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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 26

Beratung

Zukunftsfähige Energiepolitik für Sachsen-Anhalt - Standortverantwortung für Mitteldeutschland durch H2-ready Gaskraftwerke

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/6173


Herr Striegel steht bereits am Pult und bringt den Antrag nun ein. - Bitte sehr. 


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesen Monaten vor 36 Jahren sind mutige Menschen in ganz Ostdeutschland in der friedlichen Revolution auf die Straße gegangen. Sie haben ein undemokratisches Regime und mit ihm den Unrechtsstaat DDR durch entschiedene Friedlichkeit und Konsequenz zur Aufgabe gezwungen. 

Die Bürgerrechtler*innen 

(Lachen bei der AfD)

von 1989 sind für Freiheit und für Demokratie auf die Straße gegangen. Ein wesentlicher Antrieb war zudem, die verheerenden Umweltzerstörungen der DDR zu beenden. Das betraf in besonderer Weise auch den Braunkohleabbau und die ungezügelte und oft ungefilterte Verbrennung von Millionen Tonnen Braunkohle. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Notwendigkeit, Umweltzerstörung zu beenden, und die wirtschaftlichen Verwerfungen nach 1990 haben im mitteldeutschen Braunkohlerevier zu einer Strukturveränderung geführt, die bis heute von den betroffenen Bergleuten und den im Energiesektor Beschäftigten und ihren Familien als Strukturabbruch und erzwungener Wandel erinnert wird - notwendig, aber eben auch erzwungen. 

Heute stehen wir in Sachsen-Anhalt vor der Frage, wie wir den Wandel gestalten; denn wir stehen wieder an einem Scheideweg. Doch dieses Mal geht es nicht um den Ausstieg, nicht um Strukturabbruch, sondern um den Aufstieg - einen Aufstieg, Sachsen-Anhalt in ein Energieland der Zukunft zu wandeln, ein Energieland, das Arbeitsplätze sichert, Investitionen in die Infrastruktur auslöst und Wertschöpfung im ländlichen Raum stärkt. 

Wenn wir auf die Geschichte des mitteldeutschen Reviers zurückblicken, so sehen wir eine lange Tradition im Bergbau. Bereits im 13. Jahrhundert gibt es Erwähnungen einer Kohlegrube bei Lieskau. Später finden sich immer mehr brennbare Erden oder pechhaltiges Holz. Im 17. Jahrhundert begannen Menschen hier in der Region vermehrt in den Tiefen des Erdreiches nach Kohle zu graben.

Ende des 19. Jahrhunderts kam es durch die Industrialisierung zum Boom mit mehr als einhundert aktiven Abbaustätten im Revier. Beide Weltkriege befeuerten die Nutzung von Braunkohle. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Braunkohle zusätzlich ein attraktiver Ausgangsstoff für die chemische Industrie, welche sich zunehmend in unserer Region ansiedelte. 

Meine Heimat war jahrzehntelang das energetische Zentrum der DDR. Schkopau, Bitterfeld und die ganze Region gaben den Takt des Landes vor. Aber auch damals gab es schon Energiekrisen. Die Folgen der Ölkrise führten zu einer massiven Zunahme des Braunkohleabbaus, während gleichzeitig die Vorkommen dafür immer geringer wurden und es zu ersten Stilllegungen kam. 

Dass die DDR-Regierung teilweise radikal vorging, um Rohstoffe zu gewinnen, zeigte sich in den Plänen, ein Drittel des Bezirks Cottbus abbaggern zu wollen. Für die Menschen und die Landschaft war der Braunkohleabbau alles andere als folgenlos und dennoch war er für viele Alltag. Saurer Regen, kaputte Wälder, rußige Fenster, vertriebene Bewohner und weggebaggerte Dörfer sind nur einige Beispiele. 

Beinahe jede und jeder in der DDR hatte Verwandte, die in der Braunkohle oder in der damit verbundenen Industrie arbeiteten. Als Kind begann ich erst, den Widerspruch zu spüren, wenn ich auf die mächtigen Schlote rund um Merseburg blickte. Sie ragten wie stumme Riesen in den Himmel, nichts ahnend, welche Unmengen an Giftstoffen sie Tag für Tag in die Luft spuckten. 

Auch das hat dazu geführt, dass ich im Januar 1990 das erste Mal in meinem Leben an einer Demonstration teilnahm, an der großen Umweltdemonstration in Merseburg mit mehr als Zehntausend Teilnehmenden. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Rückblickend wird mir bewusst, dass hinter dem vertrauten Anblick aus dem Fenster meines Kinderzimmers ein gefährliches Spiel aus Wirtschaft, Macht und Umweltzerstörung verborgen lag. Als dann vor 35 Jahren beinahe alle Bagger verstummten und das Land wirtschaftlich aus dem Takt kam, kostete die Wiedervereinigung viele Menschen die Arbeit. Wohlstand ließ lange auf sich warten und während Jobs und junge Menschen gingen, gab es einen Verlust, auch an Identität. 

Die Braunkohle hat seit Jahrhunderten unsere Dörfer, unsere Städte und das Selbstverständnis ganzer Generationen geprägt. Sie hat Menschen ernährt und Arbeit gegeben. Sie hat aber auch Landschaften verändert und unsere Umwelt großflächig zerstört. Das alles sind Spuren, die wir heute als Teil unserer Geschichte bewahren und aufarbeiten wollen und müssen, die wir aber nicht fortsetzen wollen. Insofern sage ich noch einmal deutlich: Herr Roi, es wird in Sachsen-Anhalt keinen Braunkohleabbau mehr geben. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen die Egelner Mulde nicht abbaggern, wir wollen Lützen nicht abbaggern und wir sagen nein zu neuen Tagebauen in Sachsen-Anhalt. 

Heute stehen wir wieder an einem Wendepunkt. Katherina Reiche plant neue Gaskraftwerke, und zwar nicht an bestehenden Infrastrukturen, sondern quasi ausschließlich im Süden und Westen Deutschlands. Das ist ein Affront. An dieser Stelle werden klar die Länder bevorzugt, die die Energiewende verschlafen haben, und es wird Lobbyismus für große Gaskonzerne betrieben. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Diese Pläne gefährden nicht nur Klima und Industrie, sie verzerren auch den Markt. Dies zeigt sich am verbitterten Ringen mit der EU-Kommission. Zu Recht wurden die klimaschädlichen 20-GW-Pläne der Ministerin in Brüssel abgewürgt; denn sie verstoßen klar gegen das EU-Beihilferecht. Hier sollte eine sterbende Energieerzeugung künstlich mit öffentlichen Fördergeldern am Leben erhalten werden. Dass jetzt zunächst 8,5 GW geplant sind, ist, glaube ich, ein deutlicher Fingerzeig. Am Ende landet Frau Reiche dort, wo Herr Habeck hinwollte. 

Während Batteriespeicher den Markt immer weiter dominieren, weil sie flexibel und günstig Strom speichern - wir hatten zuletzt in Förderstedt oder auch in Zerbst die Gelegenheit, als Landtagsabgeordnete, uns das anzugucken  , hätten Reiches Pläne zur Folge gehabt, dass genau diese privaten Konkurrenten die Stromspeicher aus dem Markt gedrängt hätten. 

Mit Versorgungssicherheit haben die Ideen der Ministerin nichts zu tun. An dieser Stelle wurde vor den Augen der Bevölkerung fossiler Lobbyismus betrieben. Mit ihren gasgetriebenen Ideen ist sie aber krachend gescheitert. 

Hierbei geht es nicht nur um die reine Energieerzeugung, sondern es geht um Arbeitsplätze, um Arbeitsplätze in unserer Region und, ja, um die Zukunft unseres Bundeslandes. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir Ostbundesländer wieder einmal den Kürzeren ziehen, obwohl wir die besseren Voraussetzungen haben. 

Wir haben die notwendige Energieinfrastruktur, ingenieurtechnische Expertise und einen globalen Player in der Region, und zwar die Chemieindustrie. Sie ist ein idealer Abnehmer von grünem Wasserstoff und ein essentieller Arbeitgeber in der Region mit einer Wirtschaftsleistung von mehr als 10 Milliarden €. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die energieintensive Chemie- und Industrielandschaft in Mitteldeutschland profitiert schon heute von der hohen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien. Klimaschonende Technologien und die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff sind schon heute wichtige Verkaufsargumente. Die Nachfrage nach sauberer Produktionsenergie wird stetig zunehmen und Unternehmen richten ihre Geschäftspläne danach aus. 

Die Lösung liegt deshalb nahe, dass wir das Braunkohlekraftwerk Schkopau zukunftsfähig gestalten und wasserstofffähig umrüsten - H2-ready also, um genau zu sein. Nicht mit Öl und Kohle werden wir Energieland bleiben, sondern mit einem klaren Aufbruch in Richtung erneuerbare Energien und grünem Wasserstoff. 

Ökonomisch haben sich Solar- und Windkraft längst durchgesetzt und sind für die Unternehmen zu einem festen Anker bei Ansiedlungen geworden. Mit diesem Antrag rufen wir die Landesregierung und die regierenden Parteien heute dazu auf, sich stärker für unsere Region einzusetzen. Wir wollen Sachsen-Anhalts Energietradition erhalten und unser Land zur Drehscheibe des europäischen Wasserstoffs machen. Dafür brauchen wir Gaskraftwerke, die umgerüstet werden. Dafür brauchen wir ein Gaskraftwerk, konkret H2-ready in Schkopau. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Alexander Räuscher, CDU, lacht)

Schkopau kann Vorreiter sein. Statt den Block im Jahr 2034 abzuschalten, bauen wir ihn um. 

Meine Damen und Herren! Auch in zehn Jahren werden wir gemeinsam das „Steigerlied“ singen. Es wird dann aber in einer Landschaft erklingen, die von erneuerbaren Energien geprägt ist, in Landschaften, in denen aus einst kargen Kratern ökologische Oasen und Naherholungsorte geworden sind. Es wird gesungen von Elektrotechnikingenieuren oder Wissenschaftlerinnen anstatt von Bergmännern, Menschen, die die Energie von morgen gestalten. Das Lied der Arbeit, des Stolzes und des Miteinanders, es bleibt. Dafür braucht es heute ein klares Ja zu einem H2-ready-Gaskraftwerk in Schkopau, Ja zu Arbeitsplätzen, Ja zum Klimaschutz, Ja zu einem Energieland, das seine Tradition nicht verrät, sondern in die Zukunft trägt. 

Der vorliegende Antrag fasst diese Linie zusammen und benennt die Gefahren, wenn die Landesregierung politisch untätig bleibt. Parteiinteressen dürfen an dieser Stelle nicht über den Interessen unseres Bundeslandes stehen. Anstatt also an einem fossilen Energiewahn unter dem Deckmantel der Nostalgie und der Tradition festzuhalten, wollen wir aus unserer Geschichte lernen. Ich möchte insbesondere meine Heimat in die Zukunft tragen. Darum setze ich mich für den Erhalt und die Weiterentwicklung des Chemie- und Energiestandorts Mitteldeutschland ein. - Vielen herzlichen Dank.