Kathrin Tarricone (FDP):
Herr Präsident! Hohes Haus! Wir erleben hier selten, dass ein neues, also ein zusätzliches Gesetzesvor-haben nahezu sehnlichst erwartet wird. Dieses wird es. Auch ich wurde, wie sicherlich viele, Herr Scheffler hat es schon gesagt im Wahlkreis immer wieder darauf angesprochen und gefragt: Wann kommt denn nun endlich das Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz? Wenn wir das heute wollen, kann es so weit sein.
Da ist die Frage berechtigt: Warum ist das so? Warum wartet man einerseits auf ein solches Gesetz und steht ihm andererseits skeptisch gegenüber? Berechtigt skeptisch sind Menschen, wenn sie sich gegän-gelt, eingeengt, überwacht oder unfair behandelt fühlen.
(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)
Es fallen mir so einige Beispiele für Gesetze oder Gesetzesvorhaben ein, die diesen Spirit atmen. Der hier vorliegende Gesetzentwurf tut das nicht. Dieser Gesetzentwurf regelt eine faire Beteiligung derer, die von großen Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien betroffen sind, einfach weil sie in deren Nähe wohnen. Das betrifft ganz explizit den ländlichen Raum. Dort wird der Strom erzeugt, der im urba-nen Raum verbraucht wird.
In meiner Rede zur Einbringung des Gesetzentwurfes habe ich schon gesagt, dass es in der Natur des Menschen liegt, nachzufragen: Was habe ich denn davon? Wir Freien Demokraten halten diese Frage für legitim. Wir halten es für nachvollziehbar, wenn auf die Antwort „Wir müssen klimaneutral werden“ der Begeisterungssturm ausbleibt. Auch dafür haben wir Freien Demokraten Verständnis. Denn das ist ein sehr vages Ziel und ein sehr langer, steiniger Weg und dieses Ziel wird in der öffentlichen Diskussion im-mer wieder mit Ängsten und Katastrophenszenarien aufgeladen. Das halten wir das habe ich hier an diesem Pult schön öfter gesagt für den falschen Weg.
Wollen wir Menschen auf einen langen, steinigen Weg mitnehmen, dann reicht es eben nicht, sie nur von der Richtigkeit des Zieles zu überzeugen. Es braucht vielmehr greifbare Vorteile auf dem Weg dorthin. Diese bieten wir mit dem Gesetz. Günstige Stromtarife, eine spürbare Aufwertung des Ortsbildes oder der ortsgebundenen Infrastruktur, die Errichtung und Sanierung kommunaler Gebäude sind möglich, und noch vieles mehr.
Wir haben ganz bewusst keine abschließende Liste in das Gesetz aufgenommen; denn diese Entschei-dung soll den Kommunen überlassen werden.
Lieber Herr Minister, verabredet ist aber noch darauf werden wir auch aufpassen , eine Handreichung für Kommunen zu erstellen, die Best-Practice-Beispiele listet, sodass man gucken kann, wer schon pfiffi-ge Ideen hatte.
Wir Freien Demokraten wollten nicht nur eine faire Beteiligung der Bevölkerung im ländlichen Raum. Wir wollten auch, dass die Abgaben der Anlagenbetreiber an der tatsächlich erzeugten Strommenge bemes-sen werden, nicht an den sogenannten Nennleistungen. Wir verstehen allerdings den Wunsch der Ge-meinden, verlässliche Zahlen für die Haushaltsplanung zu bekommen. Nun haben wir einen Kompromiss gefunden. Die Kommune kann mit einem Mindestbeitrag planen und der Betreiber stockt nach erzeugter Leistung auf.
Nicht durchsetzen konnten wir uns mit unserem Wunsch, Agri-Fotovoltaik-Anlagen noch einen Entwick-lungszeitraum zu gönnen, in dem für sie weniger Abgaben gezahlt werden müssen. Dafür habe ich mich lange eingesetzt. Nun gut, das ist eben der Preis von Kompromissen. Man hört sich gegenseitig zu, tauscht Argumente aus, wägt diese ab und kommt eben zu einem Kompromiss. Im Idealfall geschieht das ohne offenen Streit zwischen den Koalitionären, wie wir das in der Deutschland-Koalition handhaben,
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)
und zwar im spürbaren Unterschied zur Kenia-Koalition, in der offen ausgetragener Streit an der Tages-ordnung war.
(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht!)
Ersteres dauert, Letzteres führt oft zu keinem Ergebnis.
Insgesamt halten wir das Gesetz für einen wichtigen Schritt hin zu einer greifbaren Beteiligung der Men-schen am Ausbau der erneuerbaren Energien. Deshalb empfehlen wir die Annahme der Beschlussemp-fehlung. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)
 Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 
Danke. Einen Augenblick, bitte. - Herr Roi hat sich zunächst für eine Frage gemeldet; jetzt sieht es wie ei-ne Intervention aus.
(Daniel Roi, AfD: Ich habe eine Frage; ich wollte nur den Vorgang beschleunigen!)
- Eine Frage, gut. Dann bitte die Frage, Herr Roi. Sie wollten nur die Zeit verkürzen. Bitte.
 Daniel Roi (AfD): 
Ich habe gerade ausgeführt, warum wir das Gesetz ablehnen, aufgrund grundsätzlicher Erwägungen. Aber das ist nicht der Kern meiner Frage. Meine Frage ist: Wenn man von einem Akzeptanzgesetz redet, dann will man Akzeptanz auch bei der Bevölkerung erreichen. Dazu habe ich eine Frage. In Dänemark gibt es ein Gesetz ich würde gern wissen, wie Sie dazu stehen , das die Windradbetreiber verpflichtet, Entschädigungsleistungen auch für die Hausbesitzer zu leisten. Wenn ich ein Akzeptanzgesetz mache, dann müsste man eigentlich auch die Betroffenen mit in den Blick nehmen, so wie es die Dänen, glaube ich, schon seit 2009 machen.
Mich würde interessieren, warum Sie das nie in Erwägung gezogen haben. Vielleicht haben Sie es ja auch getan. Wie stehen Sie dazu? Ich könnte aufführen, was die Dänen konkret machen. Dort ist gesetzlich verankert, dass eben auch Entschädigungen an die Betroffenen geleistet werden denn es kommt ja zu einem Wertverlust usw. , es gibt Bonuszahlungen, die man dort leisten muss. Das wäre meine Frage.
(Wulf Gallert, Die Linke: Herr Kollege Roi, das hatten wir vorgeschlagen! Das stand in unserem Gesetz-entwurf!)
 Kathrin Tarricone (FDP): 
Ich habe eine Rückfrage. Ich weiß gar nicht, ob ich eine Rückfrage stellen darf. - Wie sieht denn der Schaden aus? Eine Entschädigungszahlung impliziert ja, dass es einen Schaden gibt.
(Zuruf von der AfD: Wertverlust!)
Sie haben es angedeutet. Sie haben von einem Wertverlust gesprochen. Jetzt eröffne ich Ihnen einmal eine andere Rechnung.
 Daniel Roi (AfD):
Wenn ich noch ergänzen darf, Herr Präsident, dann sage ich noch zwei Sätze.
 Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 
Ja, ausnahmsweise. Das zählt als Nachfrage.
 Daniel Roi (AfD): 
Erstens. Man hat dort sogar einen Gutachterausschuss eingerichtet. Es geht vor allem um den Wertver-lust der Häuser. Denn wenn Sie nämlich Ihr Haus verkaufen wollen, etwa weil Sie gerade aus dem Indust-riebetrieb geschmissen wurden und wegziehen wollen, dann kommt der potenzielle Hauskäufer, sieht das Windrad und sagt: Nein, hier will ich nicht wohnen aufgrund des Infraschalls usw.
(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Dann soll er sich ein anderes Haus suchen! - Elrid Pasbrig, SPD, lacht)
In Dänemark hat man einen Gutachterausschuss eingerichtet und hat gesagt: Es kommt dadurch zu Wertverlusten bei den Immobilien. Wenn das dort festgestellt wird, dann haben Sie einen Anspruch auf Entschädigung. So läuft das dort, um es kurz zu sagen.
(Dr. Andreas Schmidt, SPD: So läuft es nicht!)
 Kathrin Tarricone (FDP): 
Unsere Sicht auf die Sache ist, dass die Nähe zu Erneuerbare-Energie-Anlagen eben keinen Schaden dar-stellt, sondern und das macht dieses Gesetz dies in einen Vorteil ummünzt.
(Lachen bei der AfD)
- Darüber können Sie lachen. Das werden wir doch sehen.
(Christian Hecht, AfD: Stellen Sie sich mal eines vor die Tür! - Weitere Zurufe von der AfD)
- Wir werden doch sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Sie haben immer schon die perfekte Antwort parat. Wir gucken, wie die Menschen darauf reagieren, wie sich der Markt entwickelt.
(Christian Hecht, AfD: Nein, das machen Sie eben nicht! - Jörg Bernstein, FDP: Doch! - Zuruf von Nadine Koppehel, AfD)
Das ist unsere Sicht auf die Dinge. Sie wissen es ja immer schon vorher. Schauen wir mal.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)
 Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 
Danke, Frau Tarricone. Es gibt noch eine zweite Nachfrage, und zwar von Herrn Lange.
 Hendrik Lange (Die Linke): 
Frau Tarricone, Sie sagten, dass das Gesetz sehnlich erwartet worden sei. Das zeigt auch, dass die Leute eigentlich gehofft haben, dass es schneller geht mit dem Gesetz. Nun wissen wir, dass der Minister schon sehr viel Zeit gebraucht hat, um den Gesetzentwurf überhaupt in den Landtag einzubringen.
(Daniel Roi, AfD: Das stimmt!)
Er hat immer sehr prononciert vor sich hergetragen, dass das Gesetz irgendwann kommt.
(Wulf Gallert, Die Linke: Vier Jahre!)
Ich gehe davon aus, dass die Koalitionsfraktionen in diesen Gesetzgebungsprozess auch schon immer in-volviert waren. Dann hat es aber noch anderthalb Jahre gebraucht, bis die Koalition es endlich wieder zu-rück in den Landtag gebracht hat. Können Sie mir sagen, was Sie in dieser Zeit fundamental verändert haben an dem Gesetzentwurf, was wirklich anderthalb Jahre im parlamentarischen Verfahren gebraucht hat?
 Kathrin Tarricone (FDP): 
Ich habe das in der Rede schon angedeutet. Erstens ging es um das Thema Nennleistung versus erzeugte Leistung. Damit haben wir uns lange beschäftigt, und zwar nicht im Sinne von „der eine will es so und der andere will es so“, sondern wir haben gut abgewogen, welchen Effekt Lösung 1 oder Lösung 2 hat. Des-wegen sind wir zu dem Kompromiss gekommen. Das war das eine.
Zweitens ging es um das wesentliche Thema, bei dem ich mich nicht durchgesetzt habe - das habe ich gesagt; das war auch eine längere Diskussion , und zwar: Wie verteilen wir das auf die Ortsteile? Wir haben zunächst gesagt, wir wollen das ein bisschen starrer handhaben, sind dann aber zu dem Schluss gekommen: Wir lassen auch das ein bisschen freier und machen eine Sollbestimmung daraus. Es ist ja nicht so, dass nur wir Koalitionäre uns dazu irgendwie einig werden sollen, sondern es wäre auch ge-schickt, wenn wir einmal nach draußen hören, wie denn das eine oder andere aufgenommen wird. Das hat eben ein bisschen Zeit gebraucht. - Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Guido Kosmehl, FDP: Das ist ja keine Umsetzung des Parteitagsbe-schlusses der SED! - Jörg Bernstein, FDP, lacht)
 Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 
Danke, Frau Tarricone. 
  

