Tagesordnungspunkt 16
Erste Beratung
Entwurf eines Gesetzes zur Bildungszeit Sachsen-Anhalt (BzG LSA)
Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 8/5798
 Herr Riedel wird für die Landesregierung diesen Gesetzentwurf einbringen. - Bitte, Herr Minister, Sie haben das Wort. 
 Jan Riedel (Minister für Bildung): 
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Entwurf für ein Bildungszeitgesetz Sachsen-Anhalt wollen wir das bestehende Bildungsfreistellungsgesetz aus dem Jahre 1998 nach fast 30 Jahren modernisieren.
Wie alle Bundesländer steht auch Sachsen-Anhalt vor großen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit dem Fachkräftemangel, der Digitalisierung sämtlicher gesellschaftlicher Bereiche, dem grundlegenden Strukturwandel unserer Gesellschaft. All das macht lebenslanges Lernen wichtiger denn je. Wer hierbei Schritt halten will, sollte die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden, ohne Angst vor Verdienstausfall oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen.
Neben fachlichen Qualifikationen braucht es gerade in Zeiten, in denen es mehr gesellschaftliche Polarisierung und Misstrauen in unsere demokratischen Institutionen gibt, auch Räume für die Auseinandersetzung und für die Pflege gesellschaftlicher Kompetenzen. Mit dem neuen Gesetz schaffen wir dafür einen klaren und modernen Rahmen und stärken gleichzeitig die Bildungsbereitschaft und Bildungsfähigkeit der Menschen in unserem Land.
Was beinhaltet dieser Gesetzentwurf? Der Kern des Gesetzes bleibt unverändert. Beschäftigte in Sachsen-Anhalt haben weiterhin einen Anspruch auf fünf bezahlte Arbeitstage Bildungszeit pro Jahr. Doch der Anwendungsbereich wird erweitert und modernisiert. Zudem schafft die Umbenennung in „Bildungszeitgesetz“ eine bundesweite Vergleichbarkeit. Der Gesetzentwurf wurde mit der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite in einer Arbeitsgruppe erörtert.
Mit der Neufassung verfolgen wir drei zentrale Ziele. Erstens: mehr Flexibilität. Die Bildungszeit soll besser mit den individuellen Bedürfnissen der Beschäftigten vereinbar sein, ohne dabei die betrieblichen Interessen aus dem Blick zu verlieren. Wir schaffen Klarheit und Praktikabilität in Anspruch und Organisation. So kann Bildungszeit künftig auch als Tagesveranstaltung mit mindestens sechs Unterrichtsstunden wahrgenommen werden. Bisher sah das Gesetz vor, Bildungsfreistellung in der Regel nur für fünf aufeinanderfolgende Tage zu gewähren. Mit der neuen Regelung reduzieren wir somit also auch die Belastung für die Arbeitgeber.
Weiterhin gilt ein strenger Betriebsschutz. Es soll keine Genehmigung für Bildungszeit geben, wenn betriebliche Belange, Urlaubsansprüche anderer Arbeitnehmer oder auch die Größe des Betriebes dagegensprechen. Damit liegt ein Entwurf für ein sehr restriktives Bildungszeitgesetz vor, das Missbrauch verhindern soll.
Zweitens: Stärkung der politischen Bildung und des ehrenamtlichen Engagements. Ehrenamtliches Engagement in der freiwilligen Feuerwehr oder auch die Wahrung demokratischer Grundwerte sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Deshalb schlagen wir vor, politische Bildung künftig auch als gleichwertigen Bildungsbereich anzuerkennen, orientiert an den Werten unseres Grundgesetzes. Sachsen-Anhalt ist bisher das einzige Bundesland mit einem Bildungsfreistellungsgesetz, in dem die politische Bildung nicht berücksichtigt wird. Auch die Qualifizierung für das ehrenamtliche Engagement, z. B. in der freiwilligen Feuerwehr, gerade im gemeinwohlorientierten Bereich, soll ausdrücklich gefördert werden. Das ist ein wichtiges Signal für bürgerschaftliches Engagement und für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Natürlich ist mir bewusst, dass es gerade im Zusammenhang mit der Erweiterung der anerkennungsfähigen Themenfelder kritische Stimmen gibt, insbesondere vonseiten der Arbeitgeber. Politische und ehrenamtliche Bildung sind tragende Säulen unserer demokratischen Gesellschaft. Auch das Ehrenamt übernimmt zunehmend komplexe und verantwortungsvolle Aufgaben, die einer qualifizierten Vorbereitung bedürfen, etwa im Katastrophenschutz oder in der Jugendarbeit im Verein.
Unser Land, unsere sichere Investitionsgrundlage und unsere Stabilität basieren meines Erachtens auch auf der Pflege der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Darüber, denke ich, wird in der nächsten Zeit auch zu diskutieren sein. Und das ist auch gut so.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, das lebenslange Lernen in seiner ganzen Breite zu stärken. Die Anerkennung einer Bildungsveranstaltung erfolgt, wenn die Einhaltung klarer Qualitätsvorgaben nachgewiesen wurde. Dafür schaffen wir mit dem Beirat für Bildungszeit eine Art Ombudsstelle, die in strittigen Fällen entscheidet, ob ein Angebot anerkennungsfähig ist oder nicht. Dies war auch ein ausdrücklicher Wunsch der Wirtschaftsseite.
Drittens: weniger Bürokratie. Das Anerkennungsverfahren für Bildungsveranstaltungen wird digitalisiert, entbürokratisiert und transparenter gestaltet, bspw. durch die Einführung einer elektronischen Anerkennungssoftware und damit eines elektronischen Anerkennungsverfahrens. Der Gesetzentwurf wahrt somit die berechtigten Interessen der Arbeitgeber, etwa durch zumutbare Fristen, Ausschlussfristen, Anrechnungsmöglichkeiten und praktikable Umsetzungswege.
Sehr geehrte Damen und Herren! Weiterbildung ist keine Last und auch kein Nice-to-have, sondern eine Investition in qualifizierte, engagierte und informierte Mitarbeiter. Unser Ziel ist es, die Möglichkeit zur Weiterbildung zeitgemäß und gerecht zu gestalten, um bessere Bedingungen für Menschen, die sich weiterbilden möchten, zu schaffen, sei es beruflich oder zum Wohle unserer Gesellschaft. Denn klar ist: Weiterbildung stärkt nicht nur die Einzelnen, sondern auch unsere Wirtschaft, unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir investieren mit diesem Gesetz in Fachkräftesicherung und sozialen Zusammenhalt, also kurzum: in die Zukunft unseres Landes.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie uns mit diesem Bildungszeitgesetz Sachsen-Anhalt ein modernes und starkes Signal für lebenslanges Lernen und gesellschaftliches Engagement setzen. Ich bitte Sie um die Unterstützung des Gesetzentwurfs und um Überweisung in die zuständigen Ausschüsse, zur federführenden Beratung in den Bildungsausschuss. Das Gesetz soll am 1. September 2026 in Kraft treten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)
 Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Minister. 
  

