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Plenarsitzung

Transkript

Thomas Lippmann (Die Linke): 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, in der Tat, die Landesregierung in Gänze muss sich endlich den Herausforderungen stellen, die durch ihre Bildungspolitik überhaupt erst entstanden sind; so wird ein Schuh daraus. 

(Beifall bei der Linken)

Denn das bildungspolitische Desaster in vielen unseren Schulen fällt nicht vom Himmel. Das passiert seit Jahren mit Ansage und entgegen allen Warnungen. Mein Kollege Lange hat in seiner Intervention darauf sehr präzise hingewiesen. 

Ich widerstehe dem Versuch, auf die vielen Einzelsachverhalte aus der Erklärung der Ministerin einzugehen. Damit sollten wir uns aber im Bildungsausschuss einmal intensiv beschäftigen. Nur eine der entscheidenden Grundlagen für die künftige Entwicklung will ich ansprechen, und zwar die Entwicklung der Schülerzahlen. 

Seit dem Ende der 1990er-Jahre gibt es Schülerzahlprognosen und noch nie waren sie zutreffend. Immer wieder mussten die Schülerzahlen nach oben korrigiert werden. Der Grund dafür ist nicht Unvermögen, solche Prognosen aufzustellen, sondern der Grund dafür ist politisches Wunschdenken in der Landesregierung; denn schon immer wollte man dort glauben, dass die Schülerzahlen stärker sinken oder zumindest weniger stark ansteigen. Es ging immer darum, so wenig Geld wie gerade noch möglich für Personal und Schulstandorte auszugeben, und das, Kolleginnen und Kollegen, ist bis heute so; die Ministerin hat das ja auch angesprochen. 

Dabei haben wir im Vergleich zu unseren Nachbarbundesländern bereits mit Abstand die negativste Entwicklung bei den Schülerzahlen. Hätten wir z. B. die gleiche Entwicklung wie in Thüringen, dann hätten wir heute etwa 15 000 Schüler mehr. Schaut man auf die Entwicklung in Sachsen, dann hätten wir etwa 45 000 Schüler mehr. In Bezug auf die Entwicklung in Brandenburg wären es sogar etwa 65 000 mehr. 

Es wäre also völlig normal, wenn wir heute bei uns hier in Sachsen-Anhalt ungefähr bis zu 30 000 Schüler mehr hätten. Wir aber würden das für eine komplette Katastrophe halten. Wir jammern ja schon über Tausend Schüler mehr im Jahr, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unser eigentliches Problem schon seit 30 Jahren. 

(Kathrin Tarricone, FDP: Das Jammern!)

Die Landesregierung ist derart auf sinkende Schülerzahlen fixiert, dass sie für einen anderen, für einen normalen Zustand überhaupt keinen Plan hat. 

(Zustimmung von Hendrik Lange, Die Linke)

Das ist die wirkliche Herausforderung für die Zukunft, etwas gegen die negative demografische Entwicklung zu unternehmen und nicht einfach untätig zuzusehen, wie die Bevölkerung unaufhörlich schrumpft. 

Wir brauchen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, und die findet dann natürlich auch in den Kitas und Schulen statt. Das können nur die Rechtsflügler in diesem Haus noch länger ignorieren. 

(Christian Hecht, AfD: Rechtsflügler!)

Deshalb werden sich die Schülerzahlen auch in den kommenden Schuljahren nicht so negativ entwickeln, wie es gerade wieder einmal prognostiziert wird. 

Selbst wenn es tatsächlich weniger Schülerinnen und Schüler geben sollte, dann dürfen die schlechten Bedingungen von heute eben nicht fortgeschrieben werden. 

(Beifall bei der Linken)

Dann muss man sich um diese Kinder und Jugendlichen in den Kitas und Schulen endlich wieder besser kümmern. 

(Beifall bei der Linken)

Es ist verantwortungslos, mit Blick auf die Schülerzahlen schon wieder in Gedanken den Rotstift anzusetzen. 

Es ist also keine perspektivische Politik, darauf zu warten, dass die Arbeit in den Kitas und Schulen ausgeht und dass das Bildungssystem implodiert. 

Es ist keine perspektivische Politik, Förderstunden immer weiter zusammenzustreichen und so die Inklusion bewusst vor den Baum zu fahren. 

Es ist keine perspektivische Politik, die Fusion von Monsterschulen massiv voranzutreiben 

(Zustimmung bei der Linken)

und so vernünftigen Schulgemeinschaften den Boden zu entziehen. 

(Hendrik Lange, Die Linke: Das machen sie gerade in Halle! - Eva von Angern, Die Linke: Nicht nur in Halle, auch in Magdeburg! - Hendrik Lange, Die Linke: Das ist doch Mist!)

Es ist auch keine perspektivische Politik, Lehrkräften die Arbeit im Ganztag zu verweigern und so einen wichtigen Beitrag für ein attraktives Schulleben zu zerstören. 

Es ist keine perspektivische Politik, die Lehramtsausbildung kleinzuhalten und Tausende Lehrkräfte im Seiteneinstieg vor die Klassen zu stellen, von denen inzwischen fast die Hälfte nicht einmal mehr einen wissenschaftlichen Hochschulabschluss und zuletzt nicht einmal mehr ein Abitur und irgendeine Unterrichtskompetenz hat.

(Sven Rosomkiewicz, CDU: Tata, tata!)

Es ist keine perspektivische Politik, die Selektion im Schulsystem zu verschärfen, Wege zu höherer Bildung zu erschweren und so Bildungsungerechtigkeit zu verfestigen. 

Es ist keine perspektivische Politik, unbeirrbar an den Sekundarschulen als Schulform festzuhalten, obwohl diese mit jedem neuen Schuljahr immer mehr von ihrem schulischen Angebot aufgeben müssen.

(Hendrik Lange, Die Linke: Ja!)

Das verfügbare Arbeitsvolumen für den Unterricht ist an den Sekundarschulen in den letzten elf Schuljahren um fast 30 % gesunken. Der Tiefpunkt dieser Entwicklung ist längst noch nicht erreicht. Dafür muss man sich doch mehr einfallen lassen als digitalen Unterricht, selbst organisiertes Lernen und Fachpraxistage. 

(Zustimmung von Hendrik Lange, Die Linke)

Es ist last, but not least keine perspektivische Politik, den verlässlichen und bedarfsgerechten Ausbau der Schulsozialarbeit ab dem Sommer 2028 nicht jetzt endlich verbindlich zu regeln. 

(Beifall bei der Linken)

Es gäbe also wirklich viel zu tun. Es ist kaum angebracht, nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, wie es die Ministerin am Ende ihrer Erklärung ja gemacht hat. Sie hat damit zwar zumindest teilweise recht, aber sie muss erst einmal vor ihrer eigenen Tür kehren. 

Eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Ministerin, zum Schluss: Die verbliebenen Lehrkräfte, die schon so viel bewältigen mussten, werden den Karren nicht aus dem Dreck ziehen, auch wenn Sie sie noch mehr belasten und antreiben. Wenn Sie nicht in der Lage sind, ihnen die erforderlichen Instrumente für ihre Arbeit an die Hand zu geben, dann werden sie einfach nur erschöpft und demotiviert in die Knie gehen. Wir nehmen einen Grad der Frustration und Resignation in den Kollegien wahr, wie wir ihn so noch nicht kannten. 

Sie, Frau Ministerin, tragen für Ihre Beschäftigten in den Schulen und für deren Gesundheit die Verantwortung. 

(Zustimmung bei der Linken)

Kümmern Sie sich also mehr um die Lehrkräfte, die Sie noch haben, und entlasten Sie sie spürbar, 

(Ministerin Eva Feußner: Das machen wir doch!)

damit wir sie so lange wie möglich im Schuldienst behalten. Es sind keine Schachfiguren, die man beliebig hin- und herschieben kann. - Vielen Dank.