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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 24

Beratung

Telenotarzt und Gemeindenotfallsanitäter verstetigen - Landesweite Einführung einer Ersthelferapp gewährleisten

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/5892


Herr Striegel kann es gar nicht erwarten. Er steht schon am Pult und kann den Antrag einbringen.


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Stadt und Land eine gute Gesundheits- und Notfallversorgung für alle Menschen in Sachsen-Anhalt sicherzustellen, ist eine Herausforderung. Wir haben große Städte, weitläufige Landkreise und zum Teil gerade an den Landesgrenzen extrem dünn besiedelte Regionen. Es ist eine Herausforderung und die Bürgerinnen und Bürger sowie die Fachwelt erwarten von uns Politikerinnen und Politiker, dass wir sie annehmen. 

Die Fachwelt hat längst erkannt, dass wir besonders im Bereich des Rettungsdienstwesens und der Notfallversorgung vieles für die Patientinnen und Patienten besser organisieren können. Einzig wir bekommen seit Jahren keine breite Notfallreform auf der Bundesebene und auch keine Rettungsdienstreform auf der Landesebene hin. 

Zu unserer Rettung haben wir die Experimentierklausel. Die Träger der Rettungsdienste sowie die Kostenträger und Leistungserbringer in Sachsen-Anhalt nehmen sie aktiv an. Die Experimentierklausel ist ein echter Gewinn. Sie ist die Grundlage für gute Lösungen vor Ort. Wir sollten allerdings nur aufpassen, dass wir die Experimentierklausel nicht nur anstelle von Reformen nutzen, bei denen wir uns mittel- bis langfristig nicht auf einen Kompromiss einigen können und so Verbesserungen nicht dauerhaft sichern können. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Telenotarzt wurde vom Landkreis Mansfeld-Südharz, vom Saalekreis und von der Stadt Halle (Saale) als Modellprojekt beantragt. Im Oktober 2024 konnte eine Umsetzung erfolgen. Der Telenotarzt kann von Rettungssanitätern in jeder Einsatzlage hinzugeschaltet und zu Rate gezogen werden. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und annähernd jeder Einsatz des Telenotarztes wird ausgewertet. 

Der Zwischenbericht dazu wurde uns vom Sprecher des Telenotarzt-Erprobungsvorhabens Sachsen-Anhalt Dr. S. in der vergangenen Sitzung des Innenausschusses vorgestellt, und es zeigt sich, dass dieses Projekt ein voller Erfolg ist.

Der Telenotarzt ist sowohl in der Stadt als auch auf dem Land akzeptiert und wird gut eingebunden. Technisch ist er in 98 % der Fälle nahezu überall auf dem Land erreichbar gewesen, immerhin mit einer immerhin in 80 % der Fälle guten oder sehr guten Verbindung. Die Nutzerinnen und Nutzer bewerten den Einsatz mit überragender Mehrheit in mehr als 92 % der Fälle als hilfreich. Denn der Telenotarzt bietet insbesondere eine schnelle Unterstützung für unsere gut ausgebildeten Notfallsanitäter. 

Es zeigt sich, dass er insbesondere für die Befunderhebung zu Rate gezogen wird und den Notfallsanitätern bei schwierigen Entscheidungssituationen hilft. Das steigert die Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten und führt zu mehr Rechtssicherheit für die Notfallsanitäter. Gleichzeitig können sich die physischen Notärzte auf lebensrettende Einsätze konzentrieren. Das Projekt läuft so gut, dass die Projektphasen um mehrere Monate vorgezogen werden konnten. Die Beteiligten kümmern sich bereits um eine einheitliche digitale Einsatzdokumentation und gleichzeitig ist die Auslastungsgrenze der eingesetzten Telenotärzte noch nicht erreicht.

Sorgen wir also dafür, dass dieses Erfolgsmodell die erforderliche gesetzliche Grundlage erhält, um dauerhaft zu einer besseren Versorgung beitragen zu können. 

Der Gemeindenotfallsanitäter ist ein weiteres Projekt, das aktuell im Rahmen der Experimentierklausel im Burgenlandkreis und im Landkreis Wittenberg erprobt wird. Er ist ein Baustein, um unnötige Rettungswageneinsätze zu vermeiden und die Notaufnahmen in den Kliniken zu entlasten. Er übernimmt potenziell nicht lebensbedrohliche Notfälle, die voraussichtlich keinen Transport und keine ärztliche Intervention benötigen. Weiterhin übernimmt er die Erstversorgung und Planung der weiteren Behandlung. Die Landkreise ziehen, so wie ich es mitbekommen habe, eine positive Bilanz. Allerdings meine ich, ist diese nicht ganz so eindeutig wie bei den Telenotärzten. 

Nach Ansicht des Innenministeriums schränkt die Experimentierklausel das Handlungsfeld des Gemeindenotfallsanitäters derzeit rechtlich ein. In der Folge können die Landkreise nicht das gesamte Potenzial nutzen. Wenn dem so ist, dann, so befürchte ich, wird diese Problematik eine Reihe von möglichen Modellprojekten betreffen, bei denen es darum geht, innovativ den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern. Es ist wichtig, dass wir die Akteure, die an dieser Stelle neue Wege gehen wollen, bestmöglich unterstützen und nicht durch unsere Schwerfälligkeit entmutigen. 

Wir fordern die Landesregierung auf, nach einer praktikablen Lösung zu suchen. Kann der Gemeindenotfallsanitäter nach dem Erfolgsrezept des Oldenburger Modells implementiert werden? Können die zukünftigen Gemeindenotfallsanitäter für mehr Aufgaben geschult und zu mehr Einsätzen gerufen werden? Für den Gemeindenotfallsanitäter wie auch für den Telenotarzt gilt, beide brauchen eine langfristige und tragfähige Lösung zur Finanzierung. Wenn wir alle Potenziale beider Ressourcen haben wollen, benötigen wir eine Notfallreform auf der Bundesebene. Diese scheitert allerdings aufgrund der Blockadehaltung einzelner Länder, insbesondere auch Sachsen-Anhalts. 

Das, was Sie uns gegenüber in Sachsen-Anhalt erzählen, passt nicht ganz zusammen. Bislang wollen Sie mit der Regelung zum Gemeindenotfallsanitäter abwarten, bis der Bund entschieden hat, ob er etwas dazu regelt. Wenn Sie im Bund aber blockieren, wird dort eben nichts geregelt, und dann wird der Gemeindenotfallsanitäter hier auch nicht in ganzer Breite eingeführt. 

Wir fordern Sie daher auf, diese wertvollen Initiativen nicht im Sande verlaufen zu lassen, sondern voranzugehen. Regeln Sie das in Absprache mit den Kostenträgern und setzen Sie sich im Bund für ein tragfähiges Finanzierungskonzept ein. 

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft aus unserer Sicht die Ersthelfer-App. Dort können sich Freiwillige, die eine entsprechende Ausbildung haben oder im medizinischen Bereich tätig sind, registrieren. Falls dann eine Reanimation in ihrer unmittelbaren Nähe gefordert wird, müssen die Leitstellen zusätzlich die Freiwilligen über die App benachrichtigen; ein moderner Pieper eben. Über die App können verschiedene Informationen auch über Defibrillatoren eingestellt werden. Damit erhöhen wir in den ersten Minuten bis zum Eintreffen der Rettungskräfte die Chance zur Reanimation. Solch eine App wird bereits von einigen Landkreisen genutzt. Wir wollen sie in Sachsen-Anhalt landesweit und einheitlich ausrollen. 

Der letzte Punkt unseres Antrags betrifft eine kleine, aber für Angehörige wichtige Regelung. Nach unserem aktuellen Rettungsdienstgesetz dürfen betroffene Angehörige nicht erfahren, was mit einer Person passiert, die im RTW abtransportiert wird. Das kann - ich glaube, das ist für jeden von uns vorstellbar - durchaus irritierend sein. An dieser Stelle brauchen wir eine praxistaugliche Regelung. 

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. - Herzlichen Dank. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Herr Striegel. - Es gibt eine Nachfrage von Herrn Erben. - Bitte. 


Rüdiger Erben (SPD): 

Herr Kollege Striegel, Sie fordern in Ihrem Antrag einerseits die Landesregierung bzw. die Koalition auf, jetzt zügig eine Veränderung des Rettungsdienstgesetzes vorzunehmen und die beiden von Ihnen genannten Rettungsmittel auch zu verstetigen und zum Regelrettungsmittel zu machen. Andererseits kritisieren Sie natürlich die nicht vorhandene Reform der Notfallmedizin auf der Bundesebene. 

Ich unterstelle einmal, dass Sie der Meinung sind, dass wir schneller sein sollen als die Reform auf der Bundesebene. Deswegen komme ich auf den Gemeindenotfallsanitäter zu sprechen. Welcher Gemeindenotfallsanitäter schwebt Ihnen denn im Rahmen dessen, was wir rechtlich machen können, vor? 

Die im Burgenlandkreis und im Landkreis Wittenberg tätigen Gemeindenotfallsanitäter machen etwas völlig Unterschiedliches, auch wenn sie die gleichen Genehmigungen haben. In Wittenberg fährt er eher als Erkunder heraus, im Burgenlandkreis fährt er eher als Notfallsanitäter ohne RTW heraus, um das einmal vereinfacht darzustellen. Da Sie uns auffordern, das zügig zu regeln - offensichtlich haben Sie ja schon im Kopf, wie ein Gesetzestext aussehen würde -, frage ich Sie: Wie würden Sie das regeln wollen?


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Wir würden das, Herr Kollege Erben, gern so regeln wollen, wie es in Niedersachsen passiert. Denn das Oldenburger Modell ist für uns maßgeblich. Wir wissen um die Konflikte, die damit einhergehen und sagen deshalb auch, auf der Bundesebene muss der entsprechende Rahmen geschaffen werden, damit sich die Krankenkassen auch nicht mehr aus der Verantwortung ziehen können. Deswegen bitten wir noch einmal darum, dass Sachsen-Anhalt die Blockade endlich aufgibt. Uns ist mitgeteilt worden, dass Sachsen-Anhalt hierbei auf auf Bundesebene auf der Bremse steht.