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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 23

Beratung

Ausstieg aus der Braunkohle gestalten - Gründung einer Stiftung zur Finanzierung von Sanierungs- und Ewigkeitskosten mit dem Bund

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/5373


Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nach mehr als einem Jahrhundert der Braunkohlenutzung in Sachsen-Anhalt stehen wir an einem Wendepunkt. Der Tagebau Profen wird voraussichtlich im Jahr 2034 ausgekohlt sein. Ein Neuaufschluss ist nicht geplant. Das war auch Bestandteil mehrerer Koalitionsverträge.

Das Ende der Braunkohle im Land ist damit Realität. Das Ende des Abbaus und die Folgen kommen aber schneller auf uns zu, als die Jahreszahl es vielleicht erscheinen lässt. Es gilt, sich darauf vorzubereiten. Das bedeutet, die Phase des aktiven Kohleabbaus geht zu Ende, aber die Folgekosten bleiben, und zwar nicht nur für ein paar Jahre und nicht nur für ein paar Jahrzehnte, sondern möglicherweise für Jahrhunderte. „Ewigkeitskosten“ ist in dem Zusammenhang kein schönes Wort für künftige Generationen. Dazu gehören die Renaturierung der Tagebauflächen, die Wiederherstellung von Landschafts- und Wasserhaushalten, das Management von Grundwasserständen, der Schutz von Bauwerken und Infrastrukturen, die Sicherung von Böschungen und Restlöchern und nicht zuletzt die Wiederherstellung ökologischer Kreisläufe. Diese Aufgaben übersteigen den Zeithorizont gewerblicher Unternehmen. Sie enden nicht mit der letzten Tonne Kohle. Dann beginnt es erst recht. Das Ende der Förderung ist nicht das Ende der Verantwortung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Denn es bleiben die massiven ökologischen und finanziellen Folgelasten dieser fossilen Industrie. Sie hinterlässt eine Mammutaufgabe. Ganze Landstriche sind zu renaturieren, Grundwasserstände dauerhaft zu stabilisieren und Altlasten abzusichern. Immense Kosten für die Wiedernutzbarmachung von Landschaft und Trinkwasser stehen an. Gerade an der Wasserproblematik, um nur einen Aspekt herauszugreifen, hängt so einiges. Diese sogenannten Ewigkeitskosten betreffen Generationen lange über das Betriebsende hinaus. Auch wenn die Landesregierung auf unsere Kleinen Anfragen hin meinte, dass in Sachsen-Anhalt durch den Braunkohleabbau keine Ewigkeitskosten anfallen, sind doch sehr, sehr lange Zeiträume für die Renaturierung und Sicherung sowie mindestens beim Wasser- und Grundwassermanagement Ewigkeitskosten zu erwarten.

Schaut man auf das tägliche Geschäft der LMBV, der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, bspw. rund um Bitterfeld, dann bekommt man einen kleinen Eindruck davon, was nötig ist. Oder schauen wir nach Nachterstedt. Das müsste uns verdeutlichen, wie lang die Arbeiten dauern werden und wie groß die Verantwortung ist. Deshalb haben wir intensiv darüber nachgedacht, wie diese Aufgabe langfristig gesichert werden kann. Konzeptionell schlagen wir die Gründung einer ostdeutschen Braunkohlenfolgestiftung vor, einer Stiftung, die unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg einzelner Unternehmen dauerhaft in Verantwortung steht und diese große Aufgabe bewältigt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es soll eine Stiftung sein, die Planungssicherheit schafft für die Renaturierung, für das Grundwassermanagement, für die betroffenen Regionen und das Land, aber auch für das Unternehmenskonglomerat, das derzeit vollumfänglich in der Haftung steht. Zeitlich ist zum Förderaus noch etwas Abstand, wobei wir im Blick behalten sollten, dass es auch durch rein marktwirtschaftliche Gründe getrieben zu einem früheren Ende der Förderung kommen kann, weil sich schlicht und ergreifend dieses Geschäftsmodell, Kohle abzubauen und zu verstromen, nicht mehr lohnen wird. Wir fordern daher die Landesregierung auf, jetzt aktiv zu werden; jetzt, wenn es noch Handlungsspielräume gibt; jetzt, wenn Rückstellungen noch vollständig eingebracht werden können, bevor Unternehmenskonglomerate sich ggf. vollständig zurückziehen oder ganz verschwinden; jetzt, bevor wir, die öffentliche Hand, in die Rolle des Zahlmeisters gedrängt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Man darf nie vergessen: Die öffentliche Hand sind am Ende die Menschen dieses Landes.

Eine Stiftung für die Braunkohlefolgen bietet dabei einen klaren Vorteil. Sie entzieht sich der Kurzfristigkeit wirtschaftlicher Interessen. Unternehmen sind keine Akteure der Ewigkeit. Stiftungen können es mit einem ausreichenden Vermögen und klar definierten Aufgaben sein. Wir schlagen vor, dass nicht nur finanzielle Rückstellungen eingebracht werden können, sondern auch nicht mehr betriebsnotwendige Immobilien oder Flächen. Auch eine Beteiligung der öffentlichen Hand etwa durch das Einbringen von Haushaltsmitteln oder Flächen ist denkbar, sofern sie sich auf Aufgaben der Allgemeinheit, insbesondere der Ewigkeitskosten, beziehen.

Um es klar zu sagen: Es geht nicht darum - mitnichten  , die betroffenen Unternehmen und deren Besitzer aus der Verantwortung zu entlassen, im Gegenteil. Über die Höhe und konkrete Formen der Rückstellung sowie deren Insolvenzsicherheit bezogen auf Sachsen-Anhalt darf nicht öffentlich gesprochen werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das mussten wir schmerzhaft lernen. Wir haben es wieder und wieder versucht, aber die Landesregierung hält alles geheim. Ich will aber nicht, dass die Allgemeinheit die Kosten trägt, die Unternehmen nach Jahrzehnten guter Gewinne verursacht haben. Unabhängig davon geht es uns darum, die Verantwortung und die finanzielle Absicherung der Tagebausanierung sowie von Folgeschäden, die mit der Braunkohleförderung in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus zusammenhängen, in eine tragfähige, insolvenzsichere und generationengerechte Struktur zu überführen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag ist kein Schnellschuss. Er ist im Gegenteil das Ergebnis eines Vorschlags, den wir sehr intensiv mit anderen betroffenen ostdeutschen Bundesländern diskutiert haben, mit Kolleginnen und Kollegen aus Sachsen und Brandenburg, mit Gewerkschaften und mit der LMBV. Wir haben diesen Vorschlag vor zwei Jahren öffentlichkeitswirksam in der Lausitz präsentiert und haben hinsichtlich der Stiftungslösung auch Anleihe genommen bei dem Bergbaubereich in Nordrhein-Westfalen. Die dortige RAG-Stiftung im Ruhrgebiet etwa übernimmt seit Jahren Aufgaben der Altlastensanierung im Steinkohlebergbau.

Auch die LMBV zeigt, dass öffentliche Strukturen eine große Rolle bei der Bewältigung von Bergbaufolgen spielen können. Die LMBV kümmert sich mit immensen Summen der öffentlichen Hand, aber eben nur um den Teil der Altlasten aus der DDR-Zeit, nicht um die Folgen des laufenden Braunkohleabbaus. Um genau diese 35 Jahre plus x geht es uns. Wir halten es daher für überdenkenswert, auch Teile der LMBV in diese Stiftung einzubringen. Gespräche, die ich dahin gehend führen konnte, lassen das auch als machbar erscheinen. Historisch, strukturell und aufgrund der Eigentümerschaft ist die Aufgabe in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg gleichartig. Daher ist der Ansatz, dazu Verhandlungen mit dem Bund und mit den Ländern Brandenburg und Sachsen zu führen und natürlich auch mit den Bergbauunternehmen.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Denn zu den Detailfragen der Stiftungsgründung muss mit allen Beteiligten Rechtssicherheit hergestellt werden. Die Stiftung, die wir fordern, soll nicht nur finanzielle Sicherheit schaffen, sondern auch strukturelle Klarheit. Sie soll die Planungssicherheit geben, die ein über Jahrzehnte laufender Rückbauprozess braucht. Sie soll Akteure vernetzen, Projekte bündeln, Wissen langfristig sichern und die Bewirtschaftung effizient organisieren und sie kann perspektivisch auch positive Impulse setzen, etwa durch die Verpachtung von Flächen für regenerative Energieprojekte, durch eine Beteiligung an regionalen Wertschöpfungsketten oder durch Bildungs- und Umweltprojekte.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Es geht hierbei nicht nur um sehr viel Geld. Es geht auch um Vertrauen; um Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, um Vertrauen in eine Struktur, die langfristig funktioniert, und zwar jenseits von Legislaturperioden, jenseits von Haushaltszwängen und jenseits wirtschaftlicher Interessen Einzelner. Wir alle wissen, dass das das höchste Gut, die höchste Währung in der Politik ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Gerade der Beginn einer Legislaturperiode wäre ein guter Ansatzpunkt, um mit der neuen Bundesregierung diese Aufgabe für den Osten anzugehen. Vorarbeiten sollte sie finden. Ich habe bereits das von den GRÜNEN vorgelegte Konzept erwähnt. Es sollte aber auch in den Bundesministerien entsprechende Vorgaben geben. Denn das war mit der alten Bundesregierung schon vorbesprochen. Aber Sie wissen ja: Das hat nicht die gesamte Legislaturperiode überdauert.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Gerade weil Sachsen-Anhalt ein Strukturwandelland ist, braucht dieser Braunkohlenfolgewandel ein solides Fundament. Wir wollen vorbereitet sein. Wir wollen, dass das Land vorbereitet ist. Wir wollen proaktiv gestalten, nicht im Nachhinein Schadensbegrenzung betreiben. Wie kaum ein Mittel ist auch die Stiftung kein Allheilmittel, aber sie ist ein starkes Instrument, um Verantwortung, Transparenz und Generationengerechtigkeit zu organisieren. Sie ist ein Instrument, das wirtschaftlich, ökologisch und sozial tragfähig ist. Das Erbe der Braunkohle darf eben nicht zur Hypothek unserer Kinder und Kindeskinder werden. Ich fordere Sie deshalb auf 

(Unruhe)

- falls noch irgendjemand hier im Saal mir zuhört  : Nehmen Sie diesen Antrag nicht als ein parteipolitisches Projekt. Nehmen Sie diesen Antrag als Einladung zu einer gemeinsamen Lösung eines gemeinsamen Problems. Die Ewigkeitskosten betreffen uns alle und sie werden uns alle noch lange beschäftigen.

Wir freuen uns auf die Arbeit in den Fachausschüssen. Ich habe gehört, dass die Koalition dem skeptisch gegenübersteht. Das würde ich sehr bedauern. Denn es geht tatsächlich um viel für die Menschen im Süden dieses Landes. - Danke schön.