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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 17

Erste Beratung

Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes

Gesetzentwurf Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/5460

Änderungsantrag Fraktion AfD - Drs. 8/5516


Einbringen wird diesen Gesetzentwurf die Abg. Frau Sziborra-Seidlitz. - Frau Sziborra-Seidlitz, bitte schön.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich braucht es nicht viele Worte, um unseren Gesetzentwurf zum KiFöG zu erläutern. Die Fakten liegen seit Langem auf dem Tisch. Wir Sozialpolitikerinnen diskutieren darüber seit Monaten miteinander, mit Fachverbänden und mit der Gewerkschaft.

Die Zahl der Kinder in unseren Kitas ist rückläufig. Der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zum Thema ist zu entnehmen, dass die Zahl der betreuten Kinder im Land vom Jahr 2024 bis zum Jahr 2035 um rund 23 000 Kinder sinken wird, ein Rückgang um etwa 15 %. Rein rechnerisch würden damit Arbeitsstellen für Erzieherinnen im vierstelligen Bereich entfallen.

Diese Folge gibt es schon jetzt. Vielerorts wird über Stundenreduzierung und Stellenabbau gesprochen. In manchen Regionen unseres Landes wird das auch schon umgesetzt. Sogar die Schließung von Einrichtungen ist als Folge des Rückgangs der Kinderzahlen zu befürchten. 20 stehen allein in diesem Jahr auf der Kippe, wie eine Anfrage der Fraktion Die Linke zutage förderte, die erst letzte Woche für eine mediale Debatte sorgte. Die Ausgangslage ist also völlig unstrittig.

Gleichzeitig besteht seit Jahren die Einsicht, dass die Betreuungsschlüssel in unseren Kitas in Sachsen-Anhalt ungenügend sind. Ja, wir haben vorbildliche Betreuungsquoten. Außerordentlich viele Landeskinder besuchen eine Kindertageseinrichtung. Fast niemand findet in Sachsen-Anhalt keinen Betreuungsplatz für seine Kleinsten.

Ja, wir haben einen bundesweit sehr gut dastehenden Rechtsanspruch. Ja, unsere Konzepte zur frühkindlichen Bildung sind geradezu bundesweite Leuchttürme und werden den hohen und hehren Ansprüchen der UN-Kinderrechtskonvention gerecht.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Aber ganz zu Recht gibt es immer wieder heftige Kritik am Personalschlüssel in unseren Kitas. Tolle Konzepte zur frühkindlichen Bildung nutzen nichts, wenn sie wegen Personalmangels nicht umgesetzt werden können. Bei diesem zentralen Faktor für die Qualität der Kinderbetreuung in unserem Land, der Fachkraft-Kind-Relation, sieht es in Sachsen-Anhalt düster aus. Dafür können die engagierten Erzieherinnen in Sachsen-Anhalt nun wirklich nichts.

Ihnen und ihrem Einsatz gilt ausdrücklich unser Dank. Aber bundesweit haben wir einen der schlechtesten Personalschlüssel in der Kindertagesförderung. Um das Argument vorwegzunehmen: Ja, anders als andere Bundesländer reden wir bei uns über eine deutlich höhere Fachkraftquote und nicht nur über Personal. Aber das bringt uns in dieser Frage keinen Schritt voran, wenn Kitas wegen Personalmangel Betreuungszeiten nicht mehr verlässlich absichern können oder Bildungsangebote nicht stattfinden, wenn die Kita-Fachkräfte überlastet sind oder ausbrennen. Ich weiß nicht, wie viele Studien und Gutachten etwa der Bertelsmann Stiftung uns das in den letzten Jahren immer wieder vor Augen geführt haben.

(Zustimmung von Eva von Angern, Die Linke, und von Stefan Gebhardt, Die Linke)

Wir haben schlicht und ergreifend zu wenig Personal in den Kitas für verlässliche Bindungs- und Bildungsarbeit. Leider standen wir an dieser Stelle bisher in Sachsen-Anhalt vor zwei kaum lösbaren Problemen. 

Erstens ist eine flächendeckende signifikante Erhöhung der Personalschlüssel finanziell von uns als Land kaum zu stemmen gewesen. Ja, der Schlüssel wurde verbessert, aber wirklich gut ist er nicht. Als quasi Notlösung haben wir uns dann für eine Sonderförderung eingesetzt: Wenn schon nicht landesweit gute Schlüssel vorhanden sind, dann sollte man wenigstens die Einrichtungen mit höheren Bedarfen und besonderen Herausforderungen gezielt unterstützen. Das ist eine pragmatische und, wie ich finde, auch gelungene Lösung, aber sie ändert nichts an dem grundsätzlichen Befund von zu wenig Personal und damit natürlich drohender Überlastung all derer, die sich tagtäglich um unsere Kinder kümmern. 

Zweitens. Selbst wenn das Geld vorhanden gewesen wäre: Wir haben in der Vergangenheit stets über Fachkräftemangel geklagt. Woher also hätten die neuen Fachkräfte in Größenordnungen kommen sollen, gerade jetzt, da viele westliche Bundesländer ihre Kinderbetreuung massiv ausbauen und natürlich entsprechend einen großen Sog auf dem Fachkräftemarkt ausgelöst haben? 

Es fehlte also an Geld und an Fachkräften. Das war die Situation, aber jetzt wendet sich das Blatt. Die sinkenden Kinderzahlen sorgen jetzt für eine einmalige Gelegenheit. Wir können die Betreuungssituation verbessern, ohne neue Gelder in die Hand nehmen zu müssen und ohne neue Fachkräfte finden zu müssen. In diesem Moment, jetzt, müssen wir nur verhindern, dass die sinkenden Kinderzahlen zu Personalabbau führen. Dies können wir als Land sehr einfach und smart erreichen, indem wir die Berechnungsgrundlage für den Landesanteil an der Kita-Finanzierung für drei Jahre festschreiben

(Beifall bei den GRÜNEN)

und damit de facto ein Personalmoratorium umsetzen. Die Bezugsgröße für den Landesanteil ist die Anzahl der Kinder in den Einrichtungen und diese wollen wir mit Stand 2024 für drei Jahre festschreiben. Bisher gelten für die Berechnungen immer die Zahlen zum 1. März des Vorjahres. Jetzt soll die Zahl der Kinder zum 1. März 2024 bis zum Jahr 2027 als Berechnungsgrundlage gelten. Damit wäre eine gleichbleibende Landesförderung für drei Jahre garantiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was bezwecken wir damit? - Mit einem gleichbleibenden Landesanteil ermöglichen wir den Erhalt des Personals vor Ort. Er ermöglicht es Kommunen, einen Personalschlüssel umzusetzen, der besser ist als die Mindestvorgaben im KiföG. Über den Mindestschlüssel im KiföG hinausgehen könnten die Kommunen rein rechtlich natürlich schon jetzt, aber das ist in der Regel bisher kaum finanziell umzusetzen. Denn bei klammen Kommunen schaut die Finanzaufsicht in der Regel äußerst kritisch auf solche nicht verpflichtenden Extraausgaben. Daher wirken die Mindestpersonalschlüssel im KiföG bisher faktisch wie Höchstgrenzen. 

Bei einer gleichbleibenden Landesförderung, die wir garantieren wollen, und sinkenden Kinderzahlen eröffnen sich für die Kommunen Spielräume für mehr Fachkräfte in den Einrichtungen. Das entlastet die Erzieherinnen, das freut die Eltern und das kommt insbesondere unseren Kindern zugute.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Land müssen wir dafür höchstens die mittelfristige Finanzplanung anpassen; denn wenn die dort absehbar sinkenden Kinderzahlen bereits hinterlegt sind, müsste man das ändern. Das ist aber eher ein formaler Akt; denn eine wirkliche finanzielle Mehrbelastung des Landes findet dadurch nicht statt. Es wird nur verhindert, dass die Förderung sinkt. Und das ist nur recht und billig. Denn wir haben es bereits in der von der CDU angefachten Debatte zur Absenkung der Elternentlastung mehrfach formuliert: Kitas und damit frühkindliche Bildung dürfen nicht das Sparschwein des Landes sein, im Gegenteil, dort muss mehr Geld hinein. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Nicole Anger, Die Linke) 

Mit einem solchen dreijährigen Personalmoratorium verhindern wir den Verlust wertvoller Fachkräfte. Darüber hinaus gewinnen wir als Land wertvolle Zeit. Denn bis zu der Wahl im September 2026 und einem dann beschlossenen Doppelhaushalt werden wir keine grundsätzliche Neuerung im KiföG mehr erreichen und direkt nach der Wahl wahrscheinlich auch nicht. Wenn wir also jetzt nicht kurzfristig handeln, dann gehen uns in den nächsten zwei Jahren Fachkräfte verloren. Das darf nicht passieren. 

Daher wollen wir jetzt drei Jahre stabile Verhältnisse in den Kitas gewährleisten, die Gefahr von Stellenabbau abwenden und dem Land, den Kommunen und den Trägern Zeit geben, sich über eine nachhaltige und demografiefeste Kita-Landschaft zu verständigen. Wir wollen Zeit geben, Wege für einen wirklich bedarfsgerechten Personalschlüssel in den Kitas zu finden. Denn natürlich brauchen wir für das Jahr 2027 neue Finanzierungsgrundlagen. Sonst fällt der Landesanteil - das ist schon klar - ggf. steil ab, wenn mit einem Schlag die sinkenden Kinderzahlen von drei Jahren zu Buche schlagen. Das ist uns klar und so ist es auch nicht gedacht. Unser Gesetz ist keine für alle Zeiten feststehende Normierung, sondern eine Brückenlösung, eine explizit für drei Jahre angedachte Brückenlösung für die finanzielle Untersetzung eines zeitnahen Personalmoratoriums, um die Fachkräfte jetzt zu halten und die oft formulierte Demografierendite zu heben. Die neue Landesregierung wäre dann gefragt, die Personalsituation und deren Finanzierung verlässlich zu regeln.

Verehrte Koalitionsfraktionen! Sie haben im Februarplenum beschlossen - ich zitiere  : 

„Der Landtag bekennt sich zu dem Ziel, die Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen durch kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zu entlasten, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.“

Des Weiteren stellt der Beschluss vom Februar fest, dass - ich zitiere weiter -

„[…] die Geburtenzahlen in Sachsen-Anhalt regional unterschiedlich stark zurückgehen. Bei gleichbleibendem Personalbestand ergibt sich daraus die Chance, die Fachkraft-Kind-Relation (Personalschlüssel) in der Kinderbetreuung weiter zu verbessern.“

Das war und ist faktisch richtig. Aber um diese Chance zu ergreifen, müssen wir als Gesetzgeber tätig werden. Damit wir unsere Kita-Fachkräfte halten können, braucht es unser Gesetz, braucht es ein Personalmoratorium. Sonst bleibt dieser Beschluss vom Februar ein bloßer Beschluss auf dem Papier. Ich zähle daher auf gemeinsame Beratungen im Sozialausschuss und dann auf Ihre Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Nicole Anger, Die Linke)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Frau Sziborra-Seidlitz, für die Einbringung. - Bevor jetzt die Landesregierung in Gestalt von Frau Ministerin Grimm-Benne zum Rednerpult kommt, bleibt nachzutragen, dass zu diesem Gesetzentwurf ein Änderungsantrag der AfD-Fraktion in der Drs. 8/5516 vorgelegt wurde.

(Marco Tullner, CDU: Bisschen spät, ja?)

Frau Ministerin, bitte, Sie haben jetzt das Wort.