gehe der Kapitalist über Leichen. Genau das ist Ideologie: Wenn man sich an der Stelle nicht inhaltlich dem Thema widmet, nämlich dem Thema Kraft- und Energiepreise, sondern den Fokus im Grunde genommen anders setzt, nämlich die Unternehmen, die im Grunde genommen für die Energie bzw. für die Förderung zuständig sind, in den Fokus nimmt und an die Kandare legen möchte. Man will sie enteignen, man will sie verstaatlichen, man will ihnen Lasten auferlegen. Das ist nicht der Kern der Frage, die sich uns in dieser Zeit stellt. Genau das ist Ideologie.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert, bitte.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Nur zur Information: Das Zitat über die 300 % stammt von Karl Marx. Aber das macht jetzt nichts.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Ich lese Ihnen jetzt   denn das schließt sich gut an die Frage von Frau Frederking an   Folgendes vor:

    „Im Krisenfall sollen Unternehmen, die kritische Energieinfrastruktur betreiben, unter treuhänderischer Verwaltung des Staates gestellt werden […]“

Im Extremfall ist also auch eine Enteignung möglich. Das sah das Energiesicherungsgesetz zwar vor, die Möglichkeit soll aber noch klarer gefasst werden.

Es war schön, dass Sie das soeben noch einmal betonten in Bezug auf die Frage von Frau Frederking: den Kern unserer sozialistisch-ideologischen Ausrichtung in dem Kontext. Ich muss Sie leider nur darüber informieren, dass auch die der FDP angehörenden Minister dieser Gesetzesnovelle in einem Umlaufverfahren soeben zugestimmt haben.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)


Andreas Silbersack (FDP):

Herr Gallert, es ist nun einmal so, dass ich als Jurist das Grundgesetz durchaus kenne. Sie verkennen, dass Artikel immer aus zwei Teilen bestehen. Es gibt das Recht und es gibt die Pflicht. In Ihrem Antrag ist nicht zu erkennen, dass Sie zwei Seiten sehen. Sie sagen nur, es bestehen Verpflichtungen. Die Rechte erkennen Sie dabei nicht, meine Damen und Herren. Das ist klar.

In jedem Artikel gibt es eine Sozialbindung des Eigentums. Deshalb ist im Grunde genommen die Richtung, über die wir diskutieren, nämlich in Notsituationen zu reagieren   das war bei Corona und in anderen Fällen so  , völlig normal. Aber man muss das schon ins Verhältnis setzen. Man kann nicht einfach sagen: Ich nehme dir das Eigentum weg. Dafür braucht man grundgesetzlich gesicherte Voraussetzungen. Es reicht eben nicht aus   wie Sie das meinen  , sich nur eine Seite der Medaille anzuschauen.