Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Damit das Pflegeheim keine Armutsfalle wird

Die Eigenanteile in Sachsen-Anhalt für einen stationären Pflegeplatz hätten sich in den letzten sechs Jahren nahezu verdoppelt, konstatiert die Fraktion DIE LINKE. Dies führe zu einer steigenden Zahl von Anspruchsberechtigten im Rahmen der Sozialleistungen. Es sei daher laut Antrag der Linken erforderlich, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die steigenden finanziellen Belastungen von Bewohnerinnen und Bewohnern in der Pflege zu deckeln und ein menschenwürdiges Leben in Pflegeeinrichtungen zu gewährleisten. Die Koalitionsfraktionen brachten einen Alternativantrag ein, durch den die Landesregierung auf Bundesebene unter anderem darauf hinwirken soll, dass die Steigerung der Eigenanteile in stationären Pflegeinrichtungen möglichst geringgehalten bzw. vermieden werde.

Ein alter Mann lächelt in die Kamera, er lebt in einem Pflegeheim.

Der Lebensabend sollte von allen Menschen in Würde und Geschütztheit verbracht werden können. Viele sorgen sich zu Recht, dass das Geld für eine angemessene Betreuung nicht ausreicht.

Investitionskosten aus Eigenanteil herauslösen

Mehr als 166 000 pflegebedürftige Menschen lebten in Sachsen-Anhalt, 27 600 von ihnen in vollstationärer Pflege, erklärte Nicole Anger (DIE LINKE). 2 150 Euro betrage die Selbstbeteiligung pro Monat, damit sei die stationäre Unterbringung zu einem Luxus geworden. Mit ihrer durchschnittlichen Ost-Rente könnten sich eklatant viele Menschen in Sachsen-Anhalt diese Eigenanteile nicht leisten. Das mühsam Ersparte müsse als Erstes herhalten, der soziale Abstieg drohe und damit der Gang zum Sozialamt. Viele würden sich erst gar nicht um einen Pflegeplatz bewerben, weil sie die Kosten scheuten. Die Pflege des/der einen bedeute oft die Armut der/des anderen, monierte Anger. Die Linken-Abgeordnete warb dafür, dass die Investitionskosten der Einrichtungen vom Land übernommen und nicht auf die pflegebedürftigen Menschen umgelegt würden. Zudem sprach sie sich für die Schaffung eines Landespflegegelds als Zuschuss zum Eigenanteil und für die Einführung einer Pflegevollversicherung, die alle Kosten abdecke, aus.

Eigenteile über den Bund senken

„Die Kosten in der Pflege sind durch verschiedene Ursachen erheblich gestiegen“, räumte Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) ein. Die Zahl derjenigen, die Hilfe zur Pflege in vollstationären Einrichtungen in Anspruch nähmen, gestalte sich indes wellenförmig. Sie sprach sich einerseits dafür aus (auch gegenüber den Bund), die Ausbildungsumlage aus dem Eigenanteil herauszulösen, andererseits äußerte sie Bedenken bei der Einführung eines Landespflegegelds. Würde man 1 000 Euro pro Monat ab Pflegegrad 2 auszahlen, beträfe dies circa 140 000 Personen und verursachte Kosten von 140 Millionen Euro pro Jahr. Baue man auf die einkommensabhängige Unterstützung beliefen sich diese Kosten auf nur 6 Millionen Euro. Grimm-Benne warb dafür, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der Eigenanteil gesenkt und eine umfassende Pflegeversicherung angestrebt werde.

Vollversicherung derzeit nicht finanzierbar

81 Prozent der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt machten sich Sorgen, im Alter einmal auf Pflege angewiesen zu sein, sagte Dr. Anja Schneider (CDU). Gerade hier könnten sich viele Menschen die Kosten nicht mehr leisten. Die gesetzliche Pflegeversicherung erfülle nicht ihren Zweck, dieser Umstand könne aber nicht allein von den Betroffenen kompensiert werden. Eine Pflegevollversicherung, wie sie teilweise gefordert werde, sei derzeit aber nicht finanzierbar, stellte Schneider klar. Würde das Land die Investitionskosten (aus den Eigenanteilen) für die 730 Einrichtungen in Sachsen-Anhalt übernehmen, beliefen sich die Kosten schon auf 150 Millionen Euro im Jahr, erinnerte Schneider ‒ auch diese Finanzierung müsste kalkuliert werden. Sie stieß einen gesellschaftlichen Diskurs an: „Was wollen wir als Gesellschaft im Alter? Wenn wir das definiert haben, dann müssen wir klären, was wir zu zahlen bereit sind.“

„Ein Schlag ins Gesicht“

Es sei notwendig, dass sich jeder auf einen möglichen Pflegebedarf im Alter vorbereite, sagte Ulrich Siegmund (AfD). Bei vielen Leuten in diesem Land müsse das Sozialamt helfen, um die Kosten zu decken. Absolut ungerecht sei es, dass Menschen, die sich gewissenhaft auf diese Zeit vorbereitet hätten, umfänglich zur Kasse gebeten würden. „Das ist ein Schlag ins Gesicht aller fleißigen Menschen im Land.“ Man müsse davon wegkommen, die Leistungsträger noch weiter zu belasten, so wie es die Linken vorhätten. Seine Fraktion spreche sich für die Schaffung einer Pflegevollversicherung aus.

Generationenprinzip wirkt hier nicht

Die Pflegeversicherung sei Sache des Bundes, man könne nur begrenzt auf die Regelungen einwirken, sagte Konstantin Pott (FDP). Das Generationenprinzip sei aufgrund der aktuellen Altersstruktur im Land nicht tragbar. Wie sollte die Pflegeversicherung zukünftig ausgestaltet sein, damit sie auch funktioniere?, fragte Pott. Er warb für die private Vorsorge, diese sei eine wichtige Säule für die Zukunft. Die Nachfrage sei groß, die Angebote dagegen geringer ‒ dies treibe die Kosten ebenso in die Höhe wie die nötig gewesenen Tariferhöhungen.

Für Pflegevollversicherung und Bürgerversicherung

Es sei natürlich ungerecht, dass vornehmlich die in Pflegeheimen Untergebrachten die steigenden Kosten in der Pflege schultern sollen. Dass Kosten anstiegen, sei normal, aber seit 2017 seien die Zuschüsse der Pflegekassen zur stationären Pflege nicht gestiegen, monierte Susan Sziborra-Seidlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Seit dem Jahr 2022 zahlen die Pflegekassen allerdings gestaffelte Zuschüsse (von 5 bis 70 Prozent) zum Eigenanteil. Eine Dynamisierung dieser Beiträge werde von der Bundesregierung angestrebt. Die Forderung nach einer Pflegevollversicherung und einer Bürgerversicherung sei nötig und klare grüne Position. Das Thema Bürgerversicherung habe sich auf Bundesebene aber leider nicht durchsetzen können, so Sziborra-Seidlitz. Mindestziel wäre, dass die Fremdkosten aus den Pflegekosten gestrichen würden. Die derzeit geltende Pflegeversicherung werde aufgrund der demographischen Situation nicht ohne einen Steuerzuschuss auskommen. Ein Landespflegegeld würde dagegen nicht zu einer weiteren Verbesserung der Lage führen.

Präventionsmaßnahmen in Anspruch nehmen

Viele brauchen im Alter Pflege, ob zuhause oder in einer Einrichtung, sagte Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD). Auch wenn die Menschen länger fit bleiben als in früheren Generationen, so nehme der Bedarf an Pflege dennoch zu. Die meisten wollen zuhause betreut werden, für manche sei eine vollstationäre Einrichtung die bessere Lösung. Leute, die ihren Eigenanteil von ihrer Rente bezahlen könnten, seien die wenigsten Heimbewohner. „Die Debatte um die Eigenanteile darf aber nicht auf dem Rücken der Pflegekräfte geführt werden“, betonte Richter-Airijoki. Deren tarifliche Besserstellung sei absolut gerechtfertigt. Sie unterstütze zwar die Idee einer Pflegevollversicherung, halte deren Umsetzbarkeit allerdings für gering. Sie warb zudem für präventive Maßnahmen, um die Selbstständigkeit und Lebensfreude zu erhalten und vermeidbarer Pflegebedürftigkeit vorzubeugen.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Linken abgelehnt. Angenommen wurde der Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD und FDP.