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Plenarsitzung

Ansprechpartner auf Augenhöhe schaffen

Weltweit sind Fahrradstaffeln bei der Polizei im Einsatz. Sie könnten einen Beitrag zum besseren Kontakt zwischen Bürger/innen und Beamt/innen leisten, da sie eine Begegnung auf Augenhöhe erleichterten, befand die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in einem Antrag vom April 2022. In diesem spricht sie sich für ein Modellprojekt zur Implementierung von Fahrradstaffeln zunächst im Polizeirevier in Halle (Saale), später auch in Magdeburg aus.

Dabei soll die Fahrradstaffel schwerpunktmäßig in der Verkehrssicherung und zur Steigerung der Sicherheit nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmer/innen eingesetzt werden. Nachdem der Antrag (Drs. 8/1021) im April in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen worden war, wurde sich dort darauf verständigt, am Donnerstag, 22. September 2022, eine Anhörung durchzuführen.

Polizisten unterwegs mit dem Fahrrad

Die Grünen setzen sich mit einem Antrag für die Wiedereinführung von Fahrradstaffeln bei der Polizei in Sachsen-Anhalt ein.

Stimmen aus der Anhörung

Der Landesbezirk Sachsen-Anhalt der Gewerkschaft der Polizei trage den Antrag der Grünen mit, sagte dessen Vorstand Uwe Bachmann. Zwischen 2008 und 2012 habe es bereits eine Fahrradstaffel in der Landespolizei gegeben, „die hat sich auch bewährt, damals gab es aber auch mehr Personal“, so Bachmann. Sie sei aufgrund des Personaleinschnitts eingestellt worden. In den nächsten zwei Jahren könne die Verkehrssituation auf der Straße und dem Radweg noch mit dem aktuell vorhandenen Personal beherrscht werden, mit der zunehmenden Fahrradmobilität käme aber ganz klar mehr Vollzugsarbeit hinzu. Hier sei ein Personalaufwuchs dringend nötig.

Der Pkw-Verkehr nehme jährlich um vier Prozent zu, der Lkw-Verkehr sogar um sieben Prozent, der Verkehr verdichte sich, wodurch immer mehr Menschen auch auf alternative Fortbewegungsmittel umstiegen, sagte Olaf Sendel, der Vorsitzende des Landesverbands Sachsen-Anhalt in der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die verkehrsberuhigten Bereiche nähmen zu, hier sei es ungünstig, mit einem Streifenwagen zu agieren, eine Fahrradstaffel sei dort – beispielsweise in Fußgängerzonen, Parkanlagen und Spielplätzen – viel effektiver. Doch die Streifen müssten auch besetzt werden können, und dies mit zusätzlichem, nicht mit vorhandenem Personal, so Sendel. Die Sicherheit der eingesetzten Kolleginnen und Kollegen müsse gewährleistet werden – durch eine vernünftige Ausrüstung und eine gute Ausbildung (Sturztraining usw.).

Fahrradstaffeln seien ein geeignetes Mittel um die Sicherheit der Schwächsten im Verkehr zu erhöhen, betonte Stephan Marahrens, Landesvorsitzender ADFC Sachsen-Anhalt e. V. Sie ermöglichten eine Ansprache auf Augenhöhe und könnten motorisierte und nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer gleichermaßen füreinander sensibilisieren. Die Straßenverkehrsordnung, 2021 erst novelliert, regle und lenke den öffentlichen Verkehr, erklärtes Ziel sei auch hier ein Straßenverkehr ohne Verkehrstote, so Marahrens. Für den ADFC seien Fahrradstaffeln eine „gute und hilfreiche Erweiterung des taktischen Einsatzportfolios der Polizei“, der Verein befürwortet eine zeitnahe Umsetzung des Antrags der Grünen.

Es zeichne sich ein verändertes Mobilitätsverhalten ab, gerade in urbanen Räumen gebe es weniger Pkw-Verkehr, der Radverkehr nehme zu, beispielsweise auch durch den wachsenden Fahrradtourismus, erklärte Polizeioberrätin Julia Semper von der Polizeidirektion Hannover. Die drei in Niedersachsen etablierten Fahrradstaffeln sollen die Sicherheit im zunehmenden Radverkehr erhöhen, sie seien mit jeweils vier bis acht Kolleginnen und Kollegen besetzt. Sie würden als „taktisches Bindeglied zwischen Fuß- und motorisierter Streife“ betrachtet, vornehmliches Ziel sei die Absenkung der Unfallzahlen mit Fahrradbeteiligung, so Semper. Die Erhöhung der Bürgernähe der Polizei soll durch Identifikation und direkte Ansprechbarkeit erreicht werden – Präventions-, Präsenz- und Kontaktstreifen seien hier sehr hilfreich. Fahrradstaffeln richteten sich also nicht ausschließlich auf Fahrradfahrende, sondern dienten der allgemeinen Verkehrsüberwachung, betonte die Polizeioberrätin.

Die Fahrradstaffeln seien ein wesentlicher Bestandteil seines Dienstbereiches, sagte Polizeidirektor Thomas Drechsler, Leiter der Abteilung Verkehr bei der Polizei Berlin, die Staffeln seien seit 2014 im Einsatz, 57 Mitarbeitende umfassen die Staffeln derzeit (Plan: bis auf 100 erhöhen). Immerhin betrage der Radverkehr in Berlin etwa zwanzig Prozent, unter den Verkehrstoten der Hauptstadt seien besonders viele Radfahrende. Die Fahrradstaffeln seien an allen Wochentagen im Einsatz, die Bediensteten seien freiwillig dabei und speziell für den Einsatz ausgebildet, so Drechsler. Eine gute Ausstattung sei zwingend erforderlich. Neben dem normalen Dienst würden die Fahrradstaffeln auch viel Verkehrsunfallprävention betreiben (Verkehrsunterricht an Schulen, Fahrradcodierungen) und seien bei Fahrrad- und Sportveranstaltungen im Einsatz.

Die Wiedereinführung von Fahrradstaffeln werde von der Landesverkehrswacht Sachsen-Anhalt e. V. ausdrücklich begrüßt, betonte deren Präsident Tobias Krull (MdL). Sie könnten einen guten Beitrag zur Sensibilisierung aller Verkehrsteilnehmer leisten. Deren Einsatz müsse allerdings vor dem Hintergrund der personellen und sächlichen Ausstattung der Polizei geplant werden.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) sei die größte Institution in Sachen Unfallerforschung, konstatierte Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer (UDV). Nach der Einführung von Fahrradstaffeln in Berlin habe sich das Verkehrsklima realiter und auch nach Aussagen von Auto- und Fahrradfahrern deutlich verbessert. Verkehrsverstöße hätten sich enorm verringert, die Unfallzahlen seien auch signifikant gesunken. Man sollte Fahrradstaffeln nicht nur „als Versuch“ ansehen, „sondern es einfach machen“, ein Scheitern des Projekts scheine aufgrund der gesammelten Erfolgsmessungen schlicht unmöglich, konstatierte der Unfallexperte.

Ergebnis und Dokumente

Der Ausschuss für Inneres und Sport wird sich in den kommenden Sitzungen weiter mit dem Antrag „Fahrradstaffel“ beschäftigen. Ziel ist die Erstellung einer Beschlussempfehlung, die dann dem Landtag in Gänze zur Abstimmung zugeführt wird.