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Plenarsitzung

Islamwissenschaftlerin sprach im PUA

Hintergründe zum Islam waren ein wichtiges Thema der 18. Sitzung des 21. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 17. November 2025. Unter anderem ging es um den Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten. Hierzu sprach Prof. Dr. Christine Schirrmacher aus der Abteilung für Islamwissenschaft und Nahostsprachen der Universität Bonn. Schirrmacher hatte im Vorfeld der Vernehmung ein nichtöffentliches Gutachten angefertigt, das den Ausschussmitgliedern vorlag. 

Ordner mit Informationen zum Untersuchungsausschuss (Symbolbild)

Der 21. Parlamentarische Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2024.

Was Schiiten und Sunniten unterscheidet

Hintergrund dieses Tagesordnungspunkts war die Tatsache, dass der Attentäter Taleb A. dem schiitischen Glauben zugerechnet wurde, bevor er sich vom Islam lossagte. Schirrmacher erklärte hierzu, dass sich beide Strömungen in der Sichtweise darüber uneinig seien, wer die islamische Welt führen darf. So würden Schiiten die Meinung vertreten, dass dazu nur ein Verwandter beziehungsweise Nachfahre Mohammeds berechtigt sei. Sunniten dagegen seien der Ansicht, diese Person sei durch eine Wahl zu bestimmen. Heute bildeten Sunniten mit knapp 85 Prozent die Mehrheit der muslimischen Gläubigen, so Schirrmacher. Schiiten seien somit in der Minderheit.

Schiiten in Saudi-Arabien verfolgt

Die Konflikte zwischen beiden Strömungen seien erheblich, so Schirrmacher. Zwar seien sie theologisch begründet, würden heute jedoch machtpolitisch zum Ausdruck gebracht. So sei etwa Saudi-Arabien – Heimatland von Taleb A. – sunnitisch geführt. Schiiten hätten in der Vergangenheit mehr Gleichbehandlung gefordert. Schirrmachers Ausführungen legen nahe, dass sich die Situation für Schiiten in Saudi-Arabien seit etwa 2011 verschärft habe. Amnesty International schreibt dazu etwa: „Seit 2011 verfolgen die Behörden die im Land lebende schiitische Minderheit auf brutalste Arte und Weise.“

Frauen in Saudi-Arabien nicht allein rechtsfähig

Ein weiteres Thema, über das Schirrmacher auf Nachfrage berichtete, war die Situation von Frauen in Saudi-Arabien. Für sie gelte das Prinzip der männlichen Vormundschaft. Eine saudische Frau könne sich nie vollständig selbst rechtlich vertreten. Männliche „Vormünder“ wie Vater oder Ehemann müssten bei verschiedenen Rechtsakten zustimmen. Das gelte auch für die Ehe.

Der derzeitige saudische Machthaber Mohammed bin Salman habe diese Regelungen zwar etwas eingeschränkt, sie gelten jedoch immer noch, so Schirrmacher. Das Königshaus gebe noch immer den Takt der Reformen an. Mehrere Frauenrechtlerinnen seien im Land inhaftiert. Diese gesellschaftliche Struktur bedeute auch, dass eine Scheidung für Frauen in Saudi-Arabien sehr schwer sei. Mitunter gebe es familiären Druck, eine Ehe beizubehalten. Medienberichten zufolge gab Taleb A. an, 1995 mit einer damals 16-Jährigen für zwei Monate verheiratet gewesen zu sein.

Öffentlicher Atheismus in Saudi-Arabien strafbar

Zur Lage der Frauen in Saudi-Arabien führte Schirrmacher weiter aus, dass auch häusliche Gewalt zumindest geduldet sei – denn anders als in vielen anderen muslimischen Staaten gelte in Saudi-Arabien im Strafrecht noch die Scharia. Entsprechend würden im Land auch noch Hinrichtungen praktiziert – laut Schirrmacher in hoher Anzahl. Öffentlich praktizierter Atheismus sei ebenfalls strafbewehrt und gelte per Gesetz als Form von Terrorismus. Kritische Äußerungen würden sanktioniert, Menschenrechtler wie Raif Badawi inhaftiert. Auch Taleb A. äußerte sich in den Jahren vor dem von ihm verübten Anschlag vehement kritisch gegen den Islam und gegen Saudi-Arabien. 2016 wurde ihm in Deutschland politisches Asyl gewährt.

Vertreter von Justiz und Polizei sprachen im Anschluss

Neben der Islamwissenschaftlerin Schirrmacher sprachen am Montag auch weitere Personen vor dem Ausschuss im Rahmen anderer Beweisbeschlüsse. So berichtete ein Staatsanwalt über verschiedene Verfahren, an denen Taleb A. beteiligt war – unter anderem als Beschuldigter in einem Fall, in dem ein Kölner Rechtsanwalt Anzeige wegen Bedrohung gegen A. erstattet hatte. Weitere Zeugen, die an diesem Tag geladen waren, kamen ebenfalls aus der Staatsanwaltschaft Magdeburg sowie den Polizeirevieren Magdeburg und Salzlandkreis.

Hintergrund

Der 21. Parlamentarische Untersuchungsausschuss soll die parlamentarische Aufarbeitung des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt leisten. Laut Einsetzungsbeschluss soll er insbesondere klären, ob und inwiefern bestehende Genehmigungsverfahren, Sicherheits- und Einsatzkonzepte sowie deren praktische Umsetzung für den Weihnachtsmarkt in der Stadt Magdeburg die Durchführung des Anschlags begünstigt oder ermöglicht haben. Die Mitglieder haben sich zum Ziel gesetzt, mindestens alle zwei Wochen zu tagen.