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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 19

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Justizvollzugsrechts in Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 8/5477


Wir haben verabredet, dass hierzu nur die Einbringung und keine Debatte erfolgt. Ein Redebedarf von Herrn Striegel ist angemeldet worden. Wir kommen jetzt zur Einbringung. - Frau Weidinger, bitte schön.

(Zustimmung von Marco Tullner, CDU)


Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Justizvollzug in Sachsen-Anhalt, der die Einhaltung verfassungsrechtlicher Vorgaben garantiert, indem er das gesetzliche Resozialisierungskonzept anpasst, auf die mit der zunehmenden Einbringung von neuen psychoaktiven Stoffen einhergehenden Fakten reagiert und schließlich vollzugspraktische Erfahrungen in Neuregelungen überträgt. 

Das Bundesverfassungsgericht hat im Juni 2023 entschieden, dass die vollzugsrechtlichen Regelungen des Landes Nordrhein-Westfalen und des Freistaates Bayern nicht mit dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot vereinbar sind. Kern dieser Entscheidung waren die Regelungen zur Gefangenenarbeit und deren Vergütung vor dem Hintergrund des Resozialisierungsgebotes. Neben dem Schutz der Allgemeinheit, so der Senat, hat der Justizvollzug vor allem die Aufgabe, Gefangene zu befähigen, in sozialer Verantwortung ein Leben inmitten der Gesellschaft ohne Straftaten zu führen. 

Die Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts haben zu einer Überprüfung des Justizvollzugsrechts in Sachsen-Anhalt geführt. Das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot verpflichtet danach den Gesetzgeber unter anderem dazu, ein umfassendes, wirksames und in sich schlüssiges, am Stand der Wissenschaft ausgerichtetes Resozialisierungskonzept zu entwickeln und in Gesetzesform zu geben. 

Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die Stärkung der Anerkennung von Arbeit, die zu einer Anhebung der Gefangenenlöhne führt. Der Stellenwert von Arbeit hinter Gittern soll gestärkt werden. Damit werden die Gefangenen besser in die Lage versetzt, Selbstzahlungen zu tätigen, um z. B. Opfer zu entschädigen, Unterhaltsansprüche zu erfüllen oder Schulden zu tilgen.

Daneben werden mit dem Gesetzentwurf, wie eingangs angesprochen, vollzugspraktische Erfahrungen etwa im Rahmen von Aufnahmeverfahren und in der Vollzugsplanung umgesetzt und es wird auf aktuelle Herausforderungen reagiert.

Folgende Änderungen möchte ich hervorheben: Der Zweck und die Funktion von Gefangenenarbeit und deren Vergütung sollen gesetzlich geregelt werden. Beides ist wesentlicher Bestandteil des Resozialisierungskonzeptes und soll zur klaren Erkennbarkeit im Gesetzestext geregelt werden. Wir erhöhen die Eckvergütung für Gefangene von 9 % auf 15 % der Bezugsgröße des SGB IV und entsprechend für Untergebrachte in der Sicherungsverwahrung von 16 % auf 22 %. Der Stundenlohn für eine Arbeit mit durchschnittlichen Anforderungen würde so von 2,02 € auf 3,37 € deutlich steigen. Das sind in etwa, bei durchschnittlichen Anforderungen von 253 € im Monat, 421 €.

Drittens. Weitere nicht monetäre Vergütungsbestandteile sollen in das Justizvollzugsgesetzbuch aufgenommen werden. Zum einen soll es Gefangenen möglich sein, jährlich bis zu acht Freistellungstage, also arbeitsfreie Tage, zu erarbeiten, die in geeigneten Fällen haftzeitverkürzend genutzt werden können. Zum anderen sollen für ein halbes Jahr zusammenhängender Arbeit 5 % der Verfahrenskosten erlassen werden können. Wesentliche Rahmenbedingungen der Vergütungsregelung werden in das Gesetz überführt, um dem Wesentlichkeitsgrundsatz gerecht zu werden.

Der Gesetzentwurf schafft die vollzugsrechtliche Grundlage für die Einführung des sogenannten Day-by-Day-Modells. Dies sieht vor, dass die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch die tageweise Leistung freier Arbeit auch nach Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe, also im Vollzug, verkürzt werden kann, dann allerdings ohne Lohn.

Mit dem Entwurf sollen die Möglichkeiten der Anstalten gestärkt werden, den Gefahren für die Gesundheit der Gefangenen und die Sicherheit und Ordnung in den Anstalten entgegenzutreten, die durch psychoaktive Stoffe entstanden sind. Mit der Neuregelung werden Rechtsgrundlagen geschaffen, um eingehende Schriftstücke in diesem Zusammenhang durch Fotokopien zu ersetzen. Auch soll die Möglichkeit geschaffen werden, Schreiben von Verteidigern gesondert an die Justizvollzugseinrichtungen gerichtete Begleitschreiben beizufügen, um die Authentizität des Absenders besser prüfen zu können und so einem Missbrauch von gesetzlich privilegiertem Schriftgut zur Einbringung dieser psychoaktiven Stoffe wirksam entgegenzutreten. Hiermit soll die Kommunikation zwischen Verteidiger und Gefangenem geschützt werden.

Dieser Gesetzentwurf ist das Ergebnis intensiver länderübergreifender Gespräche. Wir reagieren damit nicht nur auf eine verfassungsgerichtliche Entscheidung, sondern wir setzen einen weiteren Grundpfeiler für einen zeitgemäßen Justizvollzug in Sachsen-Anhalt und erfüllen damit ein Stück weit den Koalitionsvertrag. Ich würde mich freuen, das im Rechtsausschuss und mitberatend im Finanzausschuss näher zu erörtern. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Marco Tullner, CDU: Sehr gut!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Ministerin Weidinger.