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Plenarsitzung

Transkript

Andreas Henke (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Vertreter der Regierung! In Anlehnung an Schillers Wallenstein-Trilogie darf ich ausnahmsweise einmal mit einem geflügelten Wort beginnen: „Spät kommt Ihr - doch Ihr kommt! Der weite Weg […] entschuldigt Euer Säumen.“ General Isolani hatte einen deutlich weiteren Weg aus dem bayerischen Donauwörth ins Pilsener Rathaus als unser Haushaltsplanentwurf vom Editharing zum Magdeburger Domplatz, gleichwohl es darum nicht vordergründig geht. Denn mit diesem Zitat übt man eine gewisse Kritik an einem Zuspätkommenden, drückt aber doch gleichzeitig eine Erleichterung darüber aus, dass er überhaupt gekommen ist.

(Zustimmung)

Wir anerkennen sehr wohl Ihre ambitionierte Herausforderung, sehr geehrter Herr Minister, das Vorjahr mit einem Nachtragshaushalt und Sondervermögen abzuschließen, mit dem Haushaltsplanentwurf in das Jahr 2022 zu starten und schon jetzt den Entwurf für 2023 im Blick zu haben. Doch wesentlich ambitionierter als dieser Zeitstrahl ist etwas anderes. Ein Haushalt ist erst einmal nur in Zahlen gegossene Politik. Die jedoch lebt vom Machenkönnen, vom Machen und vom Umsetzen in geplanten Zeiträumen. Insoweit sind bereits mit Blick auf die vielen investiven Vorhaben allein im Rahmen des Corona-Sondervermögens Zweifel nicht ganz unberechtigt.

Aber gut, an dieser Stelle wollen auch wir positiv in die Zukunft schauen, wenngleich das angesichts der Dramatik des Krieges und der Tragödie der Menschen in der Ukraine sowie der geopolitischen, wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Krieges selbst für die Menschen in Deutschland, darunter Sachsen-Anhalt, derzeit alles andere als leicht fällt.

(Zustimmung)

Schauen wir auf vorhandene Lieferengpässe und die Probleme bei der Beschaffung von Waren und Rohstoffen. Schauen wir auf rasante Preisanstiege für Energie und Treibstoffe. Schauen wir auf enorme Verteuerungen in der Holzbau- oder Transportwirtschaft. Es lässt sich unschwer erahnen, welch große Probleme bei Planungen, Ausschreibungen und dem Ausführen von Vorhaben zu befürchten sind. Sie werden die eine oder andere Haushaltsposition ins Wanken bringen und mit der nächsten Steuerschätzung möglicherweise auch eine Anpassung der mittelfristigen Finanzplanung erforderlich werden lassen. Denn der jetzt vorgelegte Haushaltsplanentwurf   Herr Minister, das war Ihr Anspruch   hat keine großen versteckten Reserven mehr, wie geplante, aber letztlich nicht bewirtschaftete Stellen und Planstellen.

Ein Blick in Einzelplan 07 offenbart eine Reduzierung der Vollzeitäquivalente von bisher 14 500 auf nur noch 14 000 im Jahr 2022. Damit einher geht eine Senkung der geplanten Personalkostenansätze im Vorjahresvergleich von rund 1,3 Milliarden € auf 1,2 Milliarden €. Das bedeutet aber auch, dass Sie von der Schwierigkeit ausgehen   Sie haben es angedeutet  , die eigentlichen Bedarfe in den öffentlichen Schulen nicht decken zu können. Die Probleme bei der Gewinnung von Lehrkräften sind hinlänglich bekannt.

(Zustimmung)

Darauf möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen.

Mich beschäftigt vordergründig die Frage: Wie resilient ist Sachsen-Anhalt? Wie resilient sind unsere Städte, Dörfer und Landkreise, die nicht zu geringen Teilen mit chronischen Haushaltsproblemen kämpfen und zudem von erheblichen Belastungen aus der Pandemie und noch dazu von gravierenden Auswirkungen eines Krieges betroffen sein werden?

Schon jetzt heißt es aus der deutschen Industrie- und Handelskammer, der Krieg werde Deutschland hart treffen, die wirtschaftlichen Folgen seien nicht abzusehen und das für 2022 angestrebte Exportwachstum sei nicht zu schaffen. Die Preise ziehen weiter an, mit Folgen für die Inflation. Anhand der Maisteuerschätzung wird das sicherlich ablesbar sein. Umso drängender und wichtiger ist es, die Städte, die Dörfer und die Landkreise unseres Landes zu stärken.

(Zustimmung)

Sie sind Knotenpunkte wirtschaftlicher, sozialer und politischer Entwicklung. Sie sind Ausgangspunkt und Motoren des Wachstums. Sie sind Orte der Wertschöpfung, der Kreativität und der Innovation. In ihrer Summe machen sie letztlich das Gelingen von Landesentwicklung aus.

(Zustimmung)

Deshalb sage ich namens meiner Fraktion: Lassen Sie uns den Städten, den Gemeinden und den Landkreisen unseres Landes die Wertigkeit zukommen, die sie verdienen.

(Zustimmung)

Die Handlungsfähigkeit der Kommunen ist unverzichtbar, nicht nur für ihr eigenes Gemeinwesen, sondern auch für das Vorankommen des Landes. Auf der kommunalen Ebene entscheidet sich der Erfolg unserer Landesentwicklung. Er entscheidet sich nicht im Wortlaut eines Koalitionsvertrages, sondern in der Machbarkeit und der Realisierung vor Ort. Deshalb haben Kommunen einen Anspruch auf finanzielle Zuweisungen, die eigenverantwortliches Handeln ermöglichen.

Wir wissen doch, dass es für viele Gemeinden schon jetzt angesichts ihrer hohen Verschuldung so gut wie aussichtslos ist, ihre Haushalte durch Kürzungen von Ausgaben wieder auszugleichen. Das anerkennen offensichtlich auch die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen mit ihrem jüngsten Änderungsantrag zum Entwurf des FAG an, die Ausgleichspflicht bis zum Vorliegen eines neuen modifizierten Gesetzes auszusetzen.

(Zuruf)

Darum, sehr geehrter Herr Minister, bei aller Wertschätzung auch für die gestiegenen Schlüsselzuweisungen und Investitionsmittel im Haushaltsplanentwurf: Ihrer Auffassung, die Kommunen seien mehr als angemessen mit Finanzmitteln ausgestattet, können wir keinesfalls zustimmen   

(Zustimmung)

auch weil die gestiegene Investitionspauschale den Wegfall der Kommunalpauschale aus 2021 nicht vollends kompensiert: Es fehlen 35 Millionen €.

Schauen Sie sich die Ergebnishaushalte und die mittelfristigen Finanzplanungen der Gemeinden an, dann sehen Sie die chronische Unterfinanzierung. Allein bei den Sozialausgaben gab es in den letzten Jahren erhebliche Aufwüchse für den Ausbau der Kinderbetreuung, bei den Kosten der Unterkunft oder der Eingliederungshilfe. Selbst Kommunen, die sich in den letzten drei, vier Jahren bis 2019 stabilisieren konnten, wurden durch die Pandemiefolgen erneut zurückgeworfen.

Haushaltsrechtliche Erleichterungen waren und sind in der Akutlage zwar hilfreich, aber sie sind nicht dazu geeignet, das grundsätzliche Problem mangelnder Auskömmlichkeit auf Dauer zu lösen. Dieses manifestiert sich zusätzlich durch Einbrüche in der Gewerbesteuer. Denn irgendwann stehen die Räte und Kreistagsmitglieder erneut vor dem Druck der Konsolidierungsaufgaben und vor der schmerzhaften Beantwortung der Frage, was von dem großen Teil der Daseinsvorsorge noch abkömmlich wäre. Viele kleine Gemeinden sind schon längst auskonsolidiert. Es gibt nichts mehr, wo sich der Rotstift noch ansetzen ließe.

(Zuruf)

Welche Perspektiven geben wir ihnen? Welche Aussichten bieten wir ihnen? Was heißt das für die zukünftige Attraktivität der Lebensorte und der Lebensqualität der Menschen? - Die Antworten darauf müssen sich aus einem Haushaltsplanentwurf ablesen lassen. Er muss verlässliche Leitplanken setzen.

(Zustimmung)

Vor diesem Hintergrund steht natürlich auch die Erwartung, dass sich der Bund und die Länder dauerhaft auf stabilisierende Maßnahmen für eine zukunftssichernde Finanzkraft der Städte, der Dörfer und der Landkreise verständigen und man zu einem politischen Konsens findet. Wir sind gespannt, ob das gelingt.

Der uns vorliegende Haushaltsplanentwurf hat mit seinen Festsetzungen in den Einnahmen und den Ausgaben ein recht imposantes Volumen, keine Frage. Aber werden damit auch die richtigen Prioritäten gesetzt? Gibt es mit diesem Haushalt auch notwendige Impulse für die Landesentwicklung? Selbst wenn die gestiegene Investitionsquote wie auch die FAG-Masse dem Anschein nach dafür sprechen, darf das nicht über eklatante Probleme vieler Kommunen hinwegtäuschen. An dieser Stelle hätte es mehr sein müssen - mindestens um die Summe der Abschreibungen abzüglich Sonderposten.

(Zustimmung)

Dann wären durchaus mehr Kommunen in der Lage, Eigenanteile für Fördermittel aufzubringen. Wenn man dann noch den jetzt immensen Verwaltungsaufwand für die Antragstellung reduziert,

(Zustimmung - Zuruf: Das ist ja unglaublich!)

dann wäre das ein echter Zugewinn.

(Zustimmung)

Beim Landesstraßenbau oder bei der Brückensanierung ist im Vorjahresvergleich z. B. ein deutliches Plus zu verzeichnen. Wenn es auf den sanierten Straßen auch noch mehr ÖPNV gäbe, dann wäre das ein Trend hin zu zeitgemäßer Verkehrspolitik.

(Zustimmung)

Jedoch lässt der Haushalt eine Finanzierung für den ÖPNV nur so weit zu, wie Bundesmittel das ermöglichen. Auch die Barrierefreiheit im ÖPNV wird nicht vollends bedacht. Ebenso fehlt es, trotz des Neubaus von 50 km straßenbegleitendem Radweg, an neuen Impulsen für den Radverkehr, etwa reine Fahrradschnellstraßen, Leitsysteme, Abstellanlagen etc.

Mit Blick auf den sozialen Wohnungsbau sind auch die geplante Verwendung der Wohnungsbaufördermittel und die entsprechende Kofinanzierung nicht transparent genug.

Warum es bei den großen Problemen in den Wäldern unseres Landes, z. B. durch Schadholz, den Befall von Bäumen durch Insekten und andere Organismen, Trockenheit und Stürme, für die Landesforstbetriebe und den Nationalpark Harz weniger Geld gibt als im Vorjahr, erschließt sich uns ebenso wenig. Genauso wenig erschließt sich uns, warum in Einzelplan 15 die Titelgruppe 64   Nachhaltiger Wasserstoff   nur mit etwa 1,5 Millionen € und einer Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 700 000 € untersetzt worden ist. Schließlich sollte Sachsen-Anhalt in Sachen Wasserstoff ein europäisches Vorzeigeland im Transformationsprozess hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaft werden.

Gute Signale gibt es für den Kulturetat mit einer ordentlichen Steigerung der Gesamtausgaben. Ob die Verteilung für die jeweiligen Kulturinstitutionen und -einrichtungen sowie die Kulturschaffenden angemessen gewichtet ist, werden wir noch einer Bewertung unterziehen. Kritisch erscheint uns das Fehlen von Perspektiven in Form von Verpflichtungsermächtigungen für die freie Kunst und die freien Kulturschaffenden, insbesondere vor dem Hintergrund ihrer durch die Coronapandemie entstanden Notlagen.

(Zustimmung)

Auch im Wissenschaftsbereich vermissen wir die Vorsorge für die Ausbildung von Lehrern, Ärzten und Zahnärzten. Ein Einlenken bei den Finanzproblemen der MLU ist ebenso wenig erkennbar wie ein Aufwuchs bei den Hochschulbudgets.

Ein Entgegenkommen für die Kommunen zur Finanzierung der Schulsozialarbeit auf bisherigem Niveau ist mit diesem Haushaltsplanentwurf auch nicht vorgesehen. Damit nehmen Sie ein teilweises Wegbrechen wichtiger Arbeit an den Schulen in Kauf.

Auch die laut Koalitionsvertrag vorgesehene stärkere Beteiligung der Gemeinden an der Feuerschutzsteuer sucht man vergeblich. Dafür findet sich in Einzelplan 03 eine Halbierung des Mittelansatzes für die Förderung des Erwerbs von Fahrerlaubnissen im Brand- und Katastrophenschutz. Ich denke, das ist kein gutes Signal für die vielen freiwilligen Feuerwehren, die ohnehin schon Nachwuchsprobleme haben.

(Zustimmung)

Ebenso wenig wurden die Erwartungen sowohl des Kompetenzzentrums für Kinder- und Jugendhilfe als auch der Servicestellen für Kinder- und Jugendschutz erfüllt. Auch nicht berücksichtigt wurden nach unserer Erkenntnis die Bedarfe von Frauenzentren und Frauenhäusern, die Hauswirtschaftsstellen angemeldet haben und gerne besetzen würden.

Alles in allem werden wir zu diesem Haushaltsplanentwurf noch vieles bereden müssen. An dieser Stelle will ich meine Ausführungen erst einmal beenden und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)