Guido Kosmehl (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte zeigt wieder einmal, wie leicht es passieren kann, dass wir uns von dem eigentlichen Thema wegbewegen,
(Ulrich Siegmund, AfD: Das liegt nicht an uns!)
über das wir reden müssen und über das wir uns natürlich auch streiten können. Natürlich ich spreche Sie an, Herr Siegmund, weil Sie Ihren Zwischenruf hier gleich platziert haben liegt das auch an Ihnen,
(Ulrich Siegmund, AfD: Nein!)
weil Sie bei Ihrer Einbringung an ganz vielen Stellen wieder Dinge verkürzt dargestellt haben, in einem Topf zusammengeschmissen haben und daraus dann irgendwie einen Faktencheck gemacht haben
(Ulrich Siegmund, AfD: Nein, Fakten!)
und dann selbst einräumen müssen, dass Sie einen ganz anderen Punkt gemeint haben und herausstellen wollten.
(Ulrich Siegmund, AfD: Das ist peinlich, Herr Kosmehl! Das ist Quatsch!)
Ich bin es, ehrlich gesagt, auch leid, Ihnen das immer und immer wieder zu erzählen. Denn es gibt eben mehr
(Zurufe von der AfD)
als nur das Asylverfahren. Es gibt mehr als nur das Asylverfahren.
(Ulrich Siegmund, AfD: Ja!)
Es gibt eben auch den subsidiären Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Den lassen Sie bewusst immer weg. Sie reden immer nur von Asylverfahren. Sie versuchen immer nur, die Quote herunterzureden, und dann sind Sie wieder der Meinung, dass sowieso alle nicht zu recht hier sind. Aber den Punkt lassen Sie grundsätzlich immer weg, weil Sie ich weiß es nicht das nicht verstehen oder weil Sie sich die Mühe nicht machen wollen, die Gruppen auseinanderzuhalten.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nein, Hetze! - Juliane Kleemann, SPD: Strategie!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über einen Antrag. Und ich weiß, das ist für Sie eine Feierstunde. Denn wenn man sich die Umfragewerte der AfD vor 15 Jahren anguckt, dann sieht man, dass Sie damals ums Überleben gekämpft haben. Das ist nicht schlimm. Es passiert Parteien ab und zu einmal, dass sie ums Überleben kämpfen.
(Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Das kennen Sie ja selbst!)
Aber genau dann, als die Flüchtlingskrise hochkam, haben Sie einen gewissen Aufschwung erlebt.
Ich sage Ihnen auch: Am Ende des Tages müssen Sie, wenn Sie wirklich ernsthaft einmal Verantwortung übernehmen wollen, auch Lösungen präsentieren. Doch das ist etwas, das Sie nie machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Thema weckt Emotionen und es bereitet vielen Menschen in unserem Land Sorgen. Sie fragen sich: Was passiert hier?
(Ulrich Siegmund, AfD: Aha!)
Bin ich hier noch sicher?
(Ulrich Siegmund, AfD: Ja!)
Diese Sorgen dürfen wir nicht kleinreden. Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen. Aber vor allen Dingen, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir Antworten finden. Wir müssen Lösungen erarbeiten, die dem entgegenwirken.
(Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Das schaffen Sie gar nicht!)
Man darf sich eben nicht zehn Jahre lang mit Angstschürerei über Wasser halten, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD.
(Ulrich Siegmund, AfD: Wer erzählt denn das?)
Ich sage eines ganz deutlich: Ich halte es für falsch, diese Ängste zu instrumentalisieren oder weiter zu schüren.
(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)
Die Realität ist komplexer als die einfache Erzählung vom Kontrollverlust. Ich sage ausdrücklich: Ja, Fehler sind gemacht worden. Die Migrationspolitik der letzten Jahre war oft widersprüchlich, zum Teil war sie auch planlos. Aber die Schlussfolgerung daraus kann doch nicht sein, alle Migrantinnen und Migranten pauschal unter Verdacht zu stellen.
(Oliver Kirchner, AfD: Das machen wir doch gar nicht!)
Es geht vielmehr darum, Ordnung zu schaffen, Recht durchzusetzen und gleichzeitig, meine sehr geehrten Damen und Herren, Humanität zu wahren.
Im September 2015, wenige Wochen, nachdem der Flüchtlingsstrom begann, hat Bundespräsident Gauck der Kollege Erben hat schon darauf hingewiesen Folgendes gesagt: Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich. Unser Asyl- und Flüchtlingsrecht bemisst sich nicht nach Zahlen, und doch wissen wir: Unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt, auch wenn wir nicht genau wissen, wo diese Grenze liegt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an dieser Stelle einen Einschub machen. Integration darum geht es in den letzten 15 Jahren auch, um Integration ist nicht etwas, das wir in den letzten 15 Jahren nicht leisten konnten. Wer den Blick in die alten Bundesländer richtet, der sieht, wie die Integration der ersten, zweiten, dritten Generation derjenigen, die Anfang der 60er-Jahre aus Italien und Griechenland, aber auch aus der Türkei gekommen sind, funktioniert: Die ist gescheitert,
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Andreas Schumann, CDU)
weil wir Integration sozusagen nie als wirkliche Integration verstanden haben. Es mag kulturelle Unterschiede geben. Den Griechen, den Italienern um die Ecke ist es vielleicht noch etwas leichter gefallen als dem türkischen Mitbürger. Aber genau da lagen schon Fehler. Und dann kommen wir im Jahr 2015 in eine Situation, in der die Anzahl schlicht und ergreifend noch viel größer ist. Wir sind nicht vorbereitet auf die Integration der Menschen.
Deshalb sage ich für die Freien Demokraten auch ganz klar: Integration ist keine Einbahnstraße.
(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP)
Aber wir müssen von denjenigen, die hierherkommen, erwarten können, dass sie integrationswillig sind, dass sie sich bemühen, unsere Sprache zu lernen;
(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP)
denn die Sprache ist der Schlüssel zur Integration.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Bundesebene sind in den vergangenen Monaten wichtige Maßnahmen ergriffen worden, um die illegale Einwanderung einzudämmen. Dazu gehören beschleunigte und konsequentere Abschiebeverfahren für abgelehnte Asylbewerber, vor allen Dingen bei schweren Straftaten, und verbesserte Rückführungsabkommen mit den Herkunftsstaaten, auch wenn wir sie noch immer nicht so zum Laufen gebracht haben, wie wir alle das erwartet haben, wenn ich etwa an Indien denke. Und weitere Abkommen müssen folgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das muss in den nächsten Jahren fortgeführt werden. Wir müssen weiter daran arbeiten, wie wir die Situation hier bewältigen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will einmal das machen, was Herr Siegmund nie macht: Ich möchte einmal über Sachsen-Anhalt reden.
(Zustimmung bei der CDU - Lachen bei der AfD)
Ich will einmal sagen, was diese Landesregierung, bestehend aus CDU, SPD und FDP, im Bereich der Migration unternommen hat. Wir haben es geschafft, dass sich die Zahl der Abschiebungen von Jahr zu Jahr weiter erhöht hat. Waren es Ende 2023 noch 5 779 Ausreisepflichtige, so waren es Ende 2024 nur noch 4 711 Ausreisepflichtige. Frau Ministerin, Sie haben gesagt, das ist im ersten Halbjahr noch einmal nach unten gegangen.
Wir haben auch auf freiwillige Rückführungen oder Ausreisen gesetzt.
(Zurufe von der AfD)
Sie sind immer dagegen: Um Gottes willen, jetzt geben wie denen noch Geld in die Hand, damit sie freiwillig ausreisen. Auch die Zahl dieser Ausreisen hat zugenommen. Allein im letzten Jahr sind mehr als 600 freiwillige Ausreisen passiert.
(Daniel Rausch, AfD: Von denen kommen auch viele wieder! - Nadine Koppehel, AfD: Darum reisen sie ja freiwillig aus: weil sie nachher wieder reinkommen!)
All das führt dazu, dass die Menschen, die ausreisepflichtig sind, die also nach einem rechtsstaatlichen Verfahren keine Duldung mehr haben, keinen Grund mehr haben, sich in Sachsen-Anhalt aufzuhalten, Sachsen-Anhalt verlassen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP)
Und das machen wir konsequent. Das machen wir konsequent.
Ich sage ausdrücklich, nachdem ich am Anfang dieser Legislaturperiode auch einmal ein paar kritische Worte an Frau Ministerin Zieschang gerichtet hatte: Da ist jetzt Tempo drin und dieses Tempo müssen wir weiter aufrechterhalten. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen, genauso wie wir erwarten, dass auch der Bund weiterhin seine Hausaufgaben macht, um eben im Bereich der Migration weiterzukommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten haben ein Vier-Türen-Modell. Wir haben das Asylverfahren, wir haben den subsidiären Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention und wir haben die Fachkräftezuwanderung. Auch dabei sind wir in der Ampel-Regierung nach vorn gekommen
(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja, nach vielen Jahren Stillstand!)
und haben endlich konkrete Möglichkeiten geschaffen, mit denen wir auf dem Arbeitsmarkt legal Zuwanderung ermöglichen können.
(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)
Das war ein großer Schritt. Aber ich sage auch immer wieder: Es gibt eben vier Türen und die vierte Tür geht nach außen auf. Deshalb gehört das für uns dazu. Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, Zuwanderung im Bereich des subsidiären Schutzes, den wir gewähren - das ist unsere DNA. Unser Grundgesetz sagt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt nicht nur im Asylverfahren, sondern auch für diejenigen, die subsidiären Schutz brauchen.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Deshalb werden wir uns dieser Verantwortung auch weiterhin stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir gewinnen das Vertrauen der Menschen in die Lösung der Migrationsfrage nicht durch Lautstärke, sondern nur dadurch, dass wir handeln, dass wir Dinge umsetzen, dass wir Stück für Stück daran arbeiten,
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
dass es besser wird, dass es sicherer wird dieser Auffassung sind wir absolut und dass wir auch eine Zukunft für unser Land haben.
Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD das ist mein letzter Satz , wer glaubt, dass Sachsen-Anhalt und über dieses Land reden wir, dieses Land vertreten wir, hier stellen wir uns im nächsten Jahr zur Wahl ohne Migration die Zukunft gestalten kann, der hat dieses Land nicht verstanden und der will dieses Land auch nicht in die Zukunft führen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Bei Herrn Gallert ist mir das jetzt nicht so ganz klar. Er hat sich erst gemeldet; das bedeutet, er hat eine Nachfrage. Jetzt steht er dort; das bedeutet eine Kurzintervention.
(Wulf Gallert, Die Linke: Na ja, das ist nur, damit es schneller geht!)
- Ach so, eine Nachfrage also. Aber wenn es eine Nachfrage ist, dann muss Herr Kosmehl diese erst noch zulassen.
Guido Kosmehl (FDP):
Gern.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Gern. - Herr Gallert.
Wulf Gallert (Die Linke):
Herr Kosmehl, Sie haben völlig zu Recht noch einmal auf Artikel 1 des Grundgesetzes verwiesen, der nun dezidiert auch nicht den Unterschied zwischen Deutschen und Nichtdeutschen macht. Aber Sie haben auch die Rede der Innenministerin gehört, die dezidiert noch einmal darauf hingewiesen hat, wie wichtig es ist, dass die Kommunen das jetzt auch alles durchziehen, dass also Menschen, die ausreisepflichtig sind, sämtliche Unterstützung, also, sage ich einmal, auch das Geld für das Essen, gestrichen wird. Solche Fälle gab es jetzt in Dessau. Die Frau Innenministerin ist offensichtlich ganz stolz auf solche Fälle.
Ist das aus Ihrer Perspektive noch mit Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbar?
Guido Kosmehl (FDP):
Sehr geehrter Herr Kollege Gallert, meine Antwort auf Ihre Frage ist: jein.
(Stefan Gebhardt, Die Linke: Jein?)
Ich sage „jein“ deshalb, weil die Würde des Menschen es gebietet, dass wir die Menschen natürlich nicht, wie Sie es jetzt an einem Beispiel gemacht haben, verhungern lassen, also ihnen keine Möglichkeit des Essens geben.
Aber eingedenk des gesamten Grundgesetzes haben wir halt ein rechtsstaatliches Verfahren. Diejenigen, die keinen Aufenthaltstitel mehr haben, die auch keine Duldung haben diese Duldungsvorschriften sind übrigens sehr weitreichend; wir gucken auch manchmal: Ist das denn wirklich noch Duldung? , die müssen, wenn das gerichtliche Verfahren abgeschlossen ist, wenn die Entscheidung getroffen ist, dass kein Aufenthaltstitel vorhanden ist, dann Deutschland und Sachsen-Anhalt verlassen.
Ich sage aber auch damit kommen wir in Richtung des „Jein“ : Auch dafür hat die Ampel den sogenannten Spurwechsel ermöglicht. Diejenigen, die z. B. keinen Anspruch auf Asyl haben, weil sie den individuellen Asylgrund nicht nachweisen konnten oder weil der Schutzgrund entfallen ist, haben die Möglichkeit, die dritte Tür, nämlich die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, zu ergreifen, damit wir die Menschen, die sich hier integriert haben auf diese Fälle, dass es gut Integrierte sind, stellen Sie ja meistens ab , nicht dauerhaft verlieren.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort ein Stück weit Erhellung gebracht habe. Im Übrigen kann ich Ihnen sagen: Aus meiner Sicht war die DDR Sozialismus. - Vielen Dank.

