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Plenarsitzung

Transkript

Jörg Bernstein (FDP): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es vorweg zu sagen: Ich halte die gegenwärtige Aktuelle Debatte   oder vielleicht sollte man besser „Zukunftsdebatte“ sagen   zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich für unnötig. 

(Zuruf von der AfD: Das stimmt!)

Aber sie gibt mir die Gelegenheit, die grundsätzlichen Positionen der FDP-Fraktion hier im Landtag zum Schuldenpaket vorweg darzustellen. Es wurde schon angedeutet: In der Spätphase seiner Legislaturperiode beschließt der scheidende Bundestag eine Grundgesetzänderung und gewährt einer zukünftigen Bundesregierung aus SPD, CDU und CSU   an dieser Stelle passt es   eine Kreditermächtigung von 500 Milliarden €, und das mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD und den GRÜNEN. 

(Guido Kosmehl, FDP: Und den Linken im Bundesrat!)

- Ja, okay. Die nehmen wir mit dazu. Im Bundesrat sind die auch dabei. 

(Guido Heuer, CDU: Wie hat Rheinland-Pfalz abgestimmt?

- Die haben sich genauso wie wir enthalten, lieber Kollege Heuer. 

(Olaf Meister, GRÜNE: Das war eine echte Glanzleistung! Ganz schwach!)

Der Bundestag gewährt diese Kreditermächtigung für ein sogenanntes Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität, für das im neu gewählten Bundestag die Mehrheit sicherlich gefehlt hätte. Ich meine, dass unsere Verfassung kein finanzieller Selbstbedienungsladen werden darf. Wer das Grundgesetz für parteipolitische Deals nutzt, der gefährdet das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institutionen. Das Grundgesetz ist nicht für politische Taktik da, sondern es ist das Fundament unserer Demokratie

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ja!)

Der Kollege Schmidt hat vorhin natürlich gesagt, es war eine verfassungskonforme Lösung. Ja, man hat sich eine verfassungskonforme Lösung gemacht. Union, SPD und GRÜNE haben einen politischen Kuhhandel geschlossen: Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben gegen Klimaneutralität 2045. 

Für mich sind die 500 Milliarden € außerhalb der Schuldenbremse kein solides Fundament, sondern eine gefährliche Einladung zu intransparenter Haushaltspolitik. Die 100 Milliarden € für den Klima- und Transformationsfonds, die heute noch gar nicht zur Sprache kamen   sie betreffen die gegenwärtige Debatte nicht; ich möchte sie trotzdem erwähnen  , kann man wohl getrost schon als abgeschrieben betrachten. 

So darf man mit dem Geld der Steuerzahler aus unserer Sicht nicht umgehen. Je höher die Staatsverschuldung steigt, desto größer wird die Gefahr, Inflation und Zinsen weiter anzutreiben. 

(Beifall bei der FDP)

Das bedroht die Kaufkraft und den Wohlstand unserer Bürgerinnen und Bürger. Heute habe ich gelesen, 

(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

selbst die Ankündigung des Schuldenpaketes hat bei 30-jährigen Bundesanleihen zu einem Anstieg um 0,3 Prozentpunkte geführt. 

(Beifall bei der FDP)

Mit jeder Milliarde neuer Schulden verliert der Staat zukünftige Gestaltungsspielräume und Glaubwürdigkeit gegenüber europäischen Partnern, die wir stets zu haushaltspolitischer Solidarität anhalten. Natürlich   ich glaube, darüber müssen wir uns nicht streiten; da sind auch wir als FDP-Fraktion dabei   ist der Investitionsbedarf in Deutschland riesig. Unsere Infrastruktur ist in weiten Teilen sanierungsbedürftig - Straßen, Schienen, Brücken, Schleusen. All das wissen wir. 

Deutschland hat aber   das wurde an anderer Stelle schon gesagt   nicht primär ein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Warum gibt es kein Moratorium für neue Subventionen? Aktuell gibt es wieder eine Diskussion über die E Auto-Förderung. Wenn so ein System überlegen ist, warum muss es dann noch gefördert werden? Das ist immer meine Frage.

Wann kommt die Überprüfung von Bürgergeldausgaben? Auch das gehört dazu. Das wird sicherlich noch eine spannende Diskussion innerhalb der neuen Bundesregierung werden. Aus unserer Sicht ist das Bürgergeld nicht als bedingungsloses Grundeinkommen angelegt. 

(Beifall bei der FDP)

Um es noch einmal zu sagen: Wir müssen den Mut haben, zu priorisieren und auch einmal Ausgaben zu streichen. Dafür fehlt mir in der Großen Koalition   das konnte eine Große Koalition offenbar noch nie   der Mut zur Prioritätensetzung. Über das Geldausgeben werden letztendlich zum Teil unüberwindbare Gräben zugeschüttet; das ist nicht unbedingt eine seriöse Finanzpolitik. 

(Olaf Meister, GRÜNE: Corona-Sondervermögen!)

- Auch da waren wir kritisch, Kollege Meister.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Ich glaube, es ist gut, dass wir in der Regierung sind; denn wir haben da für ein gewisses Maßhalten gesorgt. Das ist meine feste Überzeugung. 

Noch einmal zurück. Deutschland fehlt es nicht unbedingt an Geld, sondern vor allem an Planungskapazitäten und klaren Zielsetzungen. Auch Digitalisierung und Bürokratieabbau wären echte Faktoren für eine Standortpolitik und würden Deutschland wirklich voranbringen. 

Ohne strukturelle Reformen sind Milliarden lediglich teure Placebos. Investitionen brauchen Tempo und Effizienz, nicht primär neue Kreditlinien. Die eigentliche Frage aber muss lauten: Wird hier wirklich investiert oder wird hier nur inszeniert? Denn nur Investitionen lassen sich meiner Meinung nach überhaupt rechtfertigen. 

Ja, als Freie Demokraten stehen wir auch zu den Zukunftsinvestitionen. Aber wir bestehen auf Haushaltsklarheit, auf Generationengerechtigkeit und auf Respekt vor dem Grundgesetz. Die Schuldenbremse ist Ausdruck eines liberalen Grundgedankens. Eigenverantwortung heißt eben auch, dass jede Generation ihre Probleme zunächst einmal selbst löst und sie nicht einfach der nächsten Generation aufbürdet. Deshalb sehen wir das Konstrukt dieses Sondervermögens kritisch. Nicht, weil wir gegen Investitionen sind, sondern weil es am Willen zur Umverteilung von Konsum hin zu Investitionen fehlt. 

Bei diesem Konsum würde ich bspw. auch die Investitionen, die Sie als vorgebliche Investitionen genannt haben, sehen, etwa für die Digitalausstattung an Schulen. Das sind Dinge, die irgendwann wieder auf den Kernhaushalt zurückkommen. Das wurde beim Sondervermögen „Corona“ oft kritisiert. 

(Zuruf)

Wir machen den gleichen Fehler wieder, wenn wir dahin gehend das Geld ausgeben.

Wer ernsthaft in die Zukunft investieren will, der muss auch den Mut haben, im Hier und Heute zu verzichten. Was nicht geht, sind neue Milliardenkredite, um ineffiziente Programme aufzublähen. Was gehen muss, ist ein klarer Fokus auf Infrastruktur, auf Bildung, auf Forschung und auf Digitalisierung - um es kurz zu sagen: auf Standortpolitik. 

Meine Damen und Herren! Als FDP-Landtagsfraktion sagen wir: Solange dieses Geld ausschließlich vom Bund kommt und unseren Landeshaushalt nicht unmittelbar belastet   ich sage bewusst: unmittelbar; denn am Ende müssen es alle Steuerzahler zahlen  , 

(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP) 

lehnen wir dieses Sondervermögen nicht pauschal ab. Aber wir schauen genau hin, sehr genau.

(Zustimmung von Konstantin Pott, FDP) 

Erstens: Wird das Geld tatsächlich investiv verwendet oder versickert es in konsumtiven, ineffizienten Programmen? 

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)

Zweitens: Ist es wirklich zusätzlich oder nur Etikettenschwindel? 

Drittens: Dient es wirklich kommenden Generationen oder nur der Finanzierung laufender Ausgaben? Denn eines ist klar: Ein Sondervermögen, das vorgibt zu investieren, aber durch Haushaltsverschiebungen am Ende nur heiße Luft produziert, ist kein Fortschritt, sondern Bilanzkosmetik auf Kosten unserer Kinder. 

(Zustimmung bei der FDP) 

Deshalb fordern wir eine Mindestquote für Investitionen auch in Sachsen-Anhalt, eine strikte Zweckbindung sowie eine echte Erfolgskontrolle und klare Leitplanken von Anfang an. Mit diesem   ich muss den Titel ablesen, weil er doch recht lang ist, der sich gut für Scrabble eignet   Kommunalinfrastrukturfinanzierungsgesetz schafft die Bundesregierung erneut das, was sie besonders gut kann: mehr Bürokratie und weniger Klarheit. Anstatt endlich mutige Strukturreformen anzugehen, Planungsverfahren radikal zu vereinfachen und tatsächlich in Projekte mit messbarem Nutzen zu investieren, beschränkt man sich darauf, riesige Summen pauschal zu verteilen. 

Der Gesetzentwurf sieht eine starre Mindestquote von 60 % für kommunale Investitionen vor. Das ist eine Quote, die gut gemeint sein mag, aber nicht auf dem realen Bedarf, sondern auf Bürokratie beruht. 

Noch schlimmer ist die sogenannte Zusätzlichkeit der Investitionen. Wird nur summenmäßig geprüft, und nicht konkret an einzelnen Projekten? Als Stadtrat habe ich mir bspw. auch die Frage gestellt: Was passiert eigentlich, wenn es eine Stadt noch nicht einmal schafft, die geplanten Investitionen, die im Haushalt verankert sind, abzuarbeiten? Was ist in diesem Fall die Bemessungsgrundlage für die Zusätzlichkeit? Ist es der tatsächliche Mittelabfluss, oder sind es die geplanten Zahlen, die dann, wie auch immer und durch wen auch immer   mir fehlt die Fantasie dafür   umgesetzt werden sollen? 

Weiterhin stellt sich die Frage nach dem Verzicht auf Kleininvestitionen. Dabei geht es, glaube ich, um 50 000 €.

(Dr. Andreas Schmidt, SPD: Ja!) 

Das ist für mich eigentlich eine Kleinstinvestition. Was will man damit im investiven Bereich anfangen? Aber wir haben noch genügend Zeit, darüber zu sprechen. 

Was wollen wir Freien Demokraten? - Wir stehen für ein Investitionsprogramm mit Verantwortung, klar und nachvollziehbar. Dieser Verantwortung werden wir uns in Sachsen-Anhalt auch stellen,

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

und zwar durch entsprechende Investitionsvorschläge, über die wir bei uns in der Fraktion schon diskutiert haben. Wir haben noch kein detailliertes Konzept, aber wir arbeiten daran, und zwar durch Kontrolle und durch die kritische Begleitung, so wie wir es auch beim Sondervermögen „Corona“ stets gemacht haben. 

(Zustimmung bei der FDP) 

Wir brauchen eine investive Infrastrukturpolitik mit Wirkungskraft, generationengerechte Projekte und eine klare Finanzpolitik. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU) 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Diese können Sie noch weiter in Anspruch nehmen, sofern Sie eine Frage von Herrn Schmidt beantworten wollen. - Offensichtlich tun Sie das. - Herr Schmidt, Sie haben die Gelegenheit, sie zu stellen. Bitte.


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Lieber Kollege Bernstein, habe ich Sie richtig verstanden, dass die FDP-Fraktion die Quelle dieses Geldes ablehnt, weil es falsch zustande kommt, über Verschuldung, die Annahme des Geldes gleichwohl nicht verweigert, 

(Olaf Meister, GRÜNE, lacht) 

sofern wir Bedingungen für das Verausgaben dieses Geldes einhalten, über die wir, so glaube ich, nicht im Streit sind, sondern über die wir uns einig sind und die in dem Gesetz vermutlich auch ziemlich klar vorgegeben sein werden? Habe ich das richtig verstanden? 

(Guido Kosmehl, FDP: Nein! - Dr. Katja Pähle, SPD: Das klang aber so! - Zuruf von Guido Heuer, CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Sie können antworten. 


Jörg Bernstein (FDP): 

Ja, klar. - Lieber Kollege Dr. Schmidt, ich habe meinen Redebeitrag quasi in zwei Teile aufgegliedert. Zum einen habe ich die Frage der Entstehung aus unserer Sicht kritisch beleuchtet. Zum anderen wäre es, wenn wir sagen, wir wollen es nicht ausgeben, konsequent, zu fragen, was wir damit gewinnen würden. 

(Dr. Falko Grube, SPD: Das wäre die Konsequenz! - Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)

Es ist doch besser   so haben wir es auch beim Sondervermögen „Corona“ gemacht  , dass wir das wachsame Auge des Steuerzahlers auf die Mittelverwendung sind. 

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Trotzdem wird es ja ausgegeben! - Olaf Meister, GRÜNE: Die Schulden werden gemacht! - Zuruf von Guido Heuer, CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Das dürfte jetzt deutlich geworden sein und deswegen können wir diesen Debattenbeitrag beenden.