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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Anja Schneider (CDU):

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kollegen! Das Thema streift nicht nur das SGB VIII, sondern bspw. auch die UN-Kinderrechtskonvention oder das Kinderarbeitsschutzgesetz. Erkrankungen eines Familienmitgliedes wirken sich immer auf die ganze Familie aus; sie bleiben mitunter recht lange bestehen. Es ist angesprochen worden: Es geht um Diagnosen wie Krebs, um Dialyse und - das ist wirklich nicht zu unterschätzen - psychische Erkrankungen. Gelebte Zeit kann nicht nachgeholt werden, weder die gemeinsame Zeit mit demjenigen, den ich pflege, noch die eigene Lebenszeit.

Frau Ministerin spricht von ca. 5 000 pflegenden Kindern und Jugendlichen. Herr Köhler hat von mehr gesprochen. Auch mir sind etwas höhere Zahlen bekannt. Aber sei es drum. Es geht darum, dass Kinder und Jugendliche regelmäßig Betreuungs- und Unterstützungsleistungen erbringen oder in diese involviert sind. Es betrifft Veränderungen im Alltag, den Ablauf, Betreuungsaufgaben, aber auch das Familienleben, das Zusammenleben oder den Urlaub und Feierlichkeiten. Die Kinder spüren einfach nicht mehr die Leichtigkeit des Lebens, was ihnen eigentlich zusteht.

Es gibt einen Fachbegriff, der besagt, es sei ein raumgreifendes Andersgefühl, was diese Kinder ergreift. Auch das ist in diesem Gefühl inbegriffen, die eigene Haltung rechtfertigen und verteidigen zu müssen, insbesondere in der eigenen Peergroup.

Aber es muss auch gesehen und respektiert werden, dass viele Kinder unterstützen und helfen wollen. Und es gibt, lieber Herr Köhler, nicht nur traurige und schockierende Geschichten, es gibt auch positive Auswirkungen, z. B. ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein, gute Sozialkompetenzen durch persönliche und soziale Entwicklungen und ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Familie.

Einer Gesprächskultur bedarf es in der Familie z. B. mit Blick auf die Themen Krankheit, Sterben und Tod, aber auch im gesellschaftlichen Kontext. Es ist schon mehrfach angesprochen worden: Wir reden darüber zu wenig. Eines darf man auch nicht vergessen: Es ist häufig auch die Angst der Erwachsenen vor nachhaltigen Problemen, Veränderungen. Auch hier bedarf es der Beratung und Unterstützung.

Ich möchte ein sehr positives Beispiel aus meiner eigenen Berufserfahrung bringen. Es gibt Trauergruppen für Kinder und Jugendliche. Trauer beginnt nicht erst mit dem Tod eines Menschen, eines Familienangehörigen, sondern häufig mit der Diagnosestellung. Diese Verarbeitung kann in Trauergruppen speziell für Kinder und Jugendliche geleistet werden.

An der Stelle möchte ich - das habe ich bereits mehrfach getan, möchte es aber noch einmal tun - ausdrücklich Frau Grimm-Benne persönlich danken, weil sie sehr viel Einsatz dabei gezeigt hat, die ambulanten Dienste so zu stärken, dass die Etablierung von Trauergruppen insbesondere für Kinder und Jugendliche möglich ist.

Natürlich gibt es auch diese negativen Auswirkungen. Diese sind schon vielfach benannt worden. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Diese permanente Überforderung ist besonders schwierig, wenn diese von den Kindern und Jugendlichen nicht selbst wahrgenommen wird oder sie nicht wahrhaben wollen, dass sie überfordert sind.

Noch etwas ganz Wesentliches: Ein persönlicher Konflikt besteht im Zusammenhang damit, dass gelebte Zeit nicht nachgeholt werden kann. Einerseits möchte ich noch Zeit mit meinen Familienangehörigen, mit meiner Oma oder mit meinem kranken Geschwister - wie auch immer - verbringen. Andererseits will ich mein eigenes Leben leben dürfen. Dieses Zerwürfnis belastet viele Kinder sehr merklich.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Dr. Schneider, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Anja Schneider (CDU):

Ja, eine Minute.

(Lachen bei der LINKEN)

Herr Köhler, ich habe mich sehr gefreut über ihre persönlichen    


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Nein, keine Minute mehr. Sie haben schon 20 % der Redezeit überzogen. Ich bitte darum, jetzt zum Schluss zu kommen.

(Zuruf von der AfD: Ein bisschen mehr Nachsicht! - Unruhe)


Dr. Anja Schneider (CDU):

Ein Fazit: Nicht unbedingt ein Mehr, sondern, ich finde, ein Bewusstsein für die bereits vorhandenen Unterstützungs- und Informationsangebote sowie ein Bewusstsein in unserer Gesellschaft, das muss uns gelingen. Das muss auch ein Kinder- und Jugendbericht leisten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)