Juliane Kleemann (SPD):
Herr Präsident! Hohes Haus! Vor genau einem Jahr, und zwar im Juniplenum des letzten Jahres, habe ich an dieser Stelle zu der von uns eingebrachten Aktuellen Debatte geredet, und zwar zu dem Thema „Bevölkerung schützen - Folgen des Klimawandels solidarisch tragen“. Ich habe in dieser Rede aus unserem Umweltausschuss zitiert, nämlich den Vertreter des Helmholtz-Forschungsinstituts, der - ich fasse es jetzt zusammen - in unserem Ausschuss im Rahmen der Beratung über unseren Selbstbefassungsantrag zu dem Thema „Wissenschaftliche Erkenntnisse über Ursachen und Folgen des Klimawandels“ gesagt hat, dass die menschengemachten Treibhausgasemissionen eindeutig die Hauptursache für die bisherige und zukünftige Klimaerwärmung sind, deren Folgen sich insbesondere durch häufigere und intensivere Extremereignisse bereits deutlich zeigen und den natürlichen Wandel der letzten 20 000 Jahre in Tempo und Ausmaß übertreffen.
Das heißt, es gibt die Beobachtung, dass die Temperatur in den letzten 20 000 Jahren um sechs Grad gestiegen ist. Derzeit steigt die Temperatur in einem deutlich schnelleren Tempo; die Durchschnittstemperatur steigt deutlich schneller, und das in einem sehr, sehr, sehr viel kürzeren Zeitraum.
Wir alle haben die Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre vor Augen. Das Ahrtal ist heute schon genannt worden, das Helme-Hochwasser im Winter 2023/2024 und die Starkregenereignisse am 23. Mai im Harz ebenso.
Zur Lektüre empfohlen ist an dieser Stelle die kürzlich erschienene Broschüre zum Winterhochwasser in den Jahren 2023/2024. Darin kann man sehr gut nachlesen, wie komplex uns das Thema alle beschäftigt.
Neben den Starkregenereignissen und den Wasserereignissen auf der einen Seite gibt es auf der anderen Seite extreme Dürrezeiten. Wir sind jetzt erneut in einer Situation, in der sehr, sehr wenig Niederschlag fällt. In Deutschland lag die Frühjahrstemperatur mit 9,8 Grad deutlich über dem langjährigen Mittel von 8,1 Grad.
Wir wissen, dass der Klimawandel der Treiber all dieser Situationen ist und dass die Prognosen der Klimafolgenforschung Stück für Stück Realität werden. Wer sich an dieser Stelle wegdreht, der handelt fahrlässig. Ich bin deswegen Minister Prof. Dr. Armin Willingmann sehr dankbar, dass wir im Rahmen des Landesprojektes oder der Landesstrategie „Stabil im Klimawandel“ gezielt in den Hochwasserschutz investieren. In diesem Rahmen müssen wir schauen, wo Landschaften umgebaut werden und wo wir uns im Hintertreffen befinden.
Es gibt Regionen - bei mir in der Altmark ist es so , in denen die meisten Deiche DIN-gerecht aufgebaut sind. Wir sind aber in einer privilegierten Situation. Das ist in anderen Teilen Sachsen-Anhalts noch lange nicht so. Wir brauchen deutlich mehr Überflutungsflächen; das wissen wir alle.
Die Debatte in den letzten 20, 25 Minuten an diesem Pult und hier im Raum hat gezeigt, dass wir offensichtlich eine sehr unterschiedliche Vorstellung von dem haben, was wir solidarisch nennen.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)
Ich kann, ehrlich gesagt, gar nicht verstehen, wieso eine solidarische Pflichtversicherung für Elementarschäden, die ist übrigens Teil des Bundeskoalitionsvertrages ist Darin steht - das kann man schön nachlesen - ab der Zeile 2790, dass wir im Neugeschäft bei der Wohngebäudeversicherung die Elementarschadenversicherung zum Grundbestandteil machen wollen.
Wenn man nach Frankreich guckt, wo die Jahreskosten im Mittel bei 41 € bzw. 42 € liegen, dann verstehe ich ehrlich gesagt nicht, was daran unsolidarisch ist, wenn jeder eine Summe bezahlt. Selbst wenn man dann sagt, man legt dies auf die Mieter um, dann sind das noch keine großen Summen.
99 % aller Menschen in diesem Land haben eine Wohngebäudeversicherung, aber weniger als 50 % haben eine Elementarschadensversicherung. Ich finde es eher nicht solidarisch, wenn diejenigen, die in Risikogebieten leben, jetzt wissen, dass sie in Risikogebieten leben, eine Versicherung abschließen. Aber man kann nicht wissen kann, weil wir keine Studien darüber haben - die kann man auch gar nicht haben , wo uns zukünftig Wetterunbilden und Extremereignisse ereilen werden.
Frau Simon-Kuch, Sie haben es vorhin gesagt, es gibt keine Postleitzahl. Man könnte in der Tat sagen, ganz Sachsen-Anhalt mit all seinen Postleitzahlen ist ein potenzielles Gefährdungsgebiet. Wie will ich bestimmte Regionen separieren und sagen, das sind Risikogebiete, ihr habt jetzt Pech und müsst eine Police zahlen, deren Höhe drei- oder vierstellig ist?
All das, was wir in den letzten 20, 25 Minuten von diesem Pult aus gehört haben, zeigt sehr deutlich, dass wir Diskussionsbedarf haben. Ja, der Entscheider ist am Ende die Bundesebene, aber ich glaube, dass für eine gute Entscheidung die gesellschaftliche Debatte weitergehen muss. Deswegen ist es richtig, dass wir darüber im Ausschuss weiter diskutieren.
Ich sage es noch einmal, ich weiß nicht, warum 41 € oder 42 €, und zwar auf das Jahr gerechnet, unsolidarisch sein sollen. - Vielen Dank.