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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 4

Aktuelle Debatte

„Zukunft gestalten - Studienchancen für internationale Studierende mit Landesinteresse verbinden“

Antrag Fraktion CDU - Drs. 8/5597


Wie üblich beträgt die Redezeit pro Fraktion zehn Minuten. - Zunächst hat Herr Tullner für die CDU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU)


Marco Tullner (CDU): 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich, wie ich festgestellt habe, mit den Gepflogenheiten bei Aktuellen Debatten nicht ganz vertraut bin, 

(Unruhe)

wurde mir geraten, bei Ihnen nachzufragen, ob ich am Ende der Debatte noch einmal das Wort ergreifen kann.

(Zurufe: Ja!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Ja, am Ende der Debatte, aber nur auf Verlangen. Das haben Sie jetzt geäußert. Damit können Sie am Ende noch einmal das Wort erhalten.


Marco Tullner (CDU): 

Wunderbar, dann ist das geklärt und es kann losgehen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wissenschaft ist - das haben wir gestern schon festgestellt - in dieser Sitzungsperiode von großer Bedeutung. Ich habe, wie alle Kolleginnen und Kollegen, die sich diesem Metier zugewandt fühlen, es eher als positiv empfunden, dass wir uns damit länger mit Themen befassen können, die sonst vielleicht nicht im Fokus der politischen Debatte stehen. 

Ich fange einmal so an: Wir haben seit 1990 - das haben wir gestern schon resümiert - ein Hochschulsystem in Sachsen-Anhalt etabliert, das sich national und international sehen lassen kann. Das ist, glaube ich, ein Befund, den wir erst einmal voranstellen sollten. 

Wir haben tolle Hochschulen, sowohl nach der Wende neu gegründete als auch traditionsreiche wie die Martin-Luther-Universität und die Otto-von-Guericke-Universität. Daneben gibt es die vier Hochschulen - der Minister würde es so sagen; das nehme ich natürlich sofort auf - für angewandte Wissenschaften, die Burg, die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik, die Fachhochschule Polizei, die Theologische Hochschule Friedensau und seit Neuestem auch die Steinbeis-Hochschule Magdeburg. Ich hoffe, ich habe keine vergessen. Ich wollte sie zu Beginn der Debatte wenigstens erwähnt haben. Hinzu kommen die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, wie die Leopoldina als nationale Akademie etc. 

Das waren richtige und gute Entscheidungen, die von einem Konsens getragen waren, der in der Wissenschaftspolitik in diesem Land, glaube ich, immer funktioniert hat und den es auch weiterhin zu bewahren gilt. 

Wir haben den Einzelplan 06, der, glaube ich, mehr als 1 Milliarde € ausmacht. Wir sehen also, dass wir ganz schön viel Geld, Kraft und Manpower/Womanpower da hineinstecken. 

Die Aufgaben von Hochschulen, warum wir das am Ende eigentlich betreiben, sind klar benannt. Das ist der humboldtsche Dualismus von Forschung und Lehre. Spätestens bei Frau Birgitta Wolff habe ich gelernt, dass sich die Frage, welchen Beitrag Hochschulen zu Innovationskraft, Wirtschaftskreisläufen und anderen wichtigen Bereichen leisten können, gut in dem Begriff „Third Mission“ wiederfindet. 

Nachdem wir gestern viel über Forschung geredet haben - Stichwort „Exzellenzinitiative“  , möchte ich heute vor allen Dingen die Lehre und die besagte „Third Mission“ in den Blickpunkt unserer politischen Aufmerksamkeit rücken. 

Ich fange mit den Studentenzahlen an, die wir zu verzeichnen haben. Wir haben feststellen müssen - ich verweise auf die Bevölkerungsprognose usw. usf.; wir haben darüber in allen Bereichen viel debattiert  , dass die Studentenzahlen rückläufig sind. Das ist nicht sehr dramatisch, aber der Trend ist klar erkennbar. Ich möchte das anhand von Zahlen verdeutlichen: Im Jahr 2019 hatten wir ungefähr 53 000 Studenten, im Jahr 2023 sind wir bei unter 51 000 Studenten gelandet. Bei den Erstsemestern ist das ähnlich. Wenn ich die privaten und anderen Hochschulen, z. B. die Fachhochschule Polizei, ausnehme, sind wir von 9 200 auf 7 753 heruntergegangen. Wenn man die Bevölkerungsprognose hinzunimmt, stellt man fest, dass wir den Trend klar benennen können. 

Wenn man danebenlegt, wie viele ausländische Studenten wir bei uns haben, kommen wir zu einem überraschenden Befund. Ich habe diesen Trend zwar wahrgenommen, finde die Dimension aber sehr bemerkenswert. Wir haben von den ungefähr 55 000 Studenten mittlerweile 10 500 ausländische Studenten, was einem prozentualen Anteil von 17,9 % entspricht. Ich fand es sehr überraschend, woher sie kommen. Die meisten kommen nämlich aus Indien, China, Syrien, dem Iran und Bangladesch. Auch aus Afrika - wenn man den Kontinent insgesamt betrachtet - sind es mittlerweile mehr als 1 000.

Das bedeutet: Wenn man ein kaltherziger Finanzpolitiker wäre - das ist hier im Raum niemand; das halte ich für das Protokoll fest  , der sagt: „Was geben wir aus und was kriegen wir rein?“, dann müsste man feststellen, dass der Bestand an Hochschulplätzen für unseren ureigenen Bedarf überdimensioniert ist. Das ist ein Befund, der auf den ersten Blick richtig, auf den zweiten aber falsch ist. 
Wir wollen mit den Hochschulen genau diesen Problemen, z. B. dem demografischen Wandel und dem Umstand, dass es zu wenige junge Leute gibt, begegnen. Deswegen gibt es seit vielen Jahren die Initiative „Studieren in Fernost“; sie stammt aus einer Zeit, als im Westen viele Absolventen neu hinzukamen. Damals hätte man Kapazitäten aufbauen müssen. Man hatte die Vereinbarung, dass der Osten seine Kapazitäten nicht abbaut und wir einen inneren Ausgleich schaffen. Das hat, glaube ich, gut funktioniert. Aber auch im Westen haben sich die Zahlen mittlerweile geändert. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns trotz dieser Dimensionen zunächst dazu bekennen, dass Hochschulen eine zentrale Rolle einnehmen, wenn es darum geht, den demografischen Wandel in unserem Land positiv zu beeinflussen, Fachkräfte zu gewinnen und Internationalität ins Land zu holen. Davon brauchen wir am Ende eher mehr. Wir wollen ja nicht im eigenen Saft schmoren, 

(Beifall bei der CDU)

sondern wir wollen Deutschland als ein Land haben, das Exportweltmeister, -europameister oder was auch immer ist. Wenn wir unseren wirtschaftlichen Erfolg in die Welt hinaustragen wollen, müssen wir uns dafür fit machen. - So weit, so gut. 

Angesichts des Umstandes, dass die Ressourcen und die Studentenzahlen zurückgehen, müssen wir uns aber auch mit der Frage beschäftigen: Wie müssen wir es zukünftig gestalten, damit die Akzeptanz an der Stelle im Land erhalten bleibt? Ich erinnere daran - ohne hierbei Parallelen zu ziehen  , dass es nicht gottgegeben ist, dass Hochschulen im Land ewig Bestand haben. Ich verweise auf die sehr kluge und interessante Studie von Peer Pasternack des HoF Wittenberg, der uns vor Augen geführt hat, warum es im 18./19. Jahrhundert zu einer großen Welle von Hochschulschließungen kam. Die Argumente lassen sich relativ klar zusammenfassen: Es gab keine Studenten, es gab kein Geld und der Staat hat andere Prioritäten gesetzt; manchmal hat uns auch ein fremder Staat übernommen. All das sind zumindest Dimensionen von Politik, die uns geläufig sind. Deswegen sollten wir, glaube ich, an dieser Stelle sehr achtsam sein sowie klug und vorausschauend handeln.

Meine Damen und Herren! Mit dieser Aktuellen Debatte möchte die CDU den Startschuss für eine breite gesellschaftliche Debatte geben. Dabei sollen folgende Fragen aufgeworfen werden: Wie können wir die Bleibeperspektive von Studenten in diesem Land stärken? Wie können wir den Wissenstransfer so gestalten, dass ein Mehrwert für unsere Unternehmen und unsere Gesellschaft generiert wird? Wie können sich die Studenten an unseren Kosten beteiligen? Dazu gehört zweifelsohne das Thema „Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer“. 

(Zustimmung bei der CDU)

Wir schlagen vor, diese Debatte vor allen Dingen ausgehend von dem Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz zu führen, weil sie, finde ich, eine sehr kluge Idee entwickelt haben. Sie überlassen es den Hochschulen selbst, in einem ersten Schritt zu überlegen, welche Studiengänge dafür geeignet sind. Denn wir wollen die Studenten im Land haben; wir wollen sie nicht abschrecken. Wenn wir gerade in Bezug auf die Länder, die hierbei im Blick haben, wie China und Co., einen Technologieabfluss beklagen und befürchten, dass wir wirtschaftlich überholt werden, dann ist es wichtig, auf der einen Seite unsere eigenen Interessen zu betonen und auf der anderen Seite diese internationalen Perspektiven im Blick zu behalten. 

Ich habe mich mit den Rektoren im Land dazu intensiv ausgetauscht und bin auf große Bereitschaft gestoßen, diese Debatte zu führen. Denn am Ende geht es um Einnahmen, die wir brauchen, um das Hochschulsystem in den kommenden Jahren stabil zu finanzieren. Wenn es zu solchen Regelungen kommt, müssen die Einnahmen in den Hochschulen verbleiben. 

Dazu waren wir als Arbeitsgruppe „Gesundheit und Wissenschaft“ im letzten Jahr gemeinsam in Pécs und haben uns die Konstruktion der Zahnärztestipendien, über die wir gestern debattiert haben, angesehen. Wenn man sich überlegt, wie die Ungarn - andere machen es auch - es geschafft haben, über die gezielte Anwerbung für deutsch-, englisch- und ungarischsprachige Studiengänge im Bereich Humanmedizin und Zahnmedizin eine Einnahmeperspektive zu schaffen, die zur Quersubventionierung der gesamten Universität beiträgt und so einen Mehrwert für den gesamten Hochschulstandort, in dem Fall Pécs, generiert, dann frage ich mich, warum das in Ungarn möglich ist und bei uns nicht. 

Wir halten hier Einrichtungen vor, nehmen Geld in die Hand, um unsere ureigensten Aufgaben, in dem Fall die Ärzteversorgung im Land, zu erfüllen, und müssen dann feststellen, dass andere Einrichtungen an der Stelle wirtschaftliche Perspektiven und Prosperität in einem erheblichen Maße generieren. Das war sehr beeindruckend. Deswegen, meine Damen und Herren, kommt es darauf an, dass wir an diesem Punkt gemeinsam diese Debatte führen. Ich bin mir dessen bewusst, dass sie sehr strittig werden wird; ich erwarte einen pawlowschen Reflex in der politischen Debattenkultur. 

(Zuruf von Hendrik Lange, Die Linke)

- Das war keiner, Kollege Lange. - Aber wir müssen uns mit Blick auf die kommende Wahlperiode hier vorbereiten. Die CDU hat sich hier nun klar positioniert. Ich bin gespannt auf die Debatte und die Argumente, die jetzt kommen, und freue mich auf den Abschluss, den ich mit der Genehmigung des Präsidenten machen darf. - Vielen Dank.