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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport): 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder kamen auf ihrer Konferenz Anfang Juni dieses Jahres überein, auf breiter, evidenzbasierter Basis zu entscheiden, ob das im Antrag als Femizid bezeichnete Kriminalitätsphänomen neue gesetzliche Grundlagen erforderlich macht. 

Hierzu durchleuchten auf Betreiben des Instituts für Kriminologie der Universität Tübingen und des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen seit Anfang 2022 in einer auf drei Jahre angelegten fachübergreifenden Studie Fachleute aus den Rechtswissenschaften, aus der Psychologie, aus der Soziologie und aus den Kulturwissenschaften Taten, Tatmotive und Rechtsprechung. Mit ersten Ergebnissen ist in diesen Tagen zu rechnen. 

Es ist davon auszugehen, dass auf dieser Grundlage erheblich besser beurteilt werden kann, wie häufig als Femizid bezeichnete Tötungen von Frauen, weil sie Frauen sind, in Deutschland tatsächlich vorkommen, welche Arten von Frauenfeindlichkeit ihnen zugrunde liegen, welche Rolle geschlechtsbezogene Motive vor Gericht spielen und ob Regelungslücken eine effiziente Strafverfolgung behindern. 

In die Beurteilung sollten dabei auch die Erkenntnisse einfließen, die sich bei einer im Mai dieses Jahres durchgeführten Expertenanhörung zur statistischen Datenlage bei Gewaltverbrechen an Frauen im Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz ergeben haben. 

Die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz ist im Rahmen ihrer Zuständigkeit aufgefordert zu prüfen, ob es unter Berücksichtigung der Ergebnisse der empirisch-kriminologischen Untersuchungen zur Tötung von Frauen geboten ist, ein weiteres Mordmerkmal zur Erfassung von trennungs- und geschlechtsspezifisch motivierten Tötungen einzuführen. Kollegin Weidinger geht davon aus, dass die Bundesjustizministerin auf der kommenden Justizministerkonferenz dazu berichten wird. 

Die Bundesjustizministerin hat zudem angekündigt, mit einem Maßnahmenpaket gegen häusliche Gewalt gegen Frauen vorzugehen, und dies als eines ihrer Schwerpunktthemen für die laufende Legislaturperiode bezeichnet. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner besonderen Aufforderung an die Bundesregierung im Rahmen einer Bundesratsinitiative. 

Insbesondere im Lichte jüngster höchstrichterlicher Rechtsprechung erscheint aus justizfachlicher Sicht die Prüfung gesetzgeberischen Handlungsbedarfs auch nicht mehr dringlich zu sein. Der Bundesgerichtshof hat, wie der Abg. Kosmehl schon sagte, am 26. August 2025 die Revision eines 50-jährigen Mannes verworfen, der zuvor vom Landgericht Berlin nach der brutalen Tötung aus Wut seiner von ihm geschiedenen Ex-Frau mit zahlreichen Messerstichen auf offener Straße wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden war. Zusätzlich wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. 

Das Landgericht Berlin hatte bei der Verurteilung maßgeblich darauf abgestellt, dass der Täter zuvor bereits mehrfach gegen das Gewaltschutzgesetz verstoßen hatte und seine Frau während der Tatausführung verbal herabwürdigte. Diese Umstände bewertete das Landgericht Berlin dabei sogar als besonders schwerwiegend. Diese Entscheidung kann fortan als Präjudiz für die Ahndung und Sanktionierung gleichgelagerter Fälle herangezogen werden. 

Mit Blick auf Fortbildungen zu diesem Gewaltphänomen sowie Hilfsangebote zum verbesserten Schutz von Frauen kann ich Ihnen für das Justizressort mitteilen, dass das als Femizid beschriebene Verbrechensphänomen Bestandteil der von der Deutschen Richterakademie seit dem Jahr 2023 angebotenen Tagung „Gewalt in der Familie“ ist. Die Veranstaltung richtet sich an Richterinnen und Richter der Straf- sowie Familiengerichtsbarkeit sowie an Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Eine Fortführung des Fortbildungsangebots ist auch für das Jahr 2026 vorgesehen. 

Die Opferberaterinnen und Opferberater des Sozialen Dienstes der Justiz befinden sich im Rahmen ihrer Tätigkeit mit dem gesamten Helfernetzwerk und mit der Polizei einzelfallbezogen sowie fachlich-inhaltlich im Austausch. Hiervon profitieren alle von häuslicher Gewalt und Stalking Betroffenen. Anfragen können auch anonym über das eingerichtete Opferhilfetelefon und das Opferhilfepostfach gestellt werden. 

Weil ich jetzt schon hier stehe, erlauben Sie mir vielleicht auch als Innenministerin eine Information über das schreckliche Gewaltverbrechen am letzten Sonntag in Magdeburg. Mir ist heute Vormittag noch einmal bestätigt worden   weil ich gestern in der Regierungsbefragung danach gefragt wurde  , dass der Polizeiinspektion Magdeburg gegenwärtig keine Angriffe auf Einsatzkräfte der Landespolizei oder des Rettungsdienstes bekannt sind, und zwar weder am Tatort noch im Krankenhaus. Die hohe Polizeipräsenz am Tatort erklärt sich dadurch, dass für die unverzichtbare Tatortarbeit der Tatort des Kapitalverbrechens weiträumig abgesperrt werden musste. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Frau Ministerin, es gibt eine Frage von Eva von Angern. - Sie haben das Wort, bitte. 


Eva von Angern (Die Linke): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich habe heute einer Meldung der Deutschen Presseagentur entnommen, dass Sie die Entscheidung auf der Bundesebene zum Modell der elektronischen Fußfessel zum Schutz vor häuslicher Gewalt nach dem spanischen Vorbild unterstützen. Sie werden damit zitiert: Die Bundesregelung soll mit einer entsprechenden landesrechtlichen Anpassung im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung flankiert werden. 

Können Sie mir sagen, wie aus Ihrer Sicht der Zeitplan aussieht, wann Sie dazu tätig werden wollen? Denn die Lesung des entsprechenden Gesetzentwurfes im Innenausschuss ist derzeit noch offen? Können Sie etwas zu Ihrem Zeitplan sagen, zu Ihrem Vorhaben? 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Bitte. 


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport): 

Frau Abgeordnete, wir haben uns im Innenausschuss mit dem Thema häusliche Gewalt an verschiedenen Stellen intensiv auseinandergesetzt. Ich muss offen sagen, dass ich die Zunahme von Fällen häuslicher Gewalt mit großer Sorge sehe. 

Wir haben   das haben Sie vorhin in Ihrer Rede gesagt   im Bereich der Landespolizei vor zwei Jahren ein Hochrisikomanagement nicht nur etabliert, sondern es wird, wie auch mein Eindruck ist, im wahrsten Sinne des Wortes tagtäglich gelebt, was darin verankert ist. 

Wir haben uns des Weiteren   dafür bin ich den Innenpolitikern der Regierungsfraktionen sehr dankbar   auf eine Novelle zum Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung verständigt. Wir haben den Gesetzentwurf im Januar eingebracht. Er sieht ja gerade auch eine Stärkung des Schutzes von potenziellen Opfern von häuslicher Gewalt vor. Ich nenne nur die Stichworte, dass Daten- und Übermittlungssperren leichter eingerichtet und betroffene Personen und auch deren Angehörige mit Tarnidentitäten ausgestattet werden sollen. 

Wir haben uns im Zuge dessen auch mit der Vorsitzenden des Weißen Ringes intensiv mit dem spanischen Modell beschäftigt. Wir sind der Auffassung, dass das spanische Modell, die elektronische Fußfessel nach diesem spanischen Modell, erst dann Sinn ergibt, wenn es das bundesweit gibt, weil ansonsten die potenziellen Opfer auf das Land Sachsen-Anhalt beschränkt wären und bspw. nicht mehr zum Urlaub an die Ostsee fahren könnten. 

Dadurch, dass jetzt die Bundesregierung erklärt hat, dass sie im Gewaltschutzgesetz die elektronische Fußfessel bzw. die Aufenthaltsüberwachung im Sinne des spanischen Modells auf der Bundesebene regeln will, worüber ich mich sehr freue und was ich auch sehr unterstütze, gibt es schon eine sehr weitgehende Abstimmung mit den innenpolitischen Sprechern der Regierungsfraktionen, dass wir dies nun auch im SOG flankierend mit umsetzen wollen, damit wir dann, wenn die Bundesregelung kommt, auch im Land Sachsen-Anhalt unmittelbar handlungs- und umsetzungsfähig sind. 

Ich danke den Innenpolitikern der Regierungsfraktionen dafür, dass wir uns auf diesen Weg machen. Ich glaube, die Beratungen sind so weit fortgeschritten, dass ich mir gut vorstellen könnte, dass wir in der Oktobersitzung des Landtages erneut zu dem Thema beraten.