Die Autorin Cerstin Gammelin, selbst DDR-sozialisiert, findet viele Anzeichen für eine Emanzipation des Ostens. So sind zum Beispiel flächendeckende frühkindliche Betreuung, Medizinische Versorgungszentren, vollzeitarbeitende Mütter, Kenia-Koalitionen und ein moderierender Politikstil im Osten längst Realität. Dennoch wird der Osten noch immer unterschätzt. Die ostdeutschen Bundesländer werden in aktuellen Debatten oft ausgeblendet oder auf die AfD, die rechte Szene oder Ostalgie reduziert. Das hat die Autorin inspiriert, dieses Buch zu schreiben.
Dazu führte sie Gespräche mit den Regierenden der neuen Länder, mit Unternehmen, Wissenschaftlern, Kreativen und Bürgern. Sie alle sind davon überzeugt, wie wichtig es ist, die Realität im Land neu zu erzählen – und zwar paritätisch und nicht aus der Sicht des Westens. Diese Menschen streiten dafür, die bestehenden Ungleichheiten im Osten unter anderem durch Förderung von Eigentum, eine gerechte Steuerpolitik und eigene Eliten in Wirtschaft und Wissenschaft, Kultur und Behörden zu beenden. Cerstin Gammelin versammelt in ihrem lesenswerten und interessanten Buch Geschichten und Analysen zu einer Neubewertung des Ostens und fordert, dass den notorisch Unterschätzten dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung endlich eine Stimme gegeben wird.
Cerstin Gammelin: Die Unterschätzten. Wie der Osten die deutsche Politik bestimmt. Berlin: Econ, 2021.