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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 3

Beratung

Bildung im Land Sachsen-Anhalt muss sich den Herausforderungen der Zukunft stellen!

Regierungserklärung Landesregierung - Drs. 8/5594


Wie es üblich ist, erteile ich zunächst Frau Feußner das Wort. - Bitte sehr, Frau Feußner.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung): 

Herr Präsident, vielen Dank. - Liebe Abgeordnete! Sehr verehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine kurze Vorbemerkung zu den Gründen, warum ich dem Kabinett eine Regierungserklärung zum Thema Schulpolitik vorgeschlagen habe. Wir befinden uns heute gut zwei Wochen vor dem Ende des Schuljahres 2024/2025. Am 27. Juni ist der letzte Schultag vor den Sommerferien. Für mich ist dies der ideale Moment, Ihnen, werte Abgeordneten, die Maßnahmen zur Vorbereitung des kommenden Schuljahres und meine Strategie zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung vorzustellen.

Dies soll nicht einfach eine Aneinanderreihung von Maßnahmen sein. Vielmehr möchte ich Ihnen erklären, wie meine grundlegende Analyse der Lage lautet und was die handlungsleitende Maxime in schwierigen Zeiten sein muss. Ich möchte dies einerseits in einen Rückblick zur Schulpolitik unseres Landes einbetten und andererseits unsere dringendsten Herausforderungen der Zukunft skizzieren. Ich tue das, weil die Herausforderungen der Gegenwart für unsere Schulen sehr groß sind. In den letzten Wochen und Monaten musste ich Entscheidungen treffen, die nicht immer einfach zu fällen sind.

Die Vorbereitung eines Schuljahres ist immer wieder ein intensiver Prozess, der Veränderungen mit sich bringt. Es ist vorab festzuhalten: Für das bloße Verwalten des Mangels bin ich nicht angetreten. Ich will nicht einfach am Spielfeldrand zuschauen, wie die Herausforderungen zunehmen, sondern ich sehe es an jedem Tag in jedem Schuljahr als meine Pflicht an, mich diesen zu stellen.

Das Ziel ist grundsätzlich. Ich möchte, dass jedes Kind die besten Bildungschancen erhält, natürlich auch in Zeiten beschränkter Personalressourcen.

(Zustimmung bei der CDU und von Jörg Bernstein, FDP)

Grundsätzlich möchte ich, bevor ich zu Fragen der Struktur, der Finanzen, des Personals und der Schulpolitik generell komme, eines festhalten: Bildungspolitik ist nicht zu verstehen, wenn man Bildung als reines Gut betrachtet, das verordnet wird oder gar erkauft werden kann. Bildung ist ein zutiefst menschlicher Wert, den jeder Einzelne für sich kultivieren muss. Jeder soll sich also aktiv Bildung aneignen und auch aneignen können.

(Marco Tullner, CDU: Jawohl!)

Schule dagegen kann nur mehr oder weniger nützliches Wissen, Kompetenzen und Herangehensweisen vermitteln, die durch bestimmte pädagogisch begründete Didaktiken und Methoden erworben werden. Dabei ist festzuhalten, dass Bildung immer im Kontext mit familiären Bindungen und gesellschaftlichen Veränderungen und Verantwortlichkeiten einhergeht.

Das Einrichten in Komfortzonen und das Festhalten an alten Zöpfen gehören nicht zu einer verantwortlichen Bildungspolitik. Diese Regierungserklärung trägt daher den Titel „Der Kern guter Bildung - Bildungspolitik im Land Sachsen-Anhalt muss sich den Herausforderungen der Zukunft stellen“.

Lassen Sie mich, sehr geehrter Abgeordnete, im nächsten Teil einen kleinen demografischen Rückblick wagen. Mit 30 Jahren parlamentarischer Erfahrung im Landtag neige ich nicht selten zur zurückblickenden Analyse. Sachsen-Anhalt war seit der historischen Zäsur der politischen Wende mit vielen hervorragend ausgebildeten Lehrkräften gesegnet. Einige von ihnen arbeiten auch hier im Parlament.

Eine tiefgründige Analyse ist wichtig, gerade für ein Land, das mit am stärksten von der Demografie verändert wurde. Zwar haben alle ostdeutschen Länder ähnliche Entwicklungen durchlaufen, allerdings sind die demografischen Effekte zwischen dem Norden und dem Süden, also zwischen Arendsee und Zeitz, besonders deutlich ausgeprägt, was erhebliche Verwerfungen innerhalb des Landes mit sich bringt.

Die Geburtenzahlen im Gebiet Sachsen-Anhalts veränderten sich wie in kaum einem anderen Land jemals zuvor, und zwar abrupt von fast 40 000 Neugeborenen im Jahr 1989 bis unter 15 000 in den Jahren 1992, 1993 und 1994. Das bedeutete schon damals einen absoluten Tiefpunkt, der momentan aber nochmals unterschritten wird.

Zwar stiegen die Geburtenzahlen in den 2000er-Jahren und Mitte der 2010er-Jahre wieder leicht an, aber zwischen den Jahren 1991 und 2013 war das Wanderungssaldo junger Frauen durchweg nur negativ, leider. So verlor Sachsen-Anhalt in diesen Jahren rund 127 000 potenzielle Mütter durch Wegzug.

Das Ergebnis bedeutet einen weiteren großen Geburtenknick. Diesen spürt man schon deutlich in den Kitas und er kommt mit kurzem Zeitverzug dann auch in unseren Schulen an.

Dass das junge Land Sachsen-Anhalt zu viele Lehrkräfte aus der ehemaligen DDR übernahm, war in den 90er- und in den Nullerjahren ein Segen für unsere Schülerinnen und Schüler, aber gleichzeitig auch eine große Hypothek, nämlich für die Zukunft. Jedoch reichten die Personalüberhänge bis weit in die Zehnerjahre hinein und das hatte Folgen. Es schmälerte die personalwirtschaftlichen Einstellungskorridore erheblich. Lehrer wurden bis weit in die Zehnerjahre daher kaum und auch nur fächerspezifisch in wenig wahrnehmbaren Dosen eingestellt. 

(Hendrik Lange, Die Linke: Das war Ihre Politik!) 

Dadurch haben wir mehr als eine ganze Lehrergeneration an andere Länder oder gar andere Branchen verloren. Ausgebildete Lehrkräfte suchten sich zudem Arbeitsplätze an freien Schulen oder auch in der Erwachsenenbildung.

Personal- und haushaltspolitisch schränkte diese Situation den Handlungsspielraum der Folgeregierungen der ostdeutschen Länder extrem ein. Die mit Blick auf die Zukunft notwendigen Einstellungen von jüngeren, vom Land selbst teuer ausgebildeten Lehramtsabsolventinnen und  absolventen in nennenswerter Zahl wurden konterkariert. Das Resultat ist heute eine ungesunde Alterspyramide in den Kollegien in unseren Schulen.

Zwar stellen wir als Land seit 2015/2026 wieder Lehrkräfte in großer Anzahl ein, jedoch hat sich der Arbeitsmarkt komplett gewandelt. Während in den letzten Jahren zwischen 800 und 1 000 gut ausgebildete ältere Lehrkräfte jährlich den Schuldienst verließen, 

(Hendrik Lange, Die Linke: Das war doch alles absehbar!) 

sind Einstellungen in dieser Höhe nur unter besonderen Anstrengungen möglich, insbesondere deshalb, weil die eigentlich gewünschten Lehramtsabsolventen einfach nicht mehr vorhanden sind. Allein das Missverhältnis von knapp 5 000 Abiturientinnen zu 1 200 besetzbaren Lehramtsstudienplätzen zeigt, dass wir im Lehramtsstudium zu geringe Bewerberzahlen haben - weil sie einfach nicht da sind. Hinzu kommen drastische Migrationsbewegungen in unserem Land, die unter anderem auch mit den fast 7 000 ukrainischen Schülerinnen und Schülern eine Mammutaufgabe für unser Schulsystem darstellen.

In einer Generaldebatte des Landtages zum Lehrkräftemangel im Frühjahr 2023 habe ich davon gesprochen, dass es keine einfachen und singulären Lösungen für diese Situation gibt. Vielmehr müssen alle an einem Strang ziehen und wir müssen jeden Stein umdrehen. Das war damals meine Aussage.

(Zustimmung von Marco Tullner, CDU)

Das heißt, es ist auch nötig, nach Effizienzen im System zu suchen. Wir müssen innovativ vorgehen, indem wir auch digitale Werkzeuge sinnhaft einbauen, ohne dabei jedoch zu vergessen, dass die Schule ein Lebensort ist, an dem Kinder lernen, miteinander zurechtkommen und zu einem teilhabenden Bürger dieser Gesellschaft heranwachsen.

Sehr geehrte Abgeordnete! Das Schuljahr 2025/2026 wird prognostisch das erste Jahr seit Langem mit sinkenden Einschulungszahlen sein. Der Trend wird sich   das erkennen wir, wenn wir die 8. Regionalisierte Bevölkerungsprognose heranziehen   Jahr für Jahr verstärken. Sie sagt sogar aus, dass wir bis zum Jahr 2040 voraussichtlich 300 000 Einwohner verlieren werden. 

Was ist nun die richtige Strategie in dieser Lage, in der sich der Lehrkräftemangel unterschiedlich stark in den Fächern, in den Regionen und in den Schulformen ausprägt? Wie gehen wir mit dieser Situation um, mit unserem großen Personalkörper im Schuldienst, der so kompliziert zu planen und auch zu steuern ist?

In den zurückliegenden Jahren haben wir sehr viel getan. Wir haben eine lange Liste an Maßnahmen umgesetzt, viele mit Erfolg. Zum Beispiel haben wir die Lehrkräfteausbildung ausgebaut. Darüber wurde eben schon ausreichend diskutiert. Wir haben multiple Anreize für den Lehrerberuf gesetzt, indem wir verbeamten, bezuschussen, Stipendien ausloben und sogar duale Studiengänge eingeführt haben. Wir flexibilisieren den Seiteneinstieg schrittweise, augenscheinlich sogar bis zur maximalen Machbarkeit. Wir versuchen, die Kolleginnen und Kollegen auch für Schulen zu gewinnen, die einem besonderen Mangel unterliegen. Wir stellen Lehrkräfte aus dem Ausland ein. Wir forcieren die Einstellungs- und Ausschreibungsverfahren.

Natürlich mussten wir den Lehrkräften auch mehr zumuten. Die Einführung der Vorgriffsstunde schafft jedoch genau den planerischen Spielraum und das Potenzial, das wir benötigen. Ich danke unseren Lehrkräften im Namen der gesamten Landesregierung für ihre zusätzliche Arbeitsleistung. Dies ist trotz vereinzelter Negativmeinungen ein gutes Signal für unsere Kinder und Jugendlichen.

(Zustimmung bei der CDU und von Jörg Bernstein, FDP)

Die Kolleginnen und Kollegen setzen sich täglich ein. Sie arbeiten für unsere Schülerinnen und Schüler, für eine erfolgreiche Bildung und Erziehung. 

Wir stellen auch Personal ein, das pädagogisch und verwaltungstechnisch unterstützt. Hier können wir die in der Schule anfallenden Aufgaben, mit denen die Lehrkräfte zusätzlich belastend sind, gut substituieren; denn die Lehrkräfte sollen sich auf ihre eigentliche Kernaufgabe, nämlich auf den guten Unterricht, konzentrieren können.

Erst in der letzten Woche konnte das Landesschulamt 200 Stellen für die neuen pädagogischen Unterrichtshilfen vorerst für Sekundar-, Gemeinschafts- und Gesamtschulen ausschreiben. Das ist in mehrfacher Hinsicht wahrlich eine personalpolitische Innovation. Ich erhoffe mir dadurch Entlastung für die Lehrkräfte bei Zusatzaufgaben, insbesondere im pädagogischen Bereich. Sie können direkt im Unterricht, z. B. als Doppelbesetzung im Co-Teaching, eingesetzt werden. Die neuen pädagogischen Unterrichtshilfen sind damit auch für den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler eine Bereicherung.

Ich möchte unbedingt auch noch auf die neuen digitalen Möglichkeiten hinweisen, z. B. auf die „Lernwelt Sachsen-Anhalt“.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

In diesem Bereich der digitalen Bildung spielen wir als Land nun in der ersten Reihe der Bundesländer mit. Hier schaut die E Tech-Fachwelt interessiert nach Sachsen-Anhalt. Die neue Lernwelt bietet einiges, was Schülerinnen wie Lehrkräften direkt zugutekommt, sei es in Selbstlernphasen, in Gruppen, im Klassenformat oder in neuen digitalen Settings, unterstützt auch durch KI. Das digitale Zeitalter bietet so vieles, wodurch das Individuum Bildung für sich selbst kultivieren kann. Das ist ein spannender Prozess, den ich persönlich selbst in einer kurzfristigen Entwicklung kaum abschätzen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz dieser vielen Maßnahmen bleiben die hohen Altersabgänge der geburtenstarken Jahrgänge ein sehr großes Problem. Bei 1 000 regulären Abgängen pro Jahr kann der Status quo durch ausgebildete Lehramtsanwärter und Seiteneinsteiger gerade noch gehalten werden. 

Wie eingangs beschrieben, möchte ich gestalten; denn die Lehrkräfte sind ungleichmäßig über das Land verteilt, zwischen den Fächern, den Schulformen und insbesondere regional unausgewogen. Deshalb war es erforderlich, auch zum kommenden Schuljahr die Unterrichtsorganisationserlasse fast aller Schulformen im Detail anzupassen. Die Grundlage dafür legte eine entsprechende Arbeitsgruppe im Bildungsministerium. Dazu wurden Vergleiche zu anderen Ländern und auch zwischen den verschiedenen Schulformen gezogen. Die Erlasse wurden unter anderem mit folgenden Prämissen angepasst: 

Der Kernunterricht hat Vorrang; die Zuweisung von Arbeitsvermögen muss daran ausgerichtet sein. 

Zusatzaufgaben von Schulen sind wichtig, werden aber überprüft und hinterfragt. Einige dieser zusätzlichen Aufgaben werden bald von Unterstützungspersonal übernommen, sodass unsere Lehrkräfte entlastet werden.

Wegen der Ungleichverteilung des knappen Arbeitsvermögens wird eine effizientere Organisation des Unterrichts benötigt. 

Die Stundentafeln werden leicht angepasst. Wir reagieren mit mehr Unterricht in Deutsch und Mathematik sowie Informatik auf neueste Entwicklungen und auch auf die Bedarfe der Schülerinnen und Schüler. 

All dies tun wir mit Augenmaß. Es wird keine riesigen Klassengrößen und einen unzumutbaren Wegfall des Förderunterrichts geben. Diese Angst, die in einigen Verlautbarungen und Presseberichterstattungen geschürt wird, geht völlig an der Realität und am Wesen der Änderungen vorbei. Sie ist einzig und allein ein politisches Instrument, um sinnvolle und notwendige Maßnahmen zu diskreditieren.

Lassen Sie mich die wichtigen Details der Änderungen kurz anreißen. Erstens. In der Grundschule wird es eine zusätzliche Unterrichtsstunde für Übungen und Festigung in Deutsch oder Mathematik in der Schuleingangsphase geben. Wir stärken also das Erlernen der grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Rechnen und Schreiben. Das dafür notwendige zugewiesene Arbeitsvermögen haben wir aus dem Zusatzbedarf der präventiven Förderung genommen. Es sind Stunden, die ohnehin schon vorhanden waren. 

Das Volumen der Lehrerwochenstunden, welches für den diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf und für die Sprachförderung eingesetzt wird, ist entgegen allen Behauptungen gleichgeblieben. Die Förderung von Schulen mit inklusivem Schulprofil, welche sich auf Förderangebote im Bereich Sprache spezialisiert haben, bleibt natürlich auch erhalten.

Zweitens. Wir haben das Verhältnis der Zuweisungen zwischen kleinen und großen Schulen so angepasst, dass die kleinen Schulen im ländlichen Raum davon profitieren.

Drittens. Wir richten die Stundenzuweisung zum neuen Schuljahr nunmehr nach den tatsächlichen Schülerzahlen aus. In den letzten Jahren wurde dies nicht in allen Schulformen umgesetzt. Bisher wurden höhere prognostische Schülerzahlen als Berechnungsgrundlage herangezogen. So kalkulierten die Schulen in jedem Jahr mit ca. 2 000 Schülerinnen und Schülern mehr als tatsächlich beschult wurden.

Viertens. Wo wir den Grundbedarf an Lehrerwochenstunden reduzieren, z. B. an der Sekundarschule, werden wir den Ausgleich mit den eben erwähnten pädagogischen Unterrichtshilfen schaffen. Das planen wir unter anderem auch zukünftig für Ganztagsangebote, wo derzeit noch eine Vielzahl an Lehrerstunden zur Verfügung gestellt wird.

Fünftens. Momentan existiert noch eine Reserve, die dem Arbeitsvermögen von ca. 200 Lehrkräften entspricht. Diese sogenannten Reservestunden, die auch in Minderzeiten münden können, werden durch verschiedene Gründe erzeugt, unter anderem auch dadurch, dass die Fächerkombinationen der Lehrkräfte nicht in den konkreten Bedarf passen.

Was erhoffen wir uns davon? - Wir erhoffen uns von diesen Maßnahmen eine gerechtere Verteilung des kostbaren Arbeitsvermögens, einen effizienteren Einsatz der Kolleginnen und Kollegen und eine bessere Unterstützung und teilweise Entlastung der Lehrkräfte mit Unterstützungspersonal.

Sehr geehrte Abgeordnete! Ich habe den Bürgerinnen und Bürgern bei meinem Amtsantritt versprochen, nicht die Augen vor den Herausforderungen des Bildungswesens zu verschließen. Die Landesregierung hat sich vorgenommen, richtige und wichtige Entscheidungen im Sinne unserer Schülerinnen und Schüler zu treffen. Ich wusste genau, dass diese notwendigen Entscheidungen keinen Beifall bekommen würden, aber dass sie notwendig sind, um unsere Schüler besser unterrichten zu können und unsere Schulen besser auf der Zukunft vorbereiten zu können.

Anstrengung ist notwendig in diesen Zeiten. Trotz einiger kritischer Stimmen bin ich mir sicher, das Richtige zu tun. Im Austausch mit den Ministerkollegen, insbesondere aus den neuen Ländern, konnten wir feststellen, dass sich in Sachsen-Anhalt bereits viele gleichartige Probleme im Lösungsprozess befinden, die in den anderen Ländern noch in der Entwicklung sind. Dort wurden dieselben Probleme fast deckungsgleich identifiziert, teilweise noch drastischer als bei uns. Der Austausch gestaltete sich besonders intensiv mit meinen Kollegen aus Sachsen und Thüringen. 

Mit all unseren Maßnahmen sind wichtige Vorhaben des Koalitionsvertrages im Bildungsbereich umgesetzt worden. Das brennendste Problem, das auch in der Bevölkerung besonders aufmerksam wahrgenommen wird, nämlich die nicht zufriedenstellende Unterrichtsversorgung, konnte zwar noch nicht vollständig gelöst, durch unsere gemeinsamen Anstrengungen aber bereits etwas entspannt werden. Im kommenden Schuljahr erwarte ich eine weitere Verbesserung. 

Natürlich weiß ich um die Herausforderungen und auch um die Sorgen vieler Menschen, die in und um die Schule herum lernen, lehren und arbeiten. Deshalb möchte ich im letzten Abschnitt einen kleinen Ausblick wagen. 

Erstens. Der sich anbahnenden demografischen Entwicklung muss zum richtigen Zeitpunkt aktiv und reflektiert die Personalpolitik des Landes für unsere Schulen angepasst werden. Dazu wird es perspektivisch auch gehören, dass unsere Lehrkräfte noch flexibler als bisher eingesetzt werden müssen.

Zweitens. Die Lehramtsausbildung ist in qualitativ und quantitativ weiter zu reformieren. Darauf will ich jetzt gar nicht weiter eingehen; denn dazu haben wir eben einen intensiven Austausch geführt. Herr Tullner und Herr Willingmann sind ausreichend darauf eingegangen.

Drittens. Bei der ab August 2026 beginnenden Ganztagsförderung nach dem Ganztagsfördergesetz des Bundes sehe ich die Notwendigkeit, dass sich alle beteiligten Ebenen zusammensetzen. 

Viertens. Alle Bildungsministerinnen und  minister eint ein Wunsch im Wettstreit um die Aufmerksamkeit: Bildungs- und Schulpolitik benötigt die Priorität, die sie verdient, auch in Haushaltsberatungen. Das Finanzministerium und die finanzpolitischen Akteure in unseren Reihen haben meinem Haus wichtige Spielräume und haushalterische Flexibilität eröffnet. Ich erinnere nur daran   das konnte man vor Kurzem lesen  : In Brandenburg gab es einen Lehrereinstellungsstopp. Ich bin froh darüber, dass wir so etwas im Parlament gemeinsam verhindern können.

(Marco Tullner, CDU: Wer regiert denn da?)

- Die SPD. - Dennoch ist klar: Bildung benötigt mehr Geld. Wir werden hoffentlich bald die Diskussion zur Verteilung der Sonderinvestitionsmittel des Bundes intensiv führen; denn der Lern- und Arbeitsort Schule und damit alle, die darin Leistung erbringen wollen, müssen besser ausgestattet werden. 

Meine Damen und Herren! Schulpolitik wird auch zukünftig von besonderer Bedeutung bleiben. Ich will gemeinsam mit dem Parlament und vor allem mit engagierten Kolleginnen und Kollegen, den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und den Schulträgern dafür sorgen, dass der Kern guten Unterrichts abgesichert wird und dass damit wesentliche Elemente von Bildung und Erziehung erfüllt werden. 

Die Landesregierung wird die Augen nicht verschließen vor Personalproblemen, zunehmender Heterogenität der Kinder, Sprachbarrieren und sozialen Problemen. Das sind die Zukunftsfragen für das Gelingen guter Schule. Dafür brauchen wir moderne, auf unser Land zugeschnittene Antworten. Wir geben die Antworten. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Frau Ministerin, es gibt mehrere Fragen und eine Intervention. Frau Ministerin?

(Ministerin Eva Feußner: Ja, gern!)

- Dann kommen Sie noch einmal nach vorn. 

Ich möchte zuvor auf folgendes Problem aufmerksam machen: Die Landesregierung hat eine Debattenstruktur angemeldet, bei der die Ministerin eine Redezeit von 13 Minuten hat. Nun kennen Sie alle die Verfassung; man unterbricht die Landesregierung nicht. Das hat aber dazu geführt, dass es eine Überschreitung der Redezeit um neun Minuten gegeben hat. 

(Ministerin Eva Feußner: Oh!)

Die Redezeit hat sich also fast verdoppelt. Ich finde, man könnte vorher einmal im Kabinett darüber beraten, ob man so etwas machen will oder nicht. Dann hätten wir von vornherein eine andere Debattenzeit angesetzt. 

(Ministerin Eva Feußner: Okay! Entschuldigung, Herr Präsident!)

- Ja, danke. - Ich würde Folgendes vorschlagen: Wir nähern uns hierbei der nächsten Debattenstruktur an, das bedeutet, dass sich die Redezeiten der Fraktionen verdoppeln. Das ist immer noch besser, als wenn die Redezeit aller Fraktionen jeweils um neun Minuten verlängert würde; denn dann wird der Magen langsam anfangen zu knurren. Ein weiterer Hinweis von mir: Man muss die nunmehr verdoppelte Redezeit nicht zwingend ausnutzen.

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU) 

Jetzt kommen wir zu den Fragen. Als Erster Herr Lizureck. 


Frank Otto Lizureck (AfD): 

Sie haben angemerkt, dass Sie eine umfassende Analyse betreiben wollen. Ich habe dazu allerdings etwas vermisst. Im letzten Jahr haben 9,5 % der Schüler keinen Schulabschluss erreicht. Ein Jahr zuvor waren es 8,3 %. Das ist durchaus ein Indiz. Sie haben andauernd von „noch besser“ gesprochen. Eigentlich hatte man den Eindruck, dass alles besser wird. Aber im Grunde genommen ist es schlechter geworden. Warum meinen Sie denn, dass diese Fakten in Ihrer Analyse keine Bedeutung haben? Das erschließt sich mir nicht. - Danke. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Bitte, Sie können antworten. 


Eva Feußner (Ministerin für Bildung): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sie haben sogar eine große Bedeutung, aber man kann   Sie haben eben gehört, dass ich die Redezeit schon überzogen habe   natürlich nicht alles in eine solche Regierungserklärung einbetten. Aber ich kann Ihnen eine Antwort darauf geben. 

Das ist ein Thema, das uns sehr belastet. Hinsichtlich der Schulabgänger ohne Schulabschluss haben wir mehrere Maßnahmen ergriffen. Zunächst haben wir die Möglichkeit eröffnet, dass auch wieder Förderschulen den Hauptschulabschluss anbieten können; denn wir haben insbesondere sehr viele Förderschüler, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Es geht um die Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen. 

Darüber hinaus haben wir das Produktive Lernen, bei dem wir Schülerinnen und Schülern in den Sekundarschulen die Möglichkeit eröffnen, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, also mit Unternehmen, an zwei Tagen in der Schule zu lernen und an drei Tagen im Unternehmen zu sein, um sich in die praktische Arbeit einzufinden und das unternehmerische Potenzial, das sie dort erlernen, in die zwei Unterrichtstage einzubringen. Das ist ein Erfolgsmodell. Weit mehr als 80 % der Schülerinnen und Schüler, die wir über das Produktive Lernen beschulen, machen dort ihren Hauptschulabschluss.

In der Schulpolitik   ich könnte auch das duale Lernen aufzählen; wir haben bisher viele Maßnahmen ergriffen   ist es leider so, dass Dinge, die man auf den Weg bringt, sich erst viel später, in den Jahren danach, zeigen. Wir erhoffen uns, dass wir den Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss damit verringern.


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Danke. - Es geht weiter. Als Nächster hat sich Herr Lippmann mit einer Frage gemeldet. - Bitte sehr, Sie haben das Wort.


Thomas Lippmann (Die Linke): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Feußner, Sie haben ausgeführt, dass Sie in der Schuleingangsphase künftig, also im neuen Schuljahr, eine zusätzliche Unterrichtsstunde für das Üben und Festigen in Deutsch oder in Mathematik einführen wollen und dafür Arbeitsvermögen aus dem Zusatzbedarf für präventive Förderung nehmen. 

Welche Erkenntnisse oder welche Überzeugungen haben Sie zu der Auffassung geführt, dass es gewinnbringend und vor allem wichtiger ist, eine Stunde im Klassenverband mit allen zu üben und zu festigen, also auch mit den guten Schülerinnen und Schülern, die das nicht so brauchen, und dafür das den Schülerinnen und Schülern zu entziehen, die auf jede Unterstützung angewiesen sind und denen diese Förderstunden auf jeden Fall fehlen werden?

(Zustimmung von Eva von Angern, Die Linke)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Sie können antworten. 


Eva Feußner (Ministerin für Bildung): 

Erstens kommt es allen Schülerinnen und Schülern zugute; das haben Sie richtig festgehalten. 

(Eva von Angern, Die Linke: Ja, das ist ja das Problem!)

Zweitens ist es eine Forderung, nicht nur innerhalb unserer Koalition, dass wir insbesondere die Kernfächer stärken. Es obliegt doch der Hoheit der Schulen, wie sie das organisieren. Dort steht: eine Stunde zusätzlich für Deutsch oder Mathematik. Dort, wo man als Schule Defizite feststellt, kann man das entsprechend nutzen. 

Ich glaube, unsere Lehrer sind in der Lage dazu, differenziert zu unterrichten und zu unterscheiden. Wir verlangen auch von ihnen, dass die Schwächeren stärker gefördert werden als die Stärkeren, denen man dann bspw. Aufgaben geben kann. Das machen wir im Unterricht doch ständig. Ich halte es für eine Mär, dass die schwächeren Schüler darunter leiden - im Gegenteil. Schülerinnen und Schüler können sich auch gegenseitig helfen. Das ist doch nichts Neues, Herr Lippmann.


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Lange. 


Hendrik Lange (Die Linke): 

Frau Feußner, ich mache das tatsächlich einmal als Intervention; denn bestimmte Passagen in Ihrer Rede ärgern mich richtig, weil die historisch einfach falsch sind. Es wird in den nächsten Jahrzehnten sicherlich noch Heerscharen von Historikern geben, die sich genau damit auseinandersetzen werden, wie man das System Schule so dermaßen gegen die Wand fahren konnte, und das sehenden Auges. Das war nämlich alles absehbar. 

Nichts war absehbarer als: wann welche Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst ausscheiden werden. Nichts war einfacher zu berechnen. Es war klar, dass es irgendwann Alterskohorten von 600, 800 bis 1 000 Lehrerinnen und Lehrern geben wird, die aus Altersgründen den Schuldienst verlassen werden. 

(Zuruf von Matthias Redlich, CDU) 

Meine Kollegin Hein hat darauf hingewiesen und sie ist schon lange nicht mehr hier im Parlament. 

(Eva von Angern, Die Linke: Vor vielen Jahren!)

Mein Kollege Höhn hat permanent darauf hingewiesen. Auch mein Kollege Lippmann hat permanent, sowohl als GEW-Vorsitzender als auch hier im Parlament, darauf hingewiesen, was getan werden muss. 

(Eva von Angern, Die Linke: Vor vielen, vielen Jahren!)

Das Märchen vom demografischen Wandel, das später Herr Bullerjahn mit seinen Tabellen eingeführt hat, als er gesagt hat, wir brauchen gar nicht mehr so viele Lehrerinnen und Lehrer, hat am Ende dazu geführt, dass man genau diese Dinge vernachlässigt hat. Man hat Heerscharen von jungen, gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern kein Referendariat in diesem Land angeboten. Sie sind gegangen. Heute stehen wir vor diesem Scherbenhaufen, den die CDU-geführten Landesregierungen angerichtet haben unter der tätigen Mithilfe der Minister Olbertz, Bullerjahn, Dorgerloh, Tullner und jetzt Feußner. 

Herr Tullner und Frau Feußner waren schon im Jahr 2004 diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass in Magdeburg die Lehrerausbildung geschlossen wurde - 

(Tobias Rausch, AfD: Vor 21 Jahren schon!)

der eine war finanzpolitischer Sprecher, die andere war bildungspolitische Sprecherin. 

(Jawohl! und Beifall bei der AfD)

- Nun ist aber gut dort drüben! Applaus von der falschen Seite rettet nicht die Wahrheit. 

(Lachen bei der AfD - Zuruf: Das ist ohnehin Ihre Aufgabe!)

- Um Gottes willen. - Deswegen bleibe ich dabei: Es ist Ihre historische Verantwortung, die dazu geführt hat, dass Sie jetzt mit diesen Umständen umgehen müssen. Oder umgekehrt: Seien Sie nicht traurig, dass Sie die Suppe auslöffeln müssen, die Sie sich selbst eingebrockt haben. 

(Zustimmung bei der Linken - Beifall bei der AfD)


Eva Feußner (Ministerin für Bildung): 

Ich glaube, ich habe in meiner Rede ausdrücklich auf diesen Missstand und dass das eben nicht glücklich war hingewiesen. 

(Hendrik Lange, Die Linke: Sie haben aber eine falsche Erzählung dazu ausgeführt!)

- Wollen Sie mich ausreden lassen? Ich habe Sie auch ausreden lassen. - Ich habe darauf hingewiesen, dass es nicht glücklich war, wie damit umgegangen worden ist. Sie haben tatsächlich recht: Die jetzt Verantwortlichen müssen, wir alle müssen mit dem Umstand umgehen. Man kann immer in die Vergangenheit gucken und sagen, was falsch war. 

Eines kann ich Ihnen mitgeben: Sie können alle Reden und alle Initiativen, die ich in den letzten Jahren gehalten bzw. gemacht habe, nachlesen - ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass diese Situation so nicht kommt. 

Ich gebe Ihnen in Ihrer Analyse recht. Die war tatsächlich so. Ich habe dem immer widersprochen und habe immer wieder gesagt, dass das ein Fehler ist. Lesen Sie es bitte nach. Ich habe das auch immer stark kritisiert. Trotzdem müssen wir heute mit dieser Situation, die wir haben, umgehen. Wir müssen gucken, dass wir das Beste daraus für unsere Schülerinnen und Schüler machen und dass wir die Unterrichtsversorgung weitgehend sicherstellen. Das ist unsere Aufgabe und das ist insbesondere meine Aufgabe.