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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 32

Aktuelle Debatte

Investitionspaket nutzen - Sachsen-Anhalt modernisieren

Antrag Fraktion SPD - Drs. 8/5609


Redezeit: je Fraktion zehn Minuten; Landesregierung ebenfalls zehn Minuten. Es wurde folgende Redereihenfolge vereinbart: SPD, AfD, FDP, Linke, CDU und GRÜNE. Für die SPD-Fraktion als Antragstellerin hat Herr Schmidt das Wort. Herr Schmidt an das Rednerpult. - Sie haben das Wort, bitte. 


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesministerium der Finanzen hat mit den in den letzten Wochen veröffentlichten und inzwischen auch schon mehrfach überarbeiteten Referentenentwürfen damit begonnen, das 500-Milliarden-€-Sondervermögen vom Schaufenster auf die Straße zu bekommen. Es wird der Weg geebnet für das größte Investitionspaket in der Geschichte der Bundesrepublik. Ziel ist die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur und die Erreichung von Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. 

100 Milliarden € sind für die Länder vorgesehen und für die Kommunen. Rund 2,5 Milliarden € werden in den nächsten zwölf Jahren nach Sachsen-Anhalt fließen. Diese Mittel sind kein Geschenk, sondern eine Verpflichtung dazu, unser Land zukunftsfähig zu machen, die Lebensqualität in unseren Regionen, den urbanen wie den ländlichen Räumen, zu verbessern und die Konjunktur wiederzubeleben. Sie sind ebenso eine Aufforderung dazu, unser Landesmotto „modern denken“ in die Tat umzusetzen. 

Wer heute durch Sachsen-Anhalt reist, der sieht vielerorts den Investitionsstau mit eigenen Augen: immer noch marode Schulgebäude, schlechte Straßen und Brücken, fehlende Ortsumfahrungen, nicht vorhandene oder nicht ausgebaute Radwege. Die Lücken beim Glasfaserausbau und die Investitionsbedarfe bei den Krankenhäusern, Wärmenetzen und Hochwasserschutzanlagen sieht man in der Regel nicht im Vorbeifahren. Sie sind aber da, und die Liste ist zu verlängern. 

Die Menschen im Land erleben diese Defizite und spüren, wie sie das Wachstum behindern und Lebensqualität einschränken. Das erfahren wir auch alle in unserer Arbeit ganz regelmäßig, wenn uns die Sorgen vor Ort vorgetragen werden. 

Das Auf-die-Straße-Bringen der 100 Milliarden € in diesem Fall bedarf kluger Regelungen. Der Entwurf des Länder- und Kommunalinfrastrukturgesetzes sieht kluge Regelungen für diese große Aufgabe vor. 

(Stefan Ruland, CDU: Oha!)

Die Verteilung der Mittel nach dem Königsteiner Schlüssel: fair; mindestens 60 % für die kommunale Infrastruktur zu verwenden: sinnvoll; breite Verwendungsmöglichkeiten für das Geld: lebensnah; die Regelungen für die Zusätzlichkeit: einfach und unbürokratisch, 

(Stefan Ruland, CDU, lacht)

sodass man kaum glauben kann, dass sich die Kollegen so etwas Einfaches haben ausdenken können. 

Der Ausschluss von Kleinstförderungen: vernünftig; der Verzicht auf eine regelhafte, detaillierte Verwendungsnachweisprüfung: vorbildlich. Das sollten wir für unsere Mittel auch überlegen. Das haben Leute gemacht, die wissen, was sie tun. So kann das was werden. 

Nun sind wir gefordert, unsere Verfahren zur Mittelvergabe zu etablieren, und das genauso gerecht, transparent und effizient. Wir kennen spätestens jetzt die Zielrichtung der Bundesregierung und müssen parallel dazu ins Handeln kommen und uns auf die gesetzliche, auch haushaltsgesetzliche Umsetzung auf Landesebene vorbereiten. Abwarten und weitere Monate verlieren, löst keine Defizite auf. 

Es gibt   das haben die Debatten über dieses Thema in den vergangenen Monaten hier gezeigt   über Parteigrenzen hinweg die Erkenntnis, dass wir dringend investieren müssen, nicht trotz, sondern wegen unserer Verantwortung für kommende Generationen. Das Sondervermögen des Bundes ist eine verfassungskonforme Lösung, um trotz Schuldenbremse zukunftsweisend zu investieren. 

Bundesregierung und Bundestag werden das Gesetz voraussichtlich noch vor der Sommerpause beraten und verabschieden. Der Bundeskanzler hat dazu etwas gesagt, was die Verkürzung der Sommerpause betrifft. Die haben begriffen, dass Zeitdruck ist. Dann brauchen wir schnell die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen dafür, das Geld zu vereinnahmen und mit der Umsetzung beginnen zu können. 

Umsetzung heißt für uns   das sind unsere Vorschläge für die Jahre 2025 bis 2027  : den Großteil der Mittel in Form einer Investitionspauschale an die Kommunen zu geben und Planungshilfe für finanzschwache Kommunen zu leisten, damit nicht nur die reichen und gut situierten Kommunen und diejenigen mit Planungsvorlauf zugreifen können; zukunftsorientierte Schwerpunkte zu setzen im Ganztagsschul- und Kita-Bau; das Hochschulmedizinkonzept 2030 umzusetzen; für eine Verbesserung der ambulanten Gesundheitsversorgungsstruktur zu sorgen; endlich das Thema Sanierung und Neubau von Feuerwehrgerätehäusern in diesem Land ein für alle Mal zu erledigen; wirtschaftsnahe Infrastruktur zu schaffen, wobei wir jetzt wissen, dass wir viel mehr Bedarf haben, als wir noch vor ein paar Jahren zu träumen wagten, und den Straßen- und Radwegebau zu beleben. 

Wir, die SPD-Fraktion, wollen darüber hinaus den zusätzlichen Verschuldungsrahmen, den die Grundgesetzänderung des Bundes einräumt, für ein Investitionsprogramm für Schulen und Kindergärten, für ein Schwimmbadsanierungsprogramm, für Investitionen in Krankenhäuser, für digitale Infrastruktur für Schulen   wir wollen endlich aufhören mit den Geschenkepaketen aus Laptops und Tablets und das nun in allen Schulen durchzuziehen   und für die energetische Sanierung von Gebäuden des Landes nutzen. Für all das brauchen wir einfache Verfahren, keine Förderrichtlinien mit Bescheiden und Verwendungsnachweisprüfungen. 

Wir werden vorschlagen, dies möglichst in Form von Investitionspauschalen zu regeln. 

Außerdem werden wir vorschlagen, die baufachlichen Prüfungen für kommunale Investitionen aus dem Sondervermögen auszusetzen. Es ist nicht besonders verständlich, dass, wenn ein Bauingenieur in einer Kommune in Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe einen Stempel auf eine Bauplanung setzt, dann noch einmal ein anderer Ingenieur des Landes eine Überprüfung vornehmen muss, ob er das richtig gemacht hat. Das bedeutet, dass man den Kommunen nicht traut; das ist am Ende eine alberne Idee. 

Wir wollen das Planungsrecht vereinfachen. Das Problem sehe ich dabei nicht so sehr im Verbandsklagerecht, das dabei gern bemüht wird. Wenn wir für den Ersatzneubau einer Brücke, die genau an der Stelle der alten Brücke entsteht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung brauchen, ist klar, dass sich etwas ändern muss. Wir können nicht mehr um jede potenziell wachsende Butterblume tanzen und nicht mehr langwierige Untersuchungen zum Habitat des Rübenrunklers durchführen, der an der Stelle, wo das Baugeschehen vonstattengeht, vielleicht gar nicht vorkommt. 

Das Prinzip der Zusätzlichkeit muss gewahrt werden. Die Versuchung wird groß sein. Das heißt für uns: Kein Euro aus dem Sondervermögen darf Landesmittel ersetzen; er muss obendrauf kommen. Das ist, sehr geehrte Damen und Herren, ein ziemlich hoher Anspruch. 

Aus der letzten Debatte zur Schuldenbremse und zum Investitionspaket hier im Haus habe ich sehr wohl verstanden, dass es dabei ein Spannungsfeld zwischen Zustimmung und Skepsis gibt. Viele erkennen den Investitionsbedarf an. Andererseits wird vor einer Überforderung der Verwaltung, einer scheinbar nicht leistungsfähigen Bauwirtschaft oder vor angeblich falschen Anreizen gewarnt. In der Tat sind im Umfeld dieses ganzen Projektes die Rabenschwarzseher unterwegs: die haushaltsideologischen wie die Vollzugspessimisten. 

Dieses Investitionspaket ist aber eine einmalige Chance, unser Land zu modernisieren und für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten. Sachsen-Anhalt darf hier nicht zögern. Wir müssen handeln und wir können das. Ich weiß das, weil nach mir jemand reden wird, der eben kein Vollzugspessimist ist, sondern jemand, der anpackt und schon in vielen Situationen in diesem Land dafür gesorgt hat, dass es vorangeht. 

Lassen Sie uns also diejenigen, die das Bedenkentragen und das Problemeaufeinanderlegen als olympische Disziplin betreiben, am Rand der neuen Straße stehen. Leben wir „modern denken“ bei der Umsetzung dieses Investitionsprogramms, damit wir modern leben können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Schmidt, Herr Pott hat in letzter Sekunde seine Chance genutzt und den Arm hochgerissen. Wenn Sie die Frage beantworten möchten, kann er sie Ihnen stellen. 


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Selbstverständlich. Ich freue mich auf die Frage.


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Offensichtlich scheint das der Fall zu sein. - Bitte, Herr Pott. 


Konstantin Pott (FDP): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Schmidt, ich habe so lange gewartet, weil ich darauf gewartet habe, dass Sie zu diesem Aspekt selbst noch etwas sagen. Sie haben jetzt viele Punkte genannt, für die Sie über dieses Investitionsprogramm Geld ausgeben wollen. Meine Frage ist: Am Ende sind das Schulden, Kredite, die aufgenommen werden. Wer muss diese am Ende zurückzahlen? Vielleicht können Sie dazu ein paar Ausführungen machen.


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Sehr geehrter Herr Pott, wer muss öffentliche Schulden zurückzahlen? - Am Ende die Menschen des Landes, also alle, die über Steuern an der Finanzierung der öffentlichen Hand beteiligt sind. Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Sie sagen: „Jetzt macht der eine Riesenmenge Schulden.” Da könnte ich natürlich das Argument bemühen: Investitionsstau - das sind auch Schulden; die sind nur nicht monetarisiert. Aber das will ich gar nicht tun. Ich will nur eines sagen - an der Stelle ist das Glas des Hauses, in dem Sie sitzen, nicht besonders dick  : Wenn man über viele Jahre mit dem Hinweis, dass wir angeblich kein Einnahmeproblem hätten, eine grotesk große Unterfinanzierung der öffentlichen Hand in diesem Land zulässt und sich dann darüber beschwert, dass wir kein Geld haben, nachdem wir nicht den Mut haben, die Steuern zu erheben, die wir brauchen, um unsere öffentlichen Aufgaben zu erledigen, dann muss man damit leben, dass irgendwann jemand kommt und sagt, dass wir diese Probleme jetzt lösen müssen. 

Dann passiert es eben, jedenfalls zu einem Teil - das ist ja nicht die ganze Geschichte; die 500 Milliarden € sind nicht der gesamte Investitionsstau in der Republik  , dass es in dieser Art und Weise, in der es jetzt geschieht, vollzogen wird, nämlich über Schulden. Wenn Sie eine Aktuelle Debatte darüber anmelden, an welchen Stellen wir die Steuererhöhungen ansetzen, dann bin ich sofort dabei. 

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Offensichtlich hat es auch Herr Gebhardt noch geschafft, in der letzten Sekunde seinen Arm hochzureißen. - Wollen Sie, Herr Schmidt, auch diese Frage beantworten? 


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Selbstverständlich. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Dann, bitte, Herr Gebhardt. 


Stefan Gebhardt (Die Linke): 

Vielen Dank. - Herr Schmidt, Sie haben darauf hingewiesen, dass viel im Umlauf ist, was gerade über dieses Milliardenpaket berichtet wird. Der eine ist skeptisch, der andere euphorisch. Ich habe zwei Fragen zu dem, was Sie gesagt haben. Sie haben das Paket für die Kommunen herausgestellt. Mich interessiert, wann das Geld kommt und auf welchem Weg es bei den Kommunen ankommt. 

(Zurufe von der FDP - Guido Kosmehl, FDP: Per Überweisung!)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Sie haben das Wort.


Dr. Andreas Schmidt (SPD):

Der Bund hat jetzt einen Referentenentwurf. 

(Guido Kosmehl, FDP: Nein! Wo?)

Ich gehe davon aus, dass dieser in den nächsten sechs Wochen Bundesgesetz wird. 

(Guido Kosmehl, FDP: Der muss erst mal durch den Bundesrat durch!)

Dieser besagt, dass die Länder eine     

(Zuruf von der FDP)

- Glauben die Kollegen der CDU nicht daran, dass die Kollegen der Koalition im Bundestag das gebacken kriegen? Das hielte ich aber    


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Schmidt, es waren die Kollegen der FDP, die nicht daran glauben. Aber lassen Sie sich jetzt nicht ablenken. 


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Ach so. Gut.


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Beantworten Sie bitte die Frage von Herrn Gebhardt. 

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Die FDP-Kollegen dürfen ungläubig sein. - Ich gehe davon aus, dass dies in den nächsten sechs Wochen ein Bundesgesetz wird. Dann erhalten wir regelmäßige Überweisungen des Bundes nach den Vorgaben dieses Gesetzes, die wie ich erläutert habe, sehr schön einfach sind. 

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

In der Koalition werden wir - das werden wir jetzt machen müssen - besprechen, auf welchem Weg wir das umsetzen. Der Vorschlag der SPD ist, in den ersten Jahren den Großteil des Geldes per Investitionspauschale an die Kommunen zu überweisen und danach einen absinkenden Anteil, da wir dann auch die direkten Investitionen des Landes sinnvoll einsetzen können. Sie werden nicht als Erster, aber ungefähr als Zweieinhalbter davon erfahren, wenn sich die Koalition darin einig ist, wie das gehen soll.