Tagesordnungspunkt 6
KulturPass für achtzehnjährige Menschen in Sachsen-Anhalt einführen
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/5863
#Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/5942#
 Sie sehen Herrn Aldag am Rednerpult stehen. Er wird den Antrag für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN einbringen. 
 Wolfgang Aldag (GRÜNE): 
Vielen Dank, Frau Vorsitzende. - Meine Damen und Herren! Kultur ist Unterhaltung, Kultur ist Wissen, Kultur ist Gemeinschaft, Kultur ist Mitbestimmung, Kultur ist Vielfalt, Kultur ist Leben, Kultur kann viel und Kultur ist viel.
Genau deshalb ist es so wichtig, dass Kultur für alle Menschen zugänglich ist, vor allem für junge Men-schen; denn wer mit 18 Jahren am Anfang des Erwachsenseins steht, entdeckt nicht nur die eigene Frei-heit, sondern auch die Gesellschaft, in der sie oder er lebt. Dabei spielt die Kultur eine entscheidende Rolle. Sie verbindet, sie inspiriert, sie macht Mut, Fragen zu stellen, und sie lehrt uns, die Welt mit offe-nen Augen zu sehen.
Kultur ist mehr als ein schönes Extra. Sie ist das Fundament unserer Gesellschaft und unserer Demokra-tie. In Theatern, bei Konzerten, in Museen oder Klubs erleben wir, wie Vielfalt unser Zusammenleben be-reichert. Dort lernen wir, unterschiedliche Perspektiven auszuhalten, andere Meinungen zu respektieren und gemeinsam Neues zu schaffen.
Kultur schafft Räume, in denen Demokratie gelebt wird, z. B. im offenen Dialog, bei der kritischen Ausei-nandersetzung und bei der Freude am Gemeinsamen. Gerade Räume für Freiheit und für das Ausleben, Räume für das Sein und zum Ausprobieren, das ist etwas, das bei jungen Menschen oft fehlt. Viel zu oft fehlen Flächen, auf denen junge Menschen sich treffen und zusammen sein können.
Kein Wunder, dass die Jugend und die Kinder sich dann in die Online-Welt flüchten, wenn es offline für sie nicht viel gibt. Die Kultur bietet diese Freiräume und freie Flächen für junge Menschen. Doch leider wird gerade jungen Menschen der Zugang zur Kultur oft erschwert. Hohe Eintrittspreise und fehlende An-gebote vor Ort schließen viele aus. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch gefährlich für unsere De-mokratie; denn wenn junge Menschen nicht teilhaben, wenn ihre Stimmen nicht gehört werden und Er-fahrungen fehlen, dann fehlt auch unserer Gesellschaft die Zukunft.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)
Auch die weit verbreitete Meinung, dass Kultur etwas für die Älteren sei, die sich Arien wie „Isoldes Lie-bestod“ aus der Oper „Tristan und Isolde“ in großen Opernhäusern anhören,
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
erschwert den Zugang für Jugendliche. Damit will ich nicht sagen, dass Schauspiel und Musiktheater nichts für jungen Menschen sind. Unsere Opernhäuser und Theater leisten in Sachsen-Anhalt Großarti-ges. Von ganz jung bis ganz alt ist da für jede und jeden etwas dabei.
Ein gutes Beispiel ist das Theater in Magdeburg - ganz aktuell wurde es als „Theater des Jahres“ ausge-zeichnet -, das mit dem von Kritikern hoch gelobten Schauspiel „Blutbuch“ die Identitätsfindung und das Orientieren in der Gesellschaft insbesondere
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
von jungen und queeren Menschen zum Thema gemacht hat. Aber das sind eben das Image und die Vor-stellung, die viele Menschen, insbesondere junge Menschen, von der Kultur haben: Kultur wäre eben nur Theater und Oper, und es wäre etwas für die Älteren.
Dabei ist Kultur das und vieles mehr. Kultur ist das Lesen von Büchern, Kultur ist das Schauen von Filmen im Kino, Kultur ist Tanzen im Klub, Kultur ist Springen beim Konzert und Kultur ist der Besuch von Museen und Theatern und natürlich auch der Gang in die Oper. Die Kultur ist für alle da.
Um gerade junge Menschen, konkret 18-Jährigen, den Zugang zu erleichtern und ihnen kleinen Anschub für den Start ins Erwachsenenleben zu geben, wurde der „KulturPass“ von der ehemaligen Kulturstaats-ministerin Claudia Roth geschaffen. Zunächst bekamen die Jugendlichen 200 € als Guthaben, später dann 100 €, um es für Kultur ausgeben zu können.
Gerade nach der Coronapandemie, bei der Kinder und Jugendliche ganz ehrlich, am meisten zurückste-cken mussten, setzte der „KulturPass“ ein wichtiges Signal. Auch die heutigen und zukünftigen 18-Jährigen haben die Einschnitte der Coronapandemie erlebt und durchlitten. Gerade für sie ist der „Kul-turPass“ da. Er zeigt: Geht in die Kulturinstitutionen, beschäftigt euch mit Kultur und erlebt die Vielfalt des Lebens. Die 200 € Guthaben für den „KulturPass“ zum 18. Lebensjahr sind da wie ein Geschenk.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)
Der „KulturPass“ ist ein Erfolgsprojekt. Er öffnet Türen zu Konzerten, zu Theaterstücken, zu Ausstellungen und zu Lesungen. Allein im ersten Jahr nutzten rund 300 000 Jugendliche bundesweit das Guthaben. Sie kauften damit etwa 600 000 Bücher, besuchten 250 000mal das Kino, lösten 100 000 Tickets für Konzerte und Festivals und erwarben 6 000 Instrumente.
Der „KulturPass“ gibt den jungen Menschen die Chance, Kultur als das zu erleben, was es ist: ein gemein-schaftliches Gut, das uns alle stärkt. Mit dem „KulturPass“ machen wir deutlich: Eure Neugier, eure Kre-ativität und euer kritischer Blick sind uns wichtig. Ihr gehört dazu, ihr seid ein wichtiger Teil der Gesell-schaft von heute und morgen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Genau deswegen ist es ein alarmierendes Signal, dass der aktuelle Kulturstaatsminister Wolfram Weimer den „KulturPass“ einstampfen möchte. Dafür braucht es, ehrlich gesagt, gar nicht die Einschätzung des Bundesrechnungshofes, dass die Kultur von den Ländern finanziert werden soll. Herr Weimer wollte den „KulturPass“ schon vorher abschaffen. Das Argument, das Kultur Ländersache ist, kam ihm dabei nur entgegen.
Ja, Kultur ist Ländersache. Deswegen schlagen wir GRÜNE vor, dass Sachsen-Anhalt den „KulturPass“ mit einem Guthaben in Höhe von 200 € für 18-Jährige einführt, sofern und sobald der Bund diesen nicht mehr finanziert. Die bereits existierenden Strukturen wie die App können und sollen dafür weiter genutzt wer-den.
Natürlich ist das nur ein erster Schritt, um den bestehenden „KulturPass“ aus Sachsen-Anhalt heraus weiterführen zu können. Wir GRÜNE können uns gut und gerne eine Ausweitung des „KulturPasses“ vor-stellen, auf weitere Altersgruppen und vom Budget her.
Auch der Deutsche Kulturrat unterstützt die Forderung, den „KulturPass“ fortzuführen. Gegenüber dem Deutschlandfunk kritisiert dessen Geschäftsführer Olaf Zimmermann das mögliche Aus des „KulturPas-ses“ für Jugendliche und mutmaßte, dass sich Kulturstaatsminister Weimer hinter dem Bundesrech-nungshof verstecke. Anstatt einer Abschaffung regte er an, den „KulturPass“ weiterzuentwickeln, sodass dieser noch mehr den Interessen junger Menschen entspräche. Er schlug z. B. vor, dass man mit dem „KulturPass“ auch digitale Angebote erwerben könne.
Das sind Anregungen, von denen wir in Sachsen-Anhalt lernen können und die wir bei der Einführung ei-nes "KulturPasses" beachten können. Es ist ein viel genutztes Argument gegen den „KulturPass“, dass die Jugendliche das Guthaben eben für Kinotickets, Bücher und Comics genutzt haben. Aber ganz ehrlich: Für mich ist das kein Argument; denn Bücher, Comics und Filme sind eben auch Kultur. Es ist Jugendkultur.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)
Wir GRÜNE wollen, dass junge Menschen Kultur genießen können und dass das nicht an finanziellen Bar-rieren scheitert. Und wir wollen, dass die Jugendlichen eben die Freiheit haben, darüber zu entscheiden, wie und wo sie Kultur erleben.
Mit der Einführung eines „KulturPasses“ in Sachsen-Anhalt setzen wir ein klares Signal: Kultur ist für alle da. Und sie ist unverzichtbar für Gemeinschaft, Zusammenhalt und Demokratie. Vor allem ist Kultur für junge Menschen da. Wir wollen, dass sie die Möglichkeit haben, an Kultur teilzuhaben. Deswegen schla-gen wir GRÜNE die Einführung des „KulturPasses“ in Sachsen-Anhalt vor. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem guten Antrag. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
 Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Aldag, für die Vorstellung des Antrages.

