Rüdiger Erben (SPD):
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine junge Frau wird in ihrer eigenen Wohnung von ihrem Ex-Partner erstochen. Eine Mutter wird auf offener Straße vom Vater ihrer gemeinsamen Kinder getötet. Ein Ehemann erschießt seine Ehefrau, weil sie sich von ihm trennen will. - All das sind keine Drehbücher für Sonntagabendkrimis in der ARD, sondern es sind reale, traurige Fälle, die innerhalb des letzten Jahres in Sachsen-Anhalt passiert sind.
Diese und ähnliche Fälle werden teilweise bis heute medial und in der Rechtsprechung als Familien- oder Beziehungsdrama bezeichnet. Das verschleiert aber einen ganz bestimmten Hintergrund: Die Männer haben ihre Partnerin oder Ex-Partnerin eben nicht in einer unübersichtlichen psychischen Ausnahmesituation getötet. Den Frauen wurde zielgerichtet und bewusst aufgelauert. Teilweise haben die Männer schon Jahre zuvor immer wieder Gewalt gegen sie ausgeübt. Und immer wieder handelten die Männer aus verletztem Stolz, weil die Frauen eben nicht mehr mit ihnen in einer Partnerschaft leben wollten.
Dieses in furchtbare Verbrechen ausartende Besitzdenken gegenüber Frauen ist ein Problem, das sich durch sämtliche Gesellschaftsschichten in unserem Land zieht. Es ist dabei egal, ob jung oder alt, Deutsch oder Ausländer, arm oder reich. Der Begriff des Femizids ist zumindest soziologisch zur Beschreibung dieses Phänomens geeignet.
Juristisch ist das Ganze zugegebenermaßen etwas schwieriger. Ich bin grundsätzlich der Überzeugung, dass unser bestehendes Strafrecht zur Verfolgung dieser Verbrechen ausreichend ist. Die Ampelkoalition hat im Jahr 2023 bei den Grundsätzen der Strafzumessung nach § 46 des Strafgesetzbuches die geschlechtsspezifische Gesinnung der Tat als Abwägungsgrund aufgenommen. Damit werden Femizide auch im Strafrecht abgebildet. Ob man sie darüber hinaus als geeignetes Mordmerkmal führen sollte, dazu gibt es auch innerhalb der Sozialdemokratie ein heftiges Für und Wider.
Ich vertrete die Position, dass das Problem nicht in einer gesetzlichen Lücke liegt. Eher geht es um die Sensibilisierung von Richtern und Staatsanwälten. Sie müssen erkennen, dass diese Männer ihre Frauen nicht in einem spontanen Akt der Verzweiflung getötet haben.
(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)
Es waren geplante Taten, mit denen sie ihre vermeintlichen Besitzansprüche wahren wollten.
(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Sandra Hietel-Heuer, CDU)
Das reicht nach meiner Meinung und nach der von zahlreichen Strafrechtlern als niedriger Beweggrund im Sinne des Mordparagrafen, des § 211 StGB, aus.
Unser eigentliches Ziel muss es sein, solche Taten zu verhindern.
(Zustimmung bei der SPD, von Sandra Hietel-Heuer, CDU, und von Xenia Sabrina Kühn, CDU)
Die neue Bundesjustizministerin Stefanie Hubig hat dazu vor ein paar Wochen eine Änderung des Gewaltschutzgesetzes vorgeschlagen. Damit würde bundesweit die elektronische Fußfessel für Gefährder möglich gemacht. Das sogenannte spanische Modell ist sicherlich auch kein Allheilmittel, aber gerade in Hochrisikofällen würde es sehr hilfreich sein.
Es ist darüber hinaus sehr begrüßenswert, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Forderungen meiner Partei aufgenommen hat und die häusliche Gewalt im Sorge- und Umgangsrecht aufgreifen will. Die Übergabe der Kinder ist regelmäßig eine Schwachstelle, die gewaltbereite Täter für ihre Absichten nutzen. Dem würden wir durch entsprechende Änderungen einen Riegel vorschieben.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Prävention fängt aber noch viel früher an.
Schauen wir uns einmal in den einschlägigen sozialen Medien um, welche Werte Influencer dort gerade jungen Männern vermitteln: dass Frauen sich den Männern unterzuordnen haben, dass Männer ein natürliches Recht auf Kontrolle über sie hätten, dass man Frauen nicht als gleichberechtigt, sondern in jeglicher Hinsicht abwertend behandeln sollte.
Solange einem solchen Denken nicht durch Eltern, Schule und Gesellschaft widersprochen wird, solange werden auch die nachfolgenden Generationen Femizide erleben müssen.
(Zuruf von der AfD: So ein Quatsch!)
Denn das Besitzdenken der Täter speist sich aus genau diesem Gedankengut.
Wie wir dagegen am besten ankommen, darüber sollten wir in den Ausschüssen weiter beraten. Ich bitte um eine Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Inneres und Sport sowie für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. - Herzlichen Dank.

