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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 29

Beratung

Transformation der Automobilzulieferindustrie in Sachsen-Anhalt aktiv gestalten

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/5577


Herr Meister steht bereits am Rednerpult und möchte gern die Einbringung des Antrags vornehmen. - Bitte. 


Olaf Meister (GRÜNE): 

So machen wir das. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade erst hat der aktuelle VW-Konzernchef Oliver Blume im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ festgestellt: Wir haben uns lange auf Erfolgen ausgeruht. Unser Geschäftsmodell - wir entwickeln und produzieren hier für die ganze Welt - hat über Jahrzehnte funktioniert; und wir haben zu spät begriffen, dass sich die Welt extrem schnell und dynamisch verändert. 

Damit hat er noch gar nicht die Elektromobilität gemeint, aber schon viel zur schwierigen Lage der Branche gesagt. Die Automobilindustrie und damit automatisch auch die bei uns hier im Land ansässige Automobilzulieferindustrie befindet sich in einem der tiefgreifendsten Umbrüche ihrer Geschichte. Ja, der Zug der Zeit fährt hin zur Elektromobilität. Hinzu kommen jedoch ein in Europa stagnierender, sogar eher schrumpfender Markt und ganz trübe Exportaussicht, einerseits, weil wir nicht mehr unumstrittener Technologieführer sind 

(Unruhe)

Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Herr Meister, darf ich Sie ganz kurz unterbrechen? - Ich habe das Gefühl, das rauscht so. Ich würde Ihnen gern besser zuhören. - Jetzt ist es besser geworden. Danke. 


Olaf Meister (GRÜNE): 

- danke, Herr Präsident - Stichworte Fahrzeugdigitalisierung und E Mobilität  , andererseits sind Zölle, Handelshemmnisse, Protektionismus, De-Globalisierung zu nennen. Vieles hängt derzeit stark mit der neuen US-Trump-Administration zusammen. Über deren irrationales und sprunghaftes Verhalten sowie die negativen Folgen für die Weltwirtschaft und damit auch für uns haben wir jüngst bereits debattiert. 

Aber auch China ist mehrfach ein Problemtreiber für die Branche. Experten sehen erhebliche strukturelle Überkapazitäten der Autoindustrie und damit auch der Zulieferer. Ganz technologieoffen ist schon das ein Befund, der uns umtreibt und umtreiben sollte. Hinzu kommt jedoch der weltweite Umstieg auf die E Mobilität. Einer der vielen Vorteile von Elektrofahrzeugen ist nun einmal Tatsache     

(Unruhe)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Das Geräusch kommt von Ihrer Fraktionsvorsitzenden. 


Olaf Meister (GRÜNE): 

Sie überraschen mich. Wo ist sie? Das habe ich nicht gehört. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Das ist so. Tut mir leid. Ich bin wie manch anderer auch etwas empfindlich mit den Ohren. - Bitte. 


Olaf Meister (GRÜNE): 

Herr Präsident hat mich unterbrochen. Ich muss einmal gucken, wo ich war. - Hinzu kommt der weltweite Umstieg in die E Mobilität. Einer der vielen Vorteile von Elektrofahrzeugen ist die Tatsache, dass sie deutlich weniger Teile und somit auch weniger Verschleißteile haben als bisherige Autos. In einem Elektroauto entfallen viele Komponenten, die heute noch von unseren mittelständischen Zulieferern produziert werden, wie Kolben, Getriebeteile, Auspuffanlagen. Die Auswirkungen auf die Zulieferer liegen auf der Hand. 

Die aktuellen Rahmenbedingungen auf dem Markt und die Perspektive verdeutlichen: Die Krise kann nicht ausgesessen werden, schon gar nicht von den Zulieferern, die am Ende der Kette sitzen und beständig unter Kostendruck stehen. Die Veränderungen sind elementar, ja disruptiv. Die Pressemitteilung der CDU sprach neulich von apokalyptisch. Das ist ein sehr dunkles Bild, aber es zeigt den Ernst der Lage, der eben auch in der Regierungskoalition so gesehen wird. 

Kurz: Mit dem Prinzip Hoffnung sind wir bezüglich der Mobilitätsindustrie schon länger falsch beraten. Der Strukturwandel gehört ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit und der wirtschaftspolitischen Debatte im Land. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ziel muss es sein: Wir sind erfolgreich, weil wir aus Sachsen-Anhalt kommen. Ein Obwohl sollte dabei nichts zu suchen haben. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber dieser Wandel der Branche stellt uns in Sachsen-Anhalt vor eine doppelte Herausforderung. Wir müssen unsere Industrie für die Zukunft aufstellen und gleichzeitig die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitnehmen. 

Sachsen-Anhalt hat in seinen verschiedenen Regionen eine starke Automobilzuliefererindustrie. Diese Unternehmen sichern viele Arbeitsplätze und sind oftmals hoch spezialisiert. Nach vorn gedacht droht diese Spezialisierung, die naturgemäß in der Vergangenheit ganz wesentlich auf den Verbrenner fokussiert war, ein zukünftiges Risiko zu werden, wenn nicht gegengesteuert wird. Es ist natürlich möglich, mit dem Blick im Rückspiegel zu verharren und die Elektromobilität wortreich zu verdammen. Der Begriff „Apokalypse“ in der Pressemitteilung der CDU war sehr eindrucksvoll. Im Dauerzustand mit dem Blick im Rückspiegel zu verharren, würde aber jeden Fahrlehrer dazu bewegen, beherzt ins Lenkrad zu greifen und entschieden dazu aufzufordern, den Blick nach vorn zu richten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein ideologischer Streit über die Elektromobilität mag für den einen oder anderen unterhaltsam sein, helfen wird er uns   darin sind wir uns vielleicht einig   nicht. Wie bereits zu Anfang ausgeführt, zeigen sich auch die übrigen Rahmenbedingungen, die nicht ganz unmittelbar etwas mit E Mobilität zu tun haben, von solchen Debatten völlig unbeeindruckt

Ich meine auch, dass es absehbar ist, dass sich die Elektromobilität global durchsetzt. Mit ihr verändern sich die Anforderungen an Technik, Lieferketten und Qualifikationen. Das müssen wir antizipieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Genauso klar ist auch die übergreifende Digitalisierung des Autos und des Autofahrens. Man könnte sich jetzt über Fristen und Regeln usw. streiten und damit im Rückspiegel verharren; das ist aber nicht unser Ansatz. Das, was wir brauchen, ist nicht Abwarten, sondern aktive Gestaltung. Das ist Ziel des Antrags. Wir halten, aufbauend auf durchaus bereits bestehende Initiativen der Landesregierung   der Minister wird sicherlich etwas dazu sagen, was bisher passiert ist  , ein Transformationsprogramm für die Automobilzulieferindustrie in Sachsen-Anhalt für nötig, strategisch und strukturiert. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Wir brauchen eine fundierte Analyse der Transformationsrisiken und  potenziale in unserem Land. Wo drohen Arbeitsplatzverluste neben denen, die wir leider schon direkt auflisten können, die den Handlungsdruck unterstreichen? Wo liegen Innovationschancen? Wo kann Umorientierung erfolgreich sein? Wer braucht Unterstützung? Wie muss diese konkret aussehen, um wirklich hilfreich zu sein?

Wir fordern gezielte Angebote für Unternehmen, damit sie nicht nur überleben, sondern sich strategisch neu ausrichten können. Dabei geht es nicht darum, dass wir als öffentliche Hand versuchen, den Unternehmerinnen und Unternehmern ihren Job zu erklären. Das können wir nicht. Wir können aber Beratungen und Planungen zur Umstrukturierung unterstützen. 

Wir können Investitionen in neue Technologien, klimaneutrale Produktionsverfahren und Digitalisierung gezielt fördern. Entscheidend ist dabei auch die Weiterbildung der Beschäftigten. Transformation gelingt nur mit den Menschen, nicht gegen sie. Wir wollen daneben die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen stärker auch über Landesgrenzen hinweg unterstützen, sowohl mit Blick auf Wolfsburg, als auch nach Sachsen. 

Das ist der Schlüssel, um auch bei Zulieferern neue Produkte, neue Geschäftsmodelle und neue Märkte zu erschließen. Gerade hier in Sachsen-Anhalt haben wir dafür Player. Wir sollten sie besser vernetzen. 

Transformation der Mobilität heißt auch Transformation der Industrie und umgekehrt. Deshalb schlagen wir verstärkte Maßnahmen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur in Stadt und Land vor genauso wie die Förderung von alternativen Antrieben auch im Nutzfahrzeugbereich. Auch das Land Sachsen-Anhalt selbst sollte vorangehen und dort, wo es möglich und sinnvoll ist, auf Elektrofahrzeuge umstellen.

Wir haben im Antrag den Blick auch nach Berlin gerichtet. Die dortige Koalition im Bund hat sich viel vorgenommen, und vor allem hat sie jetzt dank unserer Mithilfe das Geld, das wir in der alten Konstellation nicht zur Verfügung hatten. Ja, so ist es.

Die Elektromobilität darf kein Projekt der Besserverdienenden sein. Deshalb fordern wir von der Bundesebene sozial differenzierte Anreize, etwa Social-Leasing-Modelle für kleine E-Autos - der ADAC und das Öko-Institut fordern so etwas Hand in Hand  , Ladestromguthaben oder gezielte Steueranreize, damit E-Mobilität für alle zugänglich wird und der Umstieg nicht am Geldbeutel scheitert. 

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Gerade mit dem Social Leasing können der Absatz für kleine und mittelgroße Elektrofahrzeuge angeschoben sowie der E-Gebrauchtwagenmarkt belebt werden. In dem Preis- und Fahrzeugsegment geht es um sozial gerechte E-Mobilität. Im Oberklassebereich ist eher von Mitnahmeeffekten auszugehen. In Sachsen-Anhalt haben wir leidvolle Erfahrungen mit der E-Porsche-Debatte gemacht. 

Wir haben den sogenannten Automobilzuliefergipfel am 22. Mai positiv wahrgenommen. Dieses Gespräch war ein guter Anfang. Wir schlagen vor, das Netzwerk als Plattform für kontinuierlichen Austausch, gemeinsame Strategien und konkrete Projekte zu verstetigen. Transformation braucht Zusammenarbeit und das Netzwerk für die Transformation soll dazu ausgebaut werden. 

Der Handlungsbedarf ist vorhanden. Angesichts der schlechten Nachrichten aus der Branche im Land muss er stärker in unsere politische Aufmerksamkeit rücken, weswegen wir eine regelmäßige Berichterstattung im Wirtschaftsausschuss über den Stand der Transformation und der Umsetzung der Maßnahmen anregen.

Die Umwälzung der Branche geschieht unvermeidlich. Die Transformation muss gestaltet werden, oder sie passiert einfach. Wenn wir es einfach laufen lassen, dann werden wir mit den Ergebnissen vermutlich nicht zufrieden sein. Wir halten es daher für mehr als angebracht, hier im Plenum, aber vor allem im Fachausschuss die Entwicklung zu verfolgen und mögliche Maßnahmen des Landes zu besprechen, um die Wertschöpfung und die Jobs auch im Bereich der Mobilität hier bei uns zu halten. - Vielen Dank.