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Plenarsitzung

Transkript

Konstantin Pott (FDP): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD-Fraktion ist aus unserer Sicht ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und den freiheitlichen Geist unserer Verfassung. Wir werden ihn deshalb ablehnen. Das möchte ich vorwegnehmen.

(Beifall bei der FDP)

Der Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes garantiert die Freiheit von Forschung und Lehre und schützt sie vor politischer Einflussnahme. Eine politisch motivierte Einschränkung von bestimmten Forschungsrichtungen, weil es sich angeblich nicht um Wissenschaft handelt, ist ein deutlicher Verstoß gegen genau dieses Freiheitsversprechen. 

Ich habe bereits am gestrigen Tag deutlich gemacht, dass gerade jetzt, da international unterschiedliche Staaten in die Wissenschaftsfreiheit empfindlich eingreifen und auch Demokratien das tun, wir diesen Weg nicht mitgehen dürfen. Bei uns muss ganz klar sein, dass die Wissenschaft frei ist, dass die Forschung frei ist und dass es dort keine politische Einflussnahme gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn nämlich nun die Politik entscheidet, welche Theorien gelehrt werden dürfen, dann verlassen wir den Boden der Wissenschaft und begeben uns auf den Weg zur Gesinnungszensur. 

In dem Antrag wird behauptet, Gender-Studies seinen keine Wissenschaft, sondern politische Positionierung.

(Oliver Kirchner, AfD: Ja!)

Sie haben vorhin schon die Frage aufgeworfen, wie man denn Wissenschaft definiert. Ich habe eine Quelle mitgebracht, die hier eigentlich, denke ich, recht unumstritten sein sollte, nämlich ein Zitat des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht definiert den Begriff Wissenschaft wie folgt: jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch der Wahrheitsermittlung anzusehen ist. 

Wenn Sie jetzt in das Bundesverfassungsgericht eingreifen wollen, dann verlassen Sie den demokratischen Weg, weil Sie dann am Ende unsere Gewaltenteilung aufheben, wenn Sie politisch in die Justiz eingreifen, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Oliver Kirchner, AfD: Wir gehen mit denen nicht zusammen! Keine Sorge!)

Deswegen sollten wir diese Definition, die das unabhängige Bundesverfassungsgericht vorgelegt hat, auch als die Grundlage für unser Handeln nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Behauptung, Gender-Studies seien politische Meinungsmache, ist eine pauschale und auch ideologisch motivierte Aussage. 

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Gender-Studies arbeiten mit anerkannten wissenschaftlichen Methoden, interdisziplinär und international. Ein beispielhaftes Ergebnis betrifft die gesellschaftlichen Rollenbilder. Erwartungen, soziale Strukturen und unser Verständnis davon - das sind Dinge, um die es auch in den ganz normalen Sozialwissenschaften geht, wo mit anerkannten wissenschaftlichen Methoden gearbeitet wird. Zu meinen, das sei nicht wissenschaftlich, das sei keine Wissenschaft, halte ich zumindest für eine gewagte These.

Kritik an gesellschaftlichen Normen ist auch kein Missbrauch von Wissenschaft, sondern das ist ein Teil des wissenschaftlichen Diskurses selbst. Auch gibt es genau solche Dinge in der Ökonomie, in der Theologie, in der Soziologie. Genau da reflektieren wir doch solche Fragen, genau da soll doch Diskurs möglich sein. Da sollten wir ihn doch nicht politisch einschränken. Wissenschaftlicher Diskurs muss möglich sein und an diesen dürfen wir nicht zu enge Ketten anlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

Hochschulen sind in ihrer Ausrichtung autonom. Sie bestimmen selbst, welche Forschungs- und Lehrschwerpunkte sie setzen und setzen wollen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eingriffe in die Hochschulautonomie verbietet unsere Verfassung. Eine staatlich verordnete Rückabwicklung von Lehrstühlen, die sich mit bestimmten Themen beschäftigen, die dann politisch einigen Akteuren nicht passen oder nicht genehm sind, gehört zu genau solchen Eingriffen und die sind ein völliges No-Go. 

Wir haben aus der Geschichte gelernt und die Wissenschaft vor derartigen Eingriffen durch die Politik geschützt. Heute sind es Gender-Studies, morgen ist vielleicht an der einen oder anderen Stelle Klimaforschung. Und was ist es übermorgen? - Vielleicht ist es die Ökonomie, die der AfD unliebsam ist. Das wird dann eingeschränkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da machen wir nicht mit.

Im Übrigen sind solche Bestrebungen ein Schritt dahin, vielleicht auch bei ganz anderen Themen plötzlich nicht mehr technologieoffen zu sein. Man sagt: Bestimmte Technologien passen uns nicht; deswegen wollen wir nicht mehr, dass in diese Richtung geforscht wird, und versuchen, das politisch einzuschränken. Auch das ist ein Weg, den wir nicht gehen wollen. Technologieoffenheit ist ein wichtiger Schritt, wenn wir die Aufgaben der Zukunft lösen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

Also: Wissenschaft muss Fragen stellen dürfen, muss sie kontrovers dürfen, gerade dort, wo ein gesellschaftlicher Wandel sichtbar wird. Auch wer Gender-Studies skeptisch sieht, der muss anerkennen: Ihre Ergebnisse gehören in den offenen und wissenschaftlichen Diskurs und nicht auf die Verbotsliste. Aber wenn wir Erkenntnisse nur dann zulassen, wenn sie keine gesellschaftliche Relevanz beanspruchen, dann verkümmern unsere Hochschulen zu reinen Technikverwaltungen. 

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Freie Demokraten stehen für Wissenschaftsfreiheit, für individuelle Entfaltung und für eine offene Gesellschaft. Der Antrag der AfD steht dem diametral gegenüber, deswegen werden wir ihn ablehnen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.