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Plenarsitzung

Transkript


Tagesordnungspunkt 23

Beratung

Warmes Zuhause - Energieeffiziente Gebäudesanierungen für alle ermöglichen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/6148


Einbringerin ist Frau Lüddemann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie hat das Wort. - Bitte sehr.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In den letzten Wochen hat ein Brief viele von uns erreicht, die Nebenkostenabrechnung - ein Brief, der bei vielen Menschen negative Emotionen weckt. Die kleine Hoffnung, dass man gegen alle Erwartungen vielleicht doch eine kleine Rückzahlung erhält, wird mit dem Öffnen schnell zerschmettert. Ich kann mich noch gut an meine Zeit als alleinerziehende Mutter ohne Abgeordnetenmandat erinnern. Damals musste oft nicht nur ein Kinobesuch weichen, wenn die Abrechnung kam. 

Für viele Menschen bedeutet dieser Brief aber weitaus mehr als nur ein kleines Ärgernis. Nachzahlungen von mehreren Hundert Euro lassen den Geldbeutel brachial zusammenschrumpfen. Sie gefährden die Existenzen von Menschen in diesem Land. Dann geht es nicht nur darum, wie viele Weihnachtsgeschenke man sich leisten kann, sondern es stellt sich die Frage: Was kann ich morgen essen, ohne den Herd anmachen zu müssen? 

Wenn wir also über Nebenkosten sprechen, dann sollten wir uns bewusst sein, dass wir hierbei mittlerweile von einer zweiten Miete sprechen. 1 376 € - so viel zahlen ostdeutsche Haushalte nämlich im Durchschnitt pro Jahr allein für das Heizen. Das sind 5 % mehr als im Westen, und das, obwohl die Einkommen bei uns in Sachsen-Anhalt im Durchschnitt niedriger sind. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Diese Ungerechtigkeit trifft Menschen, die ohnehin wenig haben: Rentnerinnen, Alleinerziehende, Familien mit kleinem Einkommen. Sie alle fragen sich: Wo bleibt die versprochene Hilfe? 

Denn während sich Besserverdienende Solardächer und neue Heizsysteme in ihre Eigenheime einbauen und sich dies leisten können, geraten ärmere Haushalte immer weiter ins Hintertreffen. Förderprogramme gibt es viele, aber sie sind zu kompliziert, zu bürokratisch und oft auf Menschen zugeschnitten, die ohnehin über Rücklagen verfügen und sich die Anfangsinvestition leisten können. 

Auf der anderen Seite haben wir einen großen Investitionsstau bei Mietwohnungen zu verzeichnen, was bedenklich ist, wenn immerhin die Hälfte aller Menschen zur Miete wohnt. Zu oft erleben wir, dass Vermieter notwendige Sanierungen aufschieben, keine Energieausweise ausstellen oder die CO2-Ausgleichszahlung nicht zahlen. Sie reichen die Verantwortung für steigende Nebenkosten anstandslos schlicht weiter. Appelle zum richtigen Lüften wirken dann besonders als Hohn, wenn gleichzeitig nicht einmal doppelt verglaste Fenster oder Wärmedämmung im Gebäude vorhanden sind. 

Dabei gilt: Wer vermietet, der trägt auch die Verantwortung für den energetischen Zustand seiner Gebäude. Eine Wärmewende, die sozial gerecht ist, muss daher auch klare Anreize und Verpflichtungen für Eigentümer schaffen, ihre Gebäude auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen, ohne die Mietkosten exponentiell steigen zu lassen. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Heizen und warmes Wasser sind in Deutschland zu einer sozialen Frage geworden. Nach aktuellen Erhebungen heizt jeder 16. Haushalt in Sachsen-Anhalt nicht ausreichend. Wenn Menschen anfangen, aus Kostengründen weniger zu heizen, dann reden wir nicht mehr nur über das Geld. Dann reden wir über Gesundheit, über Würde, über Teilhabe. Wer friert, der zieht sich zurück und lädt niemanden mehr ein. Energiearmut macht einsam und ist ein reales Problem, das mitten in unserer Gesellschaft angekommen ist. Das ist keine Randnotiz, sondern ein sozialpolitisches Alarmsignal. Verbraucherzentralen und Energieberater können ein trauriges Lied davon singen. 

Deshalb müssen wir sagen: Die Wärmewende ist nicht das Problem, sie ist die Lösung. Noch nie gab es so viele technische Möglichkeiten, klimaneutral zu heizen: Wärmepumpen, Solarthermie, Holzpellets, Nahwärmenetze, intelligente Gebäudesteuerung. Sachsen-Anhalt ist federführend beim Einbau von Wärmepumpen. Mehr als 80 % der neuen Wohngebäude sind mit einer Wärmepumpe ausgerüstet. Das zeigt, es ist technisch und ökonomisch machbar. 

Trotz technischer Möglichkeiten sieht es im Altbau aber noch anders aus. Dort dominieren alte Gas- und Ölheizungen, schlecht gedämmte Fassaden und veraltete Fenster. Genau hierin entscheidet sich zukünftig, ob die Wärmewende gelingt oder ob sie zur sozialen Spaltung führt. Denn klar ist: Die Menschen möchten gern sanieren und moderne, effiziente Technik besitzen. Ja, sogar die Herren von der AfD bauen sich Solaranlagen an das Fenster, wie wir von diesem Pult aus erfahren durften. 

(Tobias Rausch, AfD: Ist ja nicht schlimm! „Technologieoffenheit“ heißt das!)

Technisch ist klar: Erneuerbare Energien sind die Zukunft und müssen im Wohnungsbereich mit Sanierungsmaßnahmen kombiniert werden. Die Gründe, warum Modernisierungen nicht stattfinden, sind vielfältig. Inflation, Energiekrise und Materialknappheit führen zu hohen Baukosten. Fehlende Handwerker zögern Projekte monatelang hinaus und zu hohe Kreditzinsen treiben Haushalte an die Grenze der Verschuldung.

Das Ergebnis: Menschen, die eigentlich bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und ihre Gebäude energetisch zu modernisieren, werden ausgebremst von einem System, das Investitionen erschwert, statt sie zu ermöglichen. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zusätzlich vernichten laufende Hypotheken und fehlendes Eigenkapital Träume von kostengünstigen Förderprogrammen. Genau dort greift unser Antrag. Denn wer sanieren will, der darf nicht am Zugang zur Finanzierung scheitern. Darum brauchen wir Förderinstrumente, die gezielt jene entlasten, die es am dringendsten brauchen - mit auskömmlichen Zuschüssen, mit bis zu 100 % für einkommensschwache Haushalte,

(Guido Kosmehl, FDP: Zuschüsse bis zu 100 %!)

mit vereinfachten Antragsverfahren und gestaffelten Rückzahlungen, die sich am Einkommen orientieren. 

Während Banken Kredite oftmals verwehren, kann das Land aktiv mitgestalten und Bürgschaften ermöglichen. So erhalten Menschen ohne Sicherheiten auch Kredite und damit eine Chance. Diese Lösung liegt auf dem Tisch. Über soziales Leasing bei Elektroautos wurde in den vergangenen Monaten viel diskutiert. Das gleiche Prinzip kann man auch für den Wärmebereich anwenden. Kunden zahlen monatliche Raten an ein Leasingunternehmen, bspw. Wärmepumpenhersteller oder Handwerker. Das ist mittlerweile für Wärmepumpen möglich. 

Wir wollen aber den Zugang noch erweitern und sozialer gestalten: einkommensabhängige Förderungen oder gezielt Haushalte mit geringem Einkommen unterstützen. Ein weiterer Vorteil von Leasing wäre, dass nicht nur das Gerät, sondern auch Monitoring, Wartung und Instandhaltung finanziert werden. So schaffen wir einen niedrigschwelligen Zugang zur Wärmewende. Das Land kann dabei auf das Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ zurückgreifen, also auf Mittel, die für genau solche Maßnahmen vorgesehen sind, für Projekte, die Klimaschutz, Wirtschaftsförderung und soziale Stabilität verbinden. 

Wir als Land und Staat haben uns dazu verpflichtet, den Pariser Klimavertrag einzuhalten. Das bedeutet, die Emissionen bis 2030 um mehr als die Hälfte zu reduzieren. Im Jahr 2024 haben wir unser gestecktes Ziel geschafft, sehr gut. Aber wir müssen diesen Weg konsequent weitergehen. Der Gebäudesektor hinkt noch immer hinterher. Allein mit dem CO2-Preis werden wir die Emissionen nicht reduzieren. Ohne soziale Abfederung führt das sogar zu neuen Ungerechtigkeiten und vertieft die finanzielle Belastung vieler Menschen. Wir brauchen einen ausgewogenen Mix an verschiedenen Instrumenten: Förderung, CO2-Preis und politischer Rahmen. 

Jedes Verzögern, jedes politische Ausharren, wie wir es aktuell auf der Bundesebene erleben, macht Modernisierungen teurer und verschärft die Energiearmut. Je länger wir warten, desto höher sind die Kosten - für den Staat, für die Umwelt und vor allem für die Menschen im Land. 

Sich darüber zu freuen, dass durch den Klimawandel die Winter milder werden und weniger geheizt werden muss, ist ein sehr gefährlicher Trugschluss. Denn das heißt auch, dass unsere Jahreszeiten unberechenbarer werden. Dürren, Starkregen, Extremwetter sind die Geschwister von milden Wintern. 

Wir haben heute viel über das Stadtbild gestritten. Dabei zeigt sich, dass Menschen mit Migrationshintergrund nicht das Problem sind, sondern leere Gebäudehüllen, dreckige Straßen und laute Autos. Ich möchte einen weiteren Aspekt hinzufügen. Denn eine sozialgerechte Wärmewende verändert nicht nur die Energiebilanzen, sondern auch das Gesicht unserer Städte und Dörfer. Wenn Menschen ihre Wohnungen instand halten und energetisch sanieren können, dann entstehen gepflegte und lebenswerte Siedlungen. Gedämmte Fassaden, neue Fenster, begrünte Dächer und Solaranlagen - all das sind Elemente, die ein modernes Stadtbild prägen können. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Wohnen also bezahlbar bleibt, wenn niemand aus seinem Zuhause verdrängt wird, dann bleibt auch das Stadtbild erhalten und der soziale Zusammenhalt wird gestärkt. Somit ist Klimaschutz auch ein Zweck für sichtbare Lebensqualität. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Technologie ist vorhanden, die Not ist vorhanden, es fehlt der politische Wille. Wärmewende jetzt, sozial, schnell und finanzierbar - das ist unser Antrag.