Marco Tullner (CDU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Teil drei der beliebten Reihe „Wissenschaftspolitik ist wichtig und deswegen am frühen Morgen platziert“
(Lachen)
hat uns mit dem Thema „Wissenschaft statt Manipulation - Genderpolitik an Hochschulen einstellen!“ beglückt.
Ich will einmal so anfangen: Herr Tillschneider, Sie haben gestern Abend gesagt, dass Sie eine sachliche Rede halten wollen. Ich will Ihnen zugestehen, dass ich schon schlimmere Reden von Ihnen gehört habe. Ich will sagen: Es ist Ihnen ein Stück weit gelungen, wie ich fand,
(Lachen bei der CDU, bei der AfD und bei der SPD)
auch wenn ich die Inhalte zu großen Dimensionen nicht teile.
(Zuruf von der AfD)
Erstens. Ich fange einmal mit den Formalien an. Sie wollen, dass wir bei künftigen Zielvereinbarungen sozusagen hier handeln. Nun haben wir gerade vor - keine Ahnung - sechs, sieben, acht Wochen die neuen Zielvereinbarungen für fünf Jahre beschlossen, sodass der Antrag zeitlich überhaupt nicht dazu passt, weil in den nächsten fünf Jahren gar keine Zielvereinbarungen verhandelt werden. Das ist kein inhaltliches Argument, aber es ist eines, das wir an dieser Stelle, glaube ich, beleuchten müssen.
Der zweite Punkt ist das - ich bitte Sie, wirklich darüber nachzudenken , was die Ministerin quasi zum Mittelpunkt ihrer Rede gemacht hat: Wenn wir als Politiker jetzt anfangen, uns Themenbereiche herauszusuchen, die wir nicht mögen, und deswegen sagen, dass diese nicht an unsere Hochschulen gehören, dann kommen wir in eine Verbotskultur hinein. Man kann das inhaltlich immer - da haben wir alle unsere Assoziationen - wollen, aber am Ende sind das dann keine Hochschulen mehr.
(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP)
Dann leben wir in einer Zeit, in der Verbote regieren und Denken eingeschränkt wird, und das wollen Sie am Ende auch nicht, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Deswegen finde ich diesen Ansatz an der Stelle ausgesprochen schwierig. Die Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes Gut, und der sollten wir uns, einmal abgesehen von Verfassungsfragen etc., nicht entgegenstellen
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
- Vielen Dank. - Aber der eigentliche Punkt ist: Wie halten wir es mit der Genderei im politischen Diskurs? - Ich habe mit vielen Kollegen meiner Fraktion gesprochen; dazu gibt es ein breites Meinungsspektrum. Viele sind genervt von dem ganzen Zeug und fühlen sich damit überfordert. Zu denen gehöre ich gelegentlich auch, weil, wenn man über 28 Geschlechtsdimensionen nachdenken muss, mich das einfach überfordert, weil ich das nicht mit meiner Lebenswirklichkeit in Übereinstimmung sehe.
(Zuruf von der SPD)
Aber es gibt auch andere Meinungen. Gerade unsere Kolleginnen haben oft das Gefühl, dass wir doch in Zeiten leben, in denen die Jungs immer noch relativ dominant vortanzen, und die Kolleginnen sich in ganz verschiedenen Dimensionen nicht immer in dem gebotenen Maße widergespiegelt fühlen. Zum Beispiel in der Medizin gibt es große Debatten um die Frage, ob der weibliche Körper andere medizinische Dimensionen abbildet als der männliche.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)
Ich bitte Sie einfach, darüber noch einmal nachzudenken, ob dieser pauschale Wurf über die Dimensionen der Gender-Forschung wirklich gerechtfertigt ist.
Ich glaube, Sie haben recht, dass hier auch Aktivismus betrieben wird. Es gibt große Beispiele, von denen man sagen kann, da gibt es eine Vermischung zwischen Wissenschaft und Aktivismus. Ich glaube, wir als Politik müssen diese Debatte sehr energisch fordern und uns selber klar positionieren.
Aber dass wir das Thema in Bausch und Bogen so behandeln, wird ihm, finde ich, bei aller kritischen Reflexion, die ich nachvollziehen kann, nicht gerecht, und deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen. - Danke.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Dr. Tillschneider, eine Intervention?
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Ja, und zwar habe ich eine Frage, auch ganz sachlich. Ich will Sie nicht in eine Falle locken.
Marco Tullner (CDU):
Nein.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Was ist Ihrer Meinung nach Wissenschaft? Wie definieren Sie Wissenschaft? Weshalb fallen Gender Studies darunter? Und: Wenn es so weit kommt - Sie haben sich am Schluss auch kritisch in diese Richtung geäußert -, dass es eigentlich kaum noch einen Unterschied gibt zwischen einem politischen Seminar und der Arbeitsgruppe der Programmkommission einer Partei, wenn also Aktivismus, politische Programmatik betrieben wird, die auf gesellschaftliche Veränderung abzielt, ist das dann noch Wissenschaft?
Marco Tullner (CDU):
Jetzt haben Sie mir zentrale Fragen gestellt.
(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Immer!)
Hochschulen und die Einrichtungen der Wissenschaft sind für mich ein Raum, in dem ich vorurteilsfrei über alles, was auf dem Boden der Verfassung steht, nachdenken und reflektieren kann und um Erkenntnisse ringe. Das ist in vielerlei Hinsicht keine sehr originelle Dimension, und bei Wikipedia kann man sicherlich noch nachlesen, was sonst noch an Debatten dazukommt.
Ich will trotzdem eines sagen: Auch Hochschulen sind am Ende ein Ort, an dem nicht nur Debatten der Wissenschaft, sondern auch die Gesellschaft erreichende Debatten geführt werden sollten und müssten.
(Zustimmung von Dr. Anja Schneider, CDU)
Wir müssen nur aufpassen, dass am Ende nicht - ich nehme einmal das Beispiel des Nahostkonflikts - politische Debatten in die Hochschulen getragen werden; das haben wir gestern auch kurz beleuchtet. Davor müssen wir einen klaren Riegel schieben; an der Stelle sind die Hochschulen stärker denn je gefragt.
Ich rufe ein Beispiel an der Universität in Halle in Erinnerung. Dort hat, glaube ich, die Bewegung Fridays for future zentrale Universitätsgebäude besetzt und die Lehre blockiert. Am Ende gab es einen Kompromiss, sodass sie abgezogen sind. Aber das Rektorat hat ihnen versprochen, zukünftig in allen Lehrdimensionen ihre Anliegen zu berücksichtigen. Das, finde ich, ist nicht der richtige Weg. Hier müsste die Hochschule eine klare Kante zeigen, wie auch beim Nahostkonflikt, und darf sich davon nicht beeinflussen lassen.
Aber dennoch - damit komme ich noch einmal zurück auf das Thema Gender - ist es nicht angemessen, hier alles in Bausch und Bogen zu verbieten. Vielmehr kommt es darauf an, dass für eine kluge Abwägung zwischen den wissenschaftlichen Belangen Die sollen von mir aus auch sein, auch wenn sie mich nicht fürchterlich interessieren. Aber auf der anderen Seite hat politischer Aktivismus nichts an der Hochschule zu suchen; dafür müssen wir Sorge tragen. Diese Vermengung - darauf haben Sie hingewiesen - ist ein Problem, mit dem wir uns sehr aufmerksam beschäftigen müssen. Darauf lege ich auch ausdrücklich Wert. - Vielen Dank.