Tagesordnungspunkt 6
Wissenschaft statt Manipulation - Genderpolitik an Hochschulen einstellen!
Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/5572
Einbringen wird diesen Antrag der Abg. Herr Dr. Tillschneider.
(Beifall bei der AfD)
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Antrag, die sogenannten Gender Studies an der Universität abzuschaffen, wurde als Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit kritisiert. Vielleicht können wir zumindest darüber Einigkeit erzielen, dass, wenn eine bestimmte Betätigung keine Wissenschaft mehr wäre, sie sich auch nicht mehr auf die Wissenschaftsfreiheit berufen könnte.
Was aber ist Wissenschaft? Sie mögen sich als Politiker für diese Frage unzuständig erklären und erwidern, die Wissenschaft allein könne doch darüber befinden, was Wissenschaft sei. Wäre dem so, wäre die Wissenschaftsfreiheit nicht nur eine Freiheit, im Rahmen der Wissenschaft zu arbeiten, sondern auch eine Freiheit, den Rahmen zu setzen. Die Wissenschaft könnte sich in aller Beliebigkeit entwerfen, unabhängig davon, ob die gesamte Gesellschaft diesen Entwurf noch versteht, teilt oder auch nur anerkennt. Die Wissenschaft könnte sich ihrer Strenge, die sie bislang zu ihrer Legitimation ins Feld geführt hat, als einer lästigen Bürde begeben und zu Fantasterei oder Politik degenerieren. Die Wissenschaft wäre dann jedenfalls ein abgekapseltes System.
Da aber die Wissenschaft bei aller Freiheit, die sie genießt, Teil der Gesellschaft ist, die sie immerhin tragen und anerkennen soll, kommen wir um eine allgemein kulturpolitische, die Wissenschaft übersteigende Verständigung darüber, was überhaupt Wissenschaft sei, nicht herum.
Die vielen wissenschaftlichen Fragen sind Fragen der Wissenschaft, denen sie in Freiheit nachgehen soll. Aber diese eine Frage, was denn überhaupt Wissenschaft sei, ist eben keine rein wissenschaftliche Frage. Diese Frage kann die Wissenschaft gerade nicht allein und nur für sich beantworten. Wenn sie es wollte, könnte sie dies in unserem liberalen Staat auf eigene Gefahr sicherlich tun, sollte dann aber als private Beschäftigung nicht erwarten, von der sie umgebenden Gesellschaft noch in ihrem Treiben gefördert zu werden.
Was also ist Wissenschaft? - Wissenschaft, so sagt man, ist auf Erkenntnis aus. Erkenntnis zielt auf Wahrheit ab. Wahrheit wiederum ist bezogen auf das Sein, nicht auf das Sollen. Wahrheit ist die Entdeckung des Seienden in seinem Sein. Wahrheitsfindung, nicht Willensbildung, ist das Geschäft der Wissenschaft im allerweitesten Sinne. Die Wissenschaft sagt uns bezogen auf die verschiedenen Regionen des Seienden, was der Fall ist. Sie sagt uns nicht, was sein und werden soll. Sie macht auch keinen Druck, dergleichen durchzusetzen. Wissenschaft hat nicht nur - das versteht sich von selbst - politisch neutral zu sein;
(Zuruf von der CDU: Nein!)
sie hat auch wertfrei zu sein.
(Beifall bei der AfD - Christian Hecht, AfD: Jawohl!)
Gemessen daran sind weite Teile der sogenannten Gender Studies gar keine Wissenschaften.
(Oh! bei der CDU)
Diese selbsternannte Wissenschaftsdisziplin geht auf das Werk „Gender Trouble“ von Judith Butler zurück. Wie schon der Titel dieses Werkes zum Ausdruck bringt, soll es darum gehen, Unruhe zu stiften. Wie Judith Butler selbst mehrfach in ihrem Werk eingesteht, verfolgt sie eine eminent politische Agenda.
Die Gender-Theorie von Judith Butler und damit das Fundament aller Gender-Studien, wie auch immer sie sich nennen mögen, beruht auf einer Kritik am klassischen Feminismus. Dem Feminismus wird vorgeworfen, dass er noch einen Begriff von Frau voraussetze, um sodann auf die Unterdrückung der Frauen aufmerksam zu machen. Eigentlich aber, so wendet die Gender-Theorie ein, rühre die Unterdrückung der Frau im Grunde daher und beginne damit, dass überhaupt zwischen Mann und Frau unterschieden werde. - Wie abwegig aber auch.
Die auch in der Sprache manifeste Zweigeschlechtlichkeit sei eine Erfindung der Männer. Sie sei Ausdruck von Phallogozentrismus - Sie verstehen den Begriff: Phallus und Logos , weil sie auch das logische Denken durchwirke und wiederum die Zwangsheterosexualität bedinge. Die Gender-Theorie zielt darauf ab, sich von diesem Komplex aus Zweigeschlechtlichkeit, Heterosexualität und inhärent männlicher Logik zu befreien.
So ähnlich wie das sozialistische Denken im Kapitalismus ein dem Menschen sich selbst entfremdendes Zwangssystem erkennt, so ähnlich sieht die Gender-Theorie in der Zweigeschlechtlichkeit ein Zwangssystem, von dem es sich zu befreien gelte. Keine altbackene Kritik am Patriarchat also, sondern die Aufhebung der Zweigeschlechtlichkeit und damit die Aufhebung der Opposition männlich/weiblich. Und nicht nur das. Auch die Aufhebung des phallisch durchseuchten binären Denkens und damit letztlich der Opposition, war falsch. Das ist Sache der Gender-Theorie. Daher der Versuch, das Geschlecht aus der Sprache zu vertreiben. Daher der krampfhafte Versuch, Männer zu Kindergärtner*innen und Frauen zu Panzergrenadieren zu machen. Daher die erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber allen Formen der Abweichung von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität. Daher die Förderung und Inszenierung sogenannter Dragqueens - von Conchita Wurst bis hin zur Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Paris 2024. Daher der revolutionäre Habitus der Protagonisten dieser Strömung. Daher die Impertinenz, die Unduldsamkeit und das hermetische Argumentieren.
Was ist eine Wissenschaft? - Also eine Wahrheitsfindung, die meint, die Unterscheidung war falsch, und man könne sie deshalb entbehren. Sie ist ein Schein, der die bloße Fassade akademischer Autorität nutzt, um damit dem politischen Willen nur umso höhere Durchschlagskraft zu verleihen. Sie ist ein Stempel, der dem Spiel reiner Machtverhältnisse das Siegel der Wissenschaft aufdrückt. Sie ist eine geistige Panzerung, die, weil sie sich von der Fessel der Wahrheit frei weiß, als nur scheinbare Wissenschaft in totalitärer Beliebigkeit jedes Gegenargument ersticken zu können glaubt.
Wenn dann Politiker das, was von dorther kommt, mit dem Imperativ „Höre auf die Wissenschaft!” als unverhandelbar ausgeben und jeden grundsätzlichen Einwand als Ausdruck von Wissenschaftsfeindlichkeit erledigen wollen, dann sind wir auf dem epistemischen Niveau traditionell islamischer Gesellschaften angekommen, wo etwas als wahr gilt, weil es der Scheich mit dem längsten Bart gesagt hat.
(Lachen bei der AfD - Beifall bei der AfD - Unruhe bei der Linken und bei den GRÜNEN - Zuruf von Dorothea Frederking, GRÜNE)
Wenn wir sehen, wie dieses revolutionäre Programm an den Universitäten entwickelt und propagiert wird, wie es oft auch in Komplizenschaft mit neoliberalen Reformern die alten, guten Fachdisziplinen aufhebt und alles zu Gender Studies verrührt, wie diese Dekonstruktion und Destruktion das Denken selbst angreift, verarmt und verätzt und wie von den Universitäten aus schon die konkretesten Pläne zur Umsetzung außerhalb der Universität gemacht werden, wie die Altparteien diese Ideen übernehmen und ins Werk setzen und wie sich die Politiker im Verweis auf die angebliche Wissenschaftlichkeit dieser Ideen - sie kommen ja von den Universitäten - absichern und wie die Umsetzung wiederum von den Universitäten aus kontrolliert und justiert wird, also wenn man dieses schon bald ununterscheidbare Ineinander von Politik, Pseudowissenschaft und Genderismus betrachtet, dann sieht man deutlich: Das, was hier getrieben wird, ist keine Wissenschaft, es ist eine Machenschaft. Wir wollen und werden dieser Machenschaft an staatlichen Hochschulen ein Ende bereiten;
(Beifall bei der AfD)
dies umso mehr, als man vielen von denen, die sich damit befassen, förmlich ansieht, dass sie Probleme mit ihrem eigenen Geschlecht bewältigen und sich ihre jeweilige Theorie auf den Leib geschneidert haben. Das können sie gern tun und auch gern publizieren, wenn sie einen Verlag finden, der so etwas druckt. Aber all das macht daraus noch keine Wissenschaft.
Wenn etwa der als Frau geborene Paul Preciado aus dem Nachdenken über den Dildo an und für sich eine Theorie entwickelt, wonach dieses Instrument eine Dekonstruktion der natürlichen Heterosexualität ermögliche, weil es von der Körperhaftigkeit des einzelnen Menschen abgetrennt sei, dann mag einem sofort einleuchten, weshalb ausgerechnet ihn das Thema umtreibt. Die Entwicklung solcher Strategien zur Dekonstruktion der natürlichen Heterosexualität ist jedenfalls keine Wissenschaft.
Nichts einzuwenden ist gegen eine Forschung, die in aller gebotenen Sachlichkeit das Verhältnis der Geschlechter in den verschiedenen Kulturen und Zeiten erforscht, ohne daraus und damit Politik machen zu wollen. Studien zur Homosexualität im alten Griechenland, zur Ehe bei indonesischen Muslimen oder zu Geschlechterrollen in den Romanen von Thomas Mann sowie Forschungen, wie sie Claude Lévi-Strauss in seinem Werk „Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft” vorgelegt hat - dagegen, also gegen die volle Breite wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Geschlechterverhältnis, ist nichts überhaupt einzuwenden. Die Universität kann und soll das Verhältnis von Mann und Frau in seinen historischen, ethnologischen, soziologischen und biologischen Dimensionen erforschen. Sie soll es aber nicht im Sinne einer revolutionären und politischen Ideologie manipulieren, und zwar ganz unabhängig davon, ob man dergleichen für wünschenswert hält oder nicht, aus dem einfachen Grund, weil das keine Wissenschaft ist.
(Beifall bei der AfD)
Wenn wir die Gender Studies, die eine solche politische Agenda verfolgen, einstellen, dann befreien wir die Wissenschaft von der Machenschaft. Wir befreien die Wissenschaft wieder zur Wissenschaft. Wir nehmen von den Wissenschaften alle politischen Erwartungen und im Übrigen auch alle Erwartungen hinsichtlich der unmittelbaren Verwertbarkeit, die hier gleichfalls nichts verloren haben, die aber von den Altparteien immer wieder und immer drängender ins Feld geführt werden, ohne dass deshalb jemals jemand eine Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit beklagt hätte.
Wie dem nun sei, wir erwarten nicht mehr und nicht weniger von der Wissenschaft, als dass sie Wissenschaft ist. Wir restituieren damit die große geistige Freiheit, die einst den Ruhm der deutschen Universität begründet hat. - Vielen Dank.