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Plenarsitzung

Transkript

Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der recht knapp gehaltenen Antragsbegründung heißt es, § 188 StGB privilegiere Menschen, die sich im politischen Leben engagierten, und damit eine Personengruppe, die im Zentrum der öffentlichen politischen Auseinandersetzung und des Meinungskampfes stehe. Eine solche Stellung setze nach der Auffassung der Antragsteller Robustheit und so viel Selbstbewusstsein voraus, dass eine solche Person in der öffentlichen Funktion und Amtsausübung gar nicht beleidigt werden könne. 

Bei der betreffenden zu streichenden Strafnorm handelt es sich aber schon nicht um eine Privilegierung einer Personengruppe und eine dafür erlassene Vorschrift, sondern um einen Qualifikationstatbestand, der für die Beleidigung im politischen Leben des Volkes stehender Personen eine strengere Bestrafung vorsieht.

(Zustimmung von Karin Tschernich-Weiske, CDU)

Dabei wird ausdrücklich klargestellt, dass das politische Leben des Volkes im Sinne der Vorschrift bis hin zur kommunalen Ebene reicht. 

Ziel des Straftatbestandes ist es unter anderem, einem vergifteten Umgang im politischen Miteinander repressiv entgegenzutreten, gerade weil das besondere Maß an Öffentlichkeit, die Vertrauenswürdigkeit und zu erwartende massive Beeinträchtigungen für den adressierten Personenkreis einen durchsetzungsfähigen Ehrschutz verlangen.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Markus Kurze, CDU)

Geschützt ist damit jeder und jede, der oder die sich für das Gemeinwesen engagiert, und nicht bloß Berufspolitiker mit dem im Antrag skizzierten Persönlichkeitsprofil. 

Nach dem Menschenbild des Grundgesetzes sollen die Vertreter des Volkes einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbilden, wozu auch sensible und für Ehrabschneidung vulnerable Personengruppen gehören können, die es staatlich zu schützen gilt. Deshalb ist als Rechtsgut des § 188 StGB nach ganz herrschender Auffassung die Person und gerade nicht das politische Amt geschützt. Im Übrigen finden auch die normale Beleidigung nach § 185 StGB, die üble Nachrede gemäß § 186 StGB sowie die Verleumdung nach § 187 StGB auf politisch engagierte Personen Anwendung, die lediglich aufgrund des Bestehens der Qualifikation in § 188 StGB verdrängt werden. Die Folgen und die Wirkungen einer öffentlichen Ehrverletzung, die für die in Rede stehende Person oftmals erheblich sind, sind bei diesen Straftatbeständen im Wege der Strafzumessung ohnehin regelmäßig in die Waagschale zu legen. 

Auch aus der hiesigen Justizpraxis ist bislang überhaupt keine Anregung zu der Streichung der Vorschrift an mich herangetragen worden, wobei die Staatsanwaltschaften und die Gerichte des Landes Sachsen-Anhalt ganz offenkundig in der angesichts der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gebotenen Art und Weise sorgfältig mit der Vorschrift umgehen. 

Ich empfehle hierzu die Lektüre des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Vorschrift, bereits aus dem Jahr 1955. 

Und jetzt noch ein paar Fakten. Anhand der Aufstellung bei der Generalstaatsanwaltschaft ist folgende Anzahl der Verfahren gegen bekannte Beschuldigte zu benennen. Für das Jahr 2021 gab es 23 Verfahren, für das Jahr 2022 - 55 Verfahren, für das Jahr 2023 - 97 Verfahren, für das Jahr 2024 - 135 Verfahren und für dieses Jahr mit Stand vom 9. Mai bereits 40 Verfahren. 

Die letzten Strafverfolgungsstatistiken für die Jahre 2021 und 2022 weisen keine und im Jahr 2023 lediglich drei Verurteilungen wegen Beleidigung im öffentlichen Leben des Volkes stehender Personen aus, jeweils übrigens erwachsene Männer. Auch hieraus ist keine unsachgemäße justizielle Privilegierung von Personen, die sich im politischen Leben engagieren, abzuleiten. - Vielen Dank.