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Plenarsitzung

Transkript

Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung): 

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Debatte um die Grundsicherung für Arbeitssuchende, das sogenannte Bürgergeld, und das sogenannte Lohnabstandsgebot vom Mindestlohn zur Grundsicherung wird seit Monaten emotional geführt. Schlagworte dominieren, Fakten gehen dabei viel zu oft unter.

Die Kernfrage lautet: Lohnt sich Arbeit überhaupt noch? - Meine klare Antwort lautet: Ja, Arbeit lohnt sich immer. Und ich möchte heute zeigen, warum das so ist, was wir als Land konkret tun und wo wir die größten Stellschrauben sehen.

Alle Studien und Modellrechnungen anerkannter Institute zeigen über alle Haushaltstypen hinweg: Wer arbeitet, hat immer mehr zur Verfügung als jemand, der ausschließlich Bürgergeld bezieht. Für einen alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten im Mindestlohn beträgt der monatliche Lohnabstand rund 550 €, für Alleinerziehende und Familien liegt er deutlich darüber. Diese Ergebnisse gelten bundesweit und unabhängig davon, ob wir auf Städte oder auf ländliche Räume blicken.

Aber warum ist es so, dass sich Arbeit immer lohnt? - Weil unsere Sozialleistungssysteme bewusst Anreize für Erwerbsarbeit setzen. Freibeträge im SGB II sorgen dafür, dass Einkommen aus Arbeit eben nicht eins zu eins angerechnet wird. Leistungen wie Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag ergänzen das Erwerbseinkommen und verhindern, dass arbeitende Familien überhaupt auf Grundsicherung angewiesen sind.

Diese Beispiele untermauern den Fakt, dass sich Arbeit immer lohnt und dass Menschen, die arbeiten, immer mehr Geld zur Verfügung haben als Menschen ohne Arbeit. Dazu kommt noch, dass Beschäftigte in unsere Sozialversicherungssysteme einzahlen und diese stützen. Zudem darf nicht vergessen werden, dass sie zugleich Rentenansprüche erwerben. Arbeit ist also auch eine Prävention vor Altersarmut.

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zudem lohnt sich ein differenzierter Blick; denn in Sachsen-Anhalt ist der Lohnabstand sogar noch deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. Nach aktuellen Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts, kurz WSI, liegt der Lohnabstand, wenn in Vollzeit zum Mindestlohn gearbeitet wird, im Vergleich zum Bürgergeld ohne Erwerbseinkommen im Falle eines Singles in Sachsen-Anhalt bei 609 € - Herr Hövelmann hat das schon genannt -, bei einer Alleinerziehenden mit einem Kind bei 766 € und bei einem Ehepaar mit zwei Kindern und nur einem Partner in Beschäftigung bei 714 €.

Woran liegt das? - In Regionen mit sehr hohen Mieten, z. B. in München, sind die angemessenen Kaltmieten im SGB II natürlich ebenfalls höher. Dadurch werden höhere Einkommen benötigt, um den Leistungsbezug zu verlassen. In Regionen mit moderateren Mieten, wie in weiten Teilen Ostdeutschlands, ist der Abstand damit größer. Die Modellrechnungen zeigen genau dieses Muster.

Als allererstes Ergebnis lässt sich somit zusammenfassen: In allen typischen Lebenslagen liegt das verfügbare Einkommen mit Arbeit spürbar höher als ohne.

Zweitens, hinreichender Lohnabstand auch bei Mindestlohn. Wie erwähnt ist der Lohnabstand auch bei Mindestlohn hinreichend gewährleistet. Der Hebel zu mehr Einkommen ist nämlich oft nicht der Stundenlohn, sondern die Arbeitszeit in unserem Land. Vollzeit zu Mindestlohn ist, gerade in Sachsen-Anhalt, fast immer ausreichend, um klar oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu liegen.

In Sachsen-Anhalt sind weniger als 2 % der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Vollzeit beschäftigt. Meist handelt es sich hier um sehr große Familien, deren hoher Bedarf zum Lebensunterhalt auch mit Arbeit zum Mindestlohn nicht gedeckt werden kann. Auch in diesen Fällen haben die Familien durch die Erwerbstätigkeit mehr Geld zur Verfügung als ohne Erwerbstätigkeit, dafür sorgen die Freibeträge im SGB II. Diese sind zudem für Familien mit Kindern noch einmal höher als für Kinderlose.

Hier liegt eine häufige Fehlwahrnehmung: Wenn wenige Stunden gearbeitet wird, z. B. im Minijob oder in Teilzeit, schrumpft der Lohnabstand naturgemäß. Das ist keine Frage der Regelbedarfshöhe, sondern eine Frage des Arbeitsvolumens. Wer mehr Stunden arbeitet, erhöht sein Nettoeinkommen und damit den Lohnabstand.

Festzustellen ist aber auch: 90 % der Menschen, die trotz Arbeit Grundsicherung erhalten, die sogenannten Aufstocker, arbeiten entweder in Teilzeit oder in Minijobs. Das sind rund 14 000 Menschen im Land, und hier lohnt es sich als Land und als Landesregierung noch einmal anzusetzen.

Drittens. Die Stellschraube ist also vor allem die Arbeitszeit. Es wird klar: Wir müssen stärker die Ausweitung der individuellen Arbeitszeit ermöglichen. Aus Minijobs werden sozialversicherungspflichtige Teilzeitstellen, aus kleinen Teilzeiten verlässliche Vollzeitmodelle. Das nützt Beschäftigten, Betrieben und Sozialkassen.

Unser Ansatz muss deshalb sein: Aufstockungsberatung in den Jobcentern, Planungssicherheit für Schichtmodelle, aber auch Weiterbildung und Qualifizierung und natürlich der Erhalt unserer verlässlichen, hochwertigen und bezahlbaren Kinderbetreuung. Denn wir wissen, dass gerade Alleinerziehende das höchste Armutsrisiko haben. Sie sind meistens in Teilzeitjobs, weil sie Familie und Beruf unter einen Hut bringen müssen, und da helfen unsere Kindertageseinrichtungen mit der Betreuungszeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Viertens, Kosten der Grundsicherung. Wir haben gesehen, dass im Bundeshaushalt mehr Geld für Bürgergeld verankert ist. Das heißt nicht, dass wir steigende Ausgaben in der Grundsicherung haben, weil es immer mehr Menschen gibt, die hilfebedürftig werden. Gerade in Sachsen-Anhalt ist die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zuletzt sogar gesunken. Gleichzeitig sind rund 21 000 Menschen trotz Grundsicherung erwerbstätig, also fast jeder fünfte. Das widerspricht der These, dass das Bürgergeld flächendeckend die Motivation zur Arbeit hemme.

Die Kosten für die Grundsicherung sind als Folge der Inflation gestiegen. Ich will das noch einmal deutlich machen: Der Anstieg der Kosten lässt sich vor allem durch die Anpassung der Regelbedarfe an die hohe Inflation in den Jahren 2023 und 2024 erklären, damit sich auch die Schwächsten in unserer Gesellschaft Energie, Lebensmittel und Wohnen leisten konnten.

Zugegeben war die Steigerung in den Jahren 2023 und 2024 deutlich. Der neue Mechanismus zur Prognose der zu erwartenden Inflation hat dabei nicht optimal funktioniert. Deswegen hat die Bundesregierung nachjustiert und mit der Nullrunde im Jahr 2025 und voraussichtlich auch im Jahr 2026 den Anpassungspfad wieder näher an die tatsächliche Teuerung geführt. Die Ergebnisse sieht man übrigens bereits: Die Kosten der Grundsicherung für Arbeitssuchende sinken gerade wieder.

Ich will eines noch einmal deutlich machen   das habe ich auch mehrmals gesagt  : Gerade Sachsen-Anhalt profitiert überdurchschnittlich vom Mindestlohn, und deswegen möchte ich noch einmal zum Mindestlohn zurückkommen.

Rund 20 % der Jobs in unserem Land liegen in dem Bereich, der von der Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 € zum Jahreswechsel direkt erfasst wird. Das sind etwa 164 000 von 332 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Das ist eine große Anzahl. Für das Jahr 2027 ist die nächste Stufe auf 14,60 € vorgesehen. Dann werden rund 26 % der Jobs betroffen sein. Das heißt, viele Menschen in unserem Land spüren den Mindestlohn direkt; das war schon bei der letzten Mindestlohnerhöhung so.

Sie haben ein höheres Nettoeinkommen, mehr Kaufkraft und mehr Planungssicherheit. Das steigert den Lohnabstand und stabilisiert meines Erachtens den sozialen Zusammenhalt. 

Das alles, was ich immer aufzähle, betrifft insbesondere Menschen in der Pflege, in der Gastronomie, in Friseursalons, in Kosmetikstudios, im Reinigungsgewerbe sowie Zustellerinnen und Zusteller, die durch den Mindestlohn gestärkt werden. Das sind auch nicht unbedingt immer Jobs, die sehr beliebt sind. Daher lohnt es sich, darauf hinzuweisen, dass wir diese Menschen brauchen. Wir brauchen sie - ich will es einmal deutlich machen -, um unser Klos zu sauber zu machen, in unseren Verwaltungen aufzuräumen. Das sind Jobs von Menschen, die es verdient haben, zum Mindestlohn beschäftigt zu werden. 

(Zustimmung bei der SPD) 

Deswegen werden wir uns auf die Schwerpunktbranchen, die ich genannt habe, noch einmal konzentrieren und uns in diesen für Mindestlohn und insbesondere für Vollzeitbeschäftigung auch in unserem Land einsetzen. 

Ein persönliches Wort noch; ich habe die Redezeit noch nicht überzogen. Ich finde, man merkt an der Debatte - es wirkt so  , dass sie an eine Bevölkerungsgruppe gerichtet ist und eine andere Bevölkerungsgruppe ausgespielt wird, weil sie an Leute gerichtet ist, die noch niemals im Bürgergeldbezug waren, damit sie dem, was Sie populistisch hier erzählen, Glauben schenken. Und deswegen funktioniert das so gut. Diejenigen, die Bürgergeld beziehen, haben andere Probleme, nämlich ihre Familien, ihre Angehörigen und sich selbst durchzubringen. Deswegen finde ich es klasse, dass meine Fraktion heute eine solche Aktuelle Debatte initiiert hat. - Herzlichen Dank.