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Plenarsitzung

Transkript

Detlef Gürth (CDU): 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Sportsfreunde oder Freunde des Sports! Wenn wir über Täve reden, dann reden wir über ein Idol. Wir reden über die größte Radsportlegende in ganz Deutschland. Denn die Erfolge im Radsport, die er errungen hat, hat kein Zweiter jemals wieder erreicht.

(Beifall bei der CDU und bei der Linken - Zustimmung bei der FDP und von Dr. Falko Grube, SPD)

Er war nicht nur die Radsportlegende meiner Kindheit, als man am Schwarz-Weiß-Fernseher, am Radio oder an der Straße mitgefiebert hat, wenn die Radfahrer vorbeigefahren sind, nicht nur die Radsportlegende meiner Eltern oder Großeltern, sondern die vieler Generationen darüber hinaus. 

Und dann steht 1994 ein Idol, eine Legende vor dir und sagt: „So, nun setz dich hin, wir wollen pünktlich anfangen.“ Das war beim Sporttag des LSB. „Wenn du noch etwas hast, ich bin noch da.“ Damals ging es darum, nach der Wende neue Sportstrukturen aufzubauen, weil die Betriebssportgemeinschaften Vereine werden mussten. Alles musste neu gemacht werden. Wir brauchten Leute, die wissen, wie es geht, aber auch Leute, die anpacken und unterstützen. Täve war immer da. 

Bei vielen, die damals dabei waren, sind noch heute die Sätze im Ohr: „Mensch, du bist doch ein Sportsmann. Du weißt doch, dass Erfolgt nicht von Himmel fällt. Streng dich mal an, mach es doch mal so oder so.“ Oder: „Du bist doch Sportskamerad. Man kämpft hart für einen Erfolg, aber man schaut nicht weg, wenn einer stürzt.“ So war er immer am Spielfeldrand, beim Verein, in Verbänden, in Organisationen. Er hat mit seinen Erfahrungen, internationalen Erfahrungen dazu beigetragen in einer Zeit, in der wir die Freiheit erkämpft hatten und die Leute gelernt haben, dass Freiheit auch bedeutet, selbst anzupacken und Verantwortung zu übernehmen, weil es andere nicht tun.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP - Zustimmung von Eva von Angern, Die Linke, und von Dr. Falko Grube, SPD)

Das ist übrigens ein Lebensmotto, das alle Leistungssportler leben. Sie wissen, wovon sie sprechen. 

Deswegen hat sich Täve Schur auch nach 1989/90 große Verdienste erarbeitet. Neben all den herausragenden sportlichen Leistungen, die heute schon genannt wurden, ist es genau das, was einen Sportsmann, einen wahren Sportsmann nämlich auszeichnet: Kameradschaft, Mensch sein, fair sein und Freund sein, wenn andere Freunde brauchen. Genau dafür steht Täve Schur.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD)

Täve Schur ist genau deswegen zu Recht auch ein Idol. Er ist immer Mensch, immer Sportsmann, immer Sportkamerad geblieben, ohne die Hand aufzuhalten. Er hätte bei den Erfolgen Werbeverträge im Westen abschließen oder was auch immer tun können. Sie hätten - Legenden hin und her und Politik hin und her - gern mit ihm gearbeitet. Er hat ehrenamtlich für ein Vergelt’s Gott auf Hunderten, auf Tausenden Sportplätzen gestanden und hat kleinen Kindern Mut gemacht, anzupacken und sich einer Sportart, welcher auch immer, zu verschreiben und Ziele in Angriff zu nehmen. Dass Ziele nicht geschenkt werden, sondern man sie sich vornehmen und hart dafür arbeiten muss, dafür stand Täve Schur: sieben Tage die Woche hart arbeiten, wie jeder Sportler, der ein ehrgeiziges sportliches Ziel verfolgt. 

Ist es nicht das, was wir eigentlich einfordern? Der nachwachsenden Generation Mut zu machen, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, anzupacken und hart für Ziele zu arbeiten, nicht umzufallen, sondern sich selbst anzustrengen, damit Erfolge möglich werden: Dafür steht auch Täve Schur, und das glaubwürdig wie kaum ein anderer.

(Beifall bei der CDU und bei der Linken - Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD und von Jörg Bernstein, FDP)

Es wurde schon angesprochen und ich will es noch einmal sagen: Immer wenn die Radsportlegende Täve, also Gustav Adolf Schur für eine hohe Auszeichnung vorgeschlagen wird, dann heißt es: „Ja, aber Mensch, in der DDR war er so staatsnah, und er hängt ja heute noch dem Sozialismus an.“ Jetzt einmal im Ernst, unter uns hier: Niemand hat mich in Verdacht - meine Großeltern wurden enteignet usw.  , für Sozialismus zu stehen - ich halte das für eine falsche Idee  , aber zu glauben, dass jemand eine Auszeichnung nicht verdient, weil er an Sozialismus glaubt, das halte ich für groben Unsinn.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD)

Die wenigsten werden es wissen: Dann dürfte man überhaupt keinen Sozialdemokraten mehr auszeichnen.

(Dr. Falko Grube, SPD, lacht)

Ihr habt im letzten Parteiprogramm demokratischen Sozialismus als Vision erfunden.

(Dr. Falko Grube, SPD: Ihr habt so etwas auch mal drin gehabt! - Eva von Angern, Die Linke: Ihr habt das immer noch drin!)

Wie gesagt, wir reden hier über einen, der sportlich erfolgreich war, der eine Legende ist, weil er ein Idol ist, weil er ein Vorbild ist, nicht nur mit sportlichen Leistungen, sondern auch jenseits des Rades und des Sports. Das ist das, was ihn auszeichnet. 

Ich erwähne noch einen letzten Punkt, weil mir das wichtig ist. Ich habe Täve Schur bei Veranstaltungen sehr oft erlebt. Ich habe gesagt: „Sag einmal Täve, du kennst die Diskussion. Was sagst denn du dazu?“ Er hat es mir so erklärt, dass es mich absolut überzeugt hat. Es war ehrlich, es war gerade zu, es war nicht verdreht. Er sagte: „Du kommst aus dem Krieg, du warst überzeugter Nazi, wie viele in der Zeit um 1933, um 1945 - nach 1945 will es niemand gewesen sein. Du hast als Kind, als Jugendlicher für ein System gebrannt, weil du es für richtig gehalten hast. Und alles brach zusammen. Eine Bombe fällt auf dein Grundstück, Mutter tot, Verwandte tot, viele Tote. Du hast nichts zu essen, holst aus Trümmern Schrott, baust dir ein Rad zusammen, damit du von Heyrothsberge nach Burg auf Arbeit kommst. Du hast noch nicht einmal eine richtige Pedale. Dann kommt: Los, wir helfen dir. Dann sehen sie, wie talentiert du angeblich bist. Dann heißt es: Streng dich an. Du strengst dich an und sie reichen dir die Hand und unterstützen dich. Schlägst du dann dem ins Gesicht, der dich jahrelang ohne etwas zu fordern unterstützt hat? - Nein. Ich dachte, ich bin im richtigen Land, und ich wollte nie wieder Krieg erleben. Ich dachte, ich bin genau in dem Land, wo das am ehesten möglich sein wird.“

Das war seine Überzeugung. Dafür würde ich niemanden verurteilen wollen: nie, überhaupt nicht. Ich kann das nachvollziehen. 

Das Letzte dazu, das mir besonders wichtig ist. Er sagte mir dann: „Ich habe 1989/90 gesehen, wer plötzlich ausgetreten ist und sagte: Ich bin jetzt woanders, es war alles Mist und alle anderen lagen falsch, ich war ja nicht richtig dabei.“ „Das hat mich angekotzt“, hat er gesagt, „du musst doch eine Haltung haben und für deine Haltung stehen.“ 

Die muss nicht von anderen geteilt werden. Entweder du hast eine Haltung oder du hast keine. Dazu sage ich: Recht hat er. Leute mit Haltung haben wir nicht zu viele, eher zu wenige; auch wenn man nicht die gleichen Ideale teilt.

Ich frage: Brauchten wir nicht eigentlich viel mehr Täves? Menschen, die uneigennützig Kinder unterstützen, die sich uneigennützig und ehrenamtlich engagieren? - Ich sage: Ja. Gustav Adolf Schur ist Ehrenpräsident des Landessportbundes, der größten Vereinigung von Menschen in Sachsen-Anhalt. Es sind mehr als 3 000 Vereine und mehr als 370 000 Mitglieder. Die haben nicht irgendjemanden aus blauem Dunst zu ihrem Ehrenpräsidenten gemacht.

Ich sage: Gustav Adolf Schur, unser Täve, gehört in die Ruhmeshalle des Sports. Ich würde mich freuen, wenn das hier einhellig von allen beschlossen wird.