Dr. Katja Pähle (SPD):
Danke, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! An erster Stelle möchte ich sagen, ich bin dem Ministerpräsidenten von ganzem Herzen dankbar für diese Antwort auf die Rede von Herrn Siegmund.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der Linken, bei der FDP und bei den GRÜNEN)
Es hat auch uns Sozialdemokraten gezeigt, warum wir Teil dieser erfolgreichen Deutschland-Koalition sind. Und daran wollen wir auch weiter festhalten.
(Zuruf von Jörg Bernstein, FDP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD. - Dieses Zitat des Pressesprechers der AfD-Bundestagsfraktion ist das einzige Motiv,
(Zuruf von der AfD: Ex-Pressesprecher!)
um das es Ihnen mit dieser Debatte geht; nichts sonst.
Nein, Sachsen-Anhalt hat keine vier verlorenen Jahre hinter sich. Schon allein deswegen nicht, weil unser Land in dieser Wahlperiode seit fast vier Jahren von einer demokratischen Koalition mit einer stabilen parlamentarischen Mehrheit regiert wird. Ja, in einer Koalition aus drei Partnern mit sehr unterschiedlichen Positionen sind mehr und andere Kompromisse nötig als in einem Bündnis von zwei Parteien, die sich politisch nahestehen.
Aber das gilt heute ganz genauso wie in der vergangenen Legislaturperiode, damals in anderer Zusammensetzung. Auch das waren keine fünf verlorenen Jahre, sondern Jahre harter Arbeit und angestrengten Ringens um tragfähige Lösungen.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)
Denn die Probleme, die ohne Zweifel auch in Sachsen-Anhalt vorhanden sind, die liegen nicht am Zwang zum Kompromiss. Einen Kompromiss zu finden heißt, mehrheitsfähige Politik zu gestalten. Das gehört zum Wesen der Demokratie.
Das Problem in dieser Wahlperiode sind eher die 221 000 verlorenen Stimmen. So viele Menschen haben bei der letzten Landtagswahl AfD und damit eine Partei gewählt, die seither im Landtag einen Antrag nach dem anderen einbringt, der auf konsequenter Realitätsverweigerung beruht - so auch heute.
(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN - Lachen bei der AfD)
Wenn sie über die Probleme in Sachsen-Anhalt sprechen, dann gibt es da keinen russischen Angriffskrieg, der zum Ende der Lieferung von billigem Gas geführt und die Energiepreise nach oben geschrieben hat. Die Einstellung der Gaslieferungen war der Problemauslöser und nicht die Sanktionen der EU. Auf diese neue Entwicklung haben die damalige Bundesregierung und die aktuelle Landesregierung mit großer Umsicht reagiert und sie gemeistert.
Bei Ihnen gibt es auch keinen Klimawandel, der Versicherungsprämien steigen lässt, keinen CO2-Ausstoß, der den Kohleausstieg notwendig und richtig macht, und keinen strahlenden Müll, der die Atomkraftwerke zur technologischen Sackgasse gemacht hat.
Und weil Sie das alles nicht erkennen wollen, darf es bei Ihnen auch die positive Dynamik nicht geben, mit der in Sachsen-Anhalt die erneuerbaren Energien voranschreiten und die Energiewende vorangetrieben wird. Mit diesen erneuerbaren Energien wird gutes Geld verdient. Die Bürgerinnen und Bürger setzen das mit Balkonkraftwerken und Speichermöglichkeiten und Wärmepumpen auch ganz individuell um, ohne Zwang und ohne Gesetz.
Bei Ihnen gibt es keinen Arbeitskräftemangel, obwohl Industrie- und Handwerksbetriebe händeringend nach Nachwuchs suchen und die Menschen nicht nur im ländlichen Raum vor verschlossenen Restaurants stehen. Diese Probleme darf es aus der Sicht der AfD gar nicht geben, weil Sie die Lösung nicht wollen, die auf der Hand liegt. Denn neben einer Ausbildungsoffensive und der Integration von mehr Menschen in den Arbeitsmarkt geht auf Dauer natürlich nichts mehr ohne Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften.
Und weil Sie die nicht wollen, wollen Sie auch die erfolgreiche Integration von Ukrainern, von Syrern, von vielen Menschen aus den EU-Staaten in unseren Arbeitsmarkt nicht zur Kenntnis nehmen. Im Gegenteil - Sie schüren ohne Unterlass ein Klima von Rassismus und Angst und hintertreiben so das Wohlergehen des Landes, auch ohne dass Sie regieren. Denn Sachsen-Anhalt muss es schlecht gehen, damit es der AfD gut geht.
(Oliver Kirchner, AfD: Voll am Thema vorbei, wie immer!)
Genauso verschließen Sie die Augen vor den strukturellen Veränderungen im Gesundheitswesen, die den Umbau unserer Krankenhauslandschaft erfordern, im Bund wie in den Ländern. Denn Operationen, die durch den medizinischen Fortschritt ambulant ausgeführt werden können, füllen keine Krankenhausbetten mehr und brauchen keine Betten auf der Intensivstation.
Patienten, die sich für ihre OP die versierteste Klinik aussuchen, fallen für die Auslastung des alten Kreiskrankenhauses weg. Und Ärztinnen und Ärzte, die nicht aus dem Irak oder aus Ghana zuwandern, die können in Gardelegen und Sangerhausen nicht operieren. Was die Landesregierung und die Bundesregierung an Anpassungsleistungen im Gesundheitswesen vollzieht, ist wie eine Operation am offenen Herzen, aber mit großen Chancen für eine moderne, profilierte und bürgernahe Medizin.
(Zustimmung bei der SPD)
Bei Ihnen gab es ja auch keine Pandemie, wie sich erst im letzten Tagesordnungspunkt wieder gezeigt hat. Dass unser Land bei allen Schwierigkeiten glimpflich durch diese Krise gekommen ist, passt Ihnen genauso wenig ins Konzept. Und nicht zuletzt: Bei der AfD gibt es auch keinen Präsidenten Trump, der mit seiner erratischen Zollpolitik die Weltwirtschaft zu ruinieren droht mit unabsehbaren Folgen auch für Sachsen-Anhalt, und der dadurch, dass er die wissenschaftliche Power der USA unterminiert, die Axt an die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Landes legt.
(Zuruf von der AfD: Ach, wieder so ein Schwachsinn hier!)
„America first“ war offensichtlich destruktiver gemeint, als die meisten Wählerinnen und Wähler es verstanden haben. All diese objektiven Probleme gibt es bei der AfD nicht. Da gibt es nur die Wokeness, eine Ausgeburt rechtsextremistischer Fantasien.
Aber diese Koalition hat nun einmal die Aufgabe und die Verantwortung, mit diesen Problemen umzugehen, praktikable Lösungen zu finden und die Bürgerinnen und Bürger vor Überforderung und in den Umbrüchen unserer Zeit zu bewahren und zu schützen.
(Zustimmung bei der SPD)
Die Landesregierung und die Fraktionen, die sie tragen, kämpfen um die Erfüllung dieser Aufgaben. Sie tun das mit mehr Erfolg als manch andere und vor allen Dingen als manche Leute nach der Landtagswahl mitten in der Coronakrise es erwartet hätten und als es bspw. nach dem Beginn der Ukraine-Krieges auch ehrlicherweise zu erwarten war.
Was die Zukunftsperspektiven angeht, fallen die Vorstellungen naturgemäß zwischen den drei sehr unterschiedlichen Partnern auseinander. Je näher die Landtagswahl rückt, umso mehr werden die Debatten darüber zunehmen, welchen Weg Sachsen-Anhalt ab dem Jahr 2026 einschlagen soll.
Dieser Meinungsstreit gehört genauso zur Demokratie wie die Suche nach dem Kompromiss, der zwischen den Positionen vermittelt. Aber das ist ein produktiver Streit unter Demokratinnen und Demokraten über den besseren, den besten Weg.
(Zustimmung bei der SPD)
Bei Ihnen, meine Herren von der AfD, folgt auf die Realitätsverweigerung die Zerstörungswut. Herr Tillschneider ist ja dazu übergegangen, am Ende jeder Rede geradezu lustvoll auszumalen, was er alles an gesellschaftlichen Entwicklungen aus über 50 Jahren ausradieren will.
(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Ja!)
Aber dazu wird es nicht kommen. Wir setzen gegen das Zerrbild Ihrer Hetze das Bewusstsein, dass in der Demokratie und nur in der Demokratie die sachgerechten Lösungen entstehen können, die unsere Gesellschaft voranbringen, und ich betone, auch Sachsen-Anhalt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Bevor Herr Tillschneider seine Frage stellt, nutzen wir die Gelegenheit, Damen und Herren der Rehabilitationsklinik Bad Salzelmen zu begrüßen, die dafür gesorgt haben, dass ich rechtzeitig wieder hier bin. - Danke nochmal für die gute Betreuung.
(Beifall im ganzen Hause)
Herr Tillschneider, Sie haben das Wort.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Also, erst einmal kurz zu Ihrem Angriff am Schluss. Natürlich, in letzter Zeit habe ich oft am Ende der Reden skizziert, was wir so wollen. Aber Sie qualifizieren das als Hetze ab. Nach meinem Dafürhalten habe ich einfach nur sachlich dargestellt, was wir vorhaben. Es möge sich jeder diese Reden angucken und schauen, ob das jetzt Hetze ist oder einfach nur eine sachliche Darlegung.
Aber ich habe mich wegen etwas anderem gemeldet. Und zwar ist die AfD jetzt man mag es gut oder schlecht finden sehr stark im Land. Bei der Bundestagswahl bekam sie 37,1 % der Stimmen, wahrscheinlich jetzt sogar ein bisschen mehr.
(Stefan Ruland, CDU: Eher weniger!)
- Nein, nein. Wir sind zwar in den Umfragen um 2 % gefallen, die Werte sind aber seit der Bundestagswahl um 6 % gestiegen. Also, bleiben Sie mal auf dem Teppich.
Ich frage Sie jetzt: Woher kommt denn das? Also, die Altparteien weisen immer die Erklärung von sich, die Leute würden die AfD wählen, weil sie uns so gut finden, unser Programm gut finden und unsere Politik wollen. Nein, nein, das nicht; die wollen uns im Grunde nur einen Denkzettel verpassen.
Aber selbst wenn es so wäre ich glaube es nicht, aber selbst wenn dem so wäre , wenn 40 % Ihnen einen Denkzettel verpassen wollen, wenn sie sagen, uns fällt eher die Hand ab, als dass wir eine Altpartei wählen, dann wählen wir lieber die AfD, dann müssen Sie ganz schön viel falsch gemacht haben. Und jetzt frage ich Sie einmal: Was ist denn Ihre Erklärung, einmal ganz offen, was ist Ihre Erklärung dafür, dass fast 40 % der Wähler im Land die AfD favorisieren?
Dr. Katja Pähle (SPD):
Herr Präsident! - Ich fange einmal trotz alledem mit Ihrer ersten Bemerkung an. Sie haben hier erzählt, was die Fakten sind, was Sie vorhaben und dass es keine Hetze sei. Ich fand Ihre Auseinandersetzung hier am Pult mit beiden christlichen Kirchen schon sehr bezeichnend. Sie sagten, dass das nicht die wahren Kirchen sind, dass das ja alles nur rein indoktriniert wäre und dass sie sich mal wieder auf ihren Kern besinnen müssten. Das fand ich schon sehr hart.
Ihre Auseinandersetzung mit dem Bauhaus und auch den historischen Bezügen, das war schon schwer zu ertragen.
(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Darf man das nicht mehr? Ist das nicht mehr legitim oder was?)
- Sie dürfen das alles tun, aber dann tun Sie doch nicht so, als ob das einfach nur Faktenbasis ist und irgendwie dem Mainstream in der Bevölkerung entspricht. Sie haben ein ganz klares politisches Profil und eine klare Vorstellung davon, wie Sie Sachsen-Anhalt verändern wollen, und genau das habe ich gesagt.
(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Das mache ich doch! Ja, das ist richtig! - Christian Hecht, AfD: Das unterscheidet uns!)
Sie wollen Sachsen-Anhalt an vielen, vielen Stellen 50 Jahre in die Vergangenheit zurückbeamen. Wir sind froh, dass wir vorn dran sind in der Gestaltung von Zukunft. Das unterscheidet uns an dieser Stelle.
Das Ergebnis der Bundestagswahl - das sage ich als Sozialdemokratin ganz, ganz selbstkritisch - hatte etwas mit dem Abschneiden und mit dem Agieren der drei Koalitionspartner im Bund in der Ampelkoalition zu tun. Viele Themen, die uns allen auferlegt sind, die sich insbesondere nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ergeben haben, haben in den Transfer- und in Transformationsschritten die Bevölkerung einfach überfordert.
Und es gab viele, viele Dinge, die da nicht gut gelaufen sind, Themen, die nicht angegangen wurden. Und ich bin sehr, sehr froh, dass wir, trotz der Zerwürfnisse in Berlin, hier in Sachsen-Anhalt in der Deutschland-Koalition auch in dieser Zeit gut miteinander gearbeitet haben, wichtige Themen vorangetrieben haben, uns nicht davon haben ablenken lassen.
Ich bin weiterhin sehr froh darüber, dass sich in Berlin jetzt eine Bundesregierung zusammengefunden hat, die sich vorgenommen hat, wichtige Themen, die natürlich uns auch aus der Bevölkerung so rückgekoppelt werden, anzugehen. Demokratie ist immer ein Geschäft des Kompromisses, den Sie immer verächtlich machen wollen. Ich setze aber darauf, dass genau in diesen Kompromissen die richtigen und die besten Lösungen für Deutschland und für Sachsen-Anhalt liegen.