Nicole Anger (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Danke für diese Debatte und für den Austausch. Ich habe gehört, dass die allermeisten von uns gar nicht so weit auseinanderliegen, aber wir haben noch einiges zu tun. Ich habe erwartet, dass die Sozialministerin hier zu dem Thema Inklusion spricht. Aber - mit Verlaub; das hat auch die Debatte gezeigt - das wäre ein Thema des Ministerpräsidenten gewesen. Selbst die Sozialministerin hat darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um ein Querschnittsthema aller Ressorts handelt. Bei der Einbringung habe ich deutlich gemacht, dass wir über ein Menschenrecht reden, das alle Lebensbereiche umfasst.
Die Bilanz, die man aus den Antworten auf die Große Anfrage ziehen muss, zeigt – auch die Debatte hat es deutlich gemacht –, dass es wirklich an der konkreten Umsetzung und dem konkreten Einfachmachen fehlt. Genau da müssen wir jetzt unbedingt hinkommen. Das sieht man auch am Landesaktionsplan. Im Jahr 2013 wurde ein Landesaktionsplan aufgestellt, der konkrete Ziele und Zahlen formulierte. Heute, mehr als ein Jahrzehnt und einen Landesaktionsplan 2.0 später, suchen wir vergeblich nach diesen konkreten, messbaren Zielen. Ich wünsche mir, dass wir das wieder viel stärker in den Fokus rücken.
Was wir im Moment stattdessen finden, sind schwammige Formulierungen wie „Anregungen” und „Prüfungen” sowie kaum greifbare Umsetzungen. Es fehlt an klaren Verbindlichkeiten und einem klaren zeitlichen Rahmen. All das würde sicherstellen, dass Barrierefreiheit und uneingeschränkte Teilhabe nicht nur auf dem Papier existieren, sondern Realität werden.
Es fehlt ein Mechanismus zur Überprüfung der Ziele. Deswegen finde ich es gut, wenn wir weiter an dem Thema dranbleiben und unseren Entschließungsantrag entsprechend im Ausschuss beraten.
Besonders deutlich wird das alles in den Antworten auf die Fragen der Großen Anfrage zur Inklusion. Wir müssen noch einmal prüfen, wie wir die formulierten Maßnahmen wirklich kontrollieren können und wie wir darauf hinwirken können, dass sie umgesetzt werden.
Und noch eine Anmerkung zu der Antwort auf die Große Anfrage selbst: Die beigefügten Tabellen sind nicht einmal barrierefrei, Frau Ministerin. Auch hier fehlt es an einer Vorlesemöglichkeit. Ein blinder Mensch hat versucht, diese Tabellen zu lesen. Sie sind nicht übertragbar auf die Vorlesefunktion. Das zeigt, dass selbst bei der Aufbereitung solcher Daten durch das Ministerium Barrierefreiheit keine Rolle spielt.
Meine Damen und Herren! Ich kann es Ihnen nicht ersparen. Ich muss noch einmal auf das Thema des Landesrahmenvertrags zu sprechen kommen: eine Kündigung mit einer Neuverhandlung, die weitreichende Konsequenzen haben wird, und zwar nicht nur für Menschen mit Behinderung. Doch was wir bislang von der Landesregierung gehört haben, hinterlässt auch bei mir mehr Fragen als Antworten.
Es wird von Deinstitutionalisierung, von der Öffnung inklusiver Sozialräume und von personenzentrierter Leistung gesprochen. Auf den ersten Blick scheint das alles gut und richtig. Das sind aber wieder nur Schlagworte. Was bedeuten sie konkret? Was bedeutet Deinstitutionalisierung konkret für die Landesregierung? Wie sollen eine unabhängige Lebensführung und eine selbstbestimmte Lebensgestaltung tatsächlich umgesetzt werden? Darauf fehlen uns bis heute die klaren, eindeutigen Antworten.
Die Realität ist nämlich, dass diese Fragen bis dato unbeantwortet blieben. Die Kündigung des Landesrahmenvertrags erfolgte ohne Plan, ohne nachvollziehbaren Übergang und ohne gesicherte Perspektive für Leistungsberechtigte und Leistungserbringer. Das setzt sich leider bis heute fort. Das ist unverantwortlich.
Wir fordern, dass die Neuverhandlung des Landesrahmenvertrags ebenso wie Inklusion im Ganzen nicht zu einem Sparinstrument verkommt. Inklusion ist kein Bereich, in dem gespart werden darf. Inklusion ist, ich wiederhole es, ein Menschenrecht.
Angestrebte Effektivität bedeutet nicht pauschales Kürzen.
Meine Damen und Herren! Deswegen brauchen wir mehr Verbindlichkeit. Gesetzesvorhaben müssen verbindlich auf Inklusion geprüft werden. Die Beschlüsse des Landesbehindertenbeirats müssen endlich vollständig umgesetzt werden. Als Legislative sollten wir zudem den Landesaktionsplan beschließen.
Ich freue mich, dass wir mit dem Entschließungsantrag weiterarbeiten werden. Ich bin auf die Debatte und die Umsetzung gespannt. - Vielen Dank.